Aus einer Klimaanlage an der Decke eines Büros strömt Luft.

Corona­virus: Ist die Klimaanlage wirklich eine Viren­schleuder?

Jeder kennt das Problem: Klimaanlage ein – oder aus. Während die einen nach Abkühlung lechzen, fürchten die anderen, dass sie sich erkälten. Mit der Corona-Krise hat diese Diskussion eine neue Dimension angenommen. Denn plötzlich stehen Klimaanlagen in Verdacht, das Virus zu verbreiten. Doch stimmt das wirklich?

Der Sommer ist da: Bei strahlendem Sonnenschein und einer Außentemperatur von über 30 Grad zieht es die meisten Menschen eher Richtung Badesee als ins Büro. Wer arbeiten muss, freut sich über jede Abkühlung. In vielen Büros sind deshalb Klimaanlagen installiert, die für erträgliche und von Medizinern empfohlene Temperaturen von etwa 20 bis 25 Grad sorgen.

Regeln für die richtige Raumtemperatur

Die sogenannten Technischen Regeln für Arbeitsstätten geben vor, dass der Arbeitgeber ab einer Raumtemperatur von 30 Grad Maßnahmen ergreifen muss. Es muss sichergestellt werden, dass die Temperaturen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen. Während 30 Grad Celsius nicht überschritten werden dürfen, muss es mindestens 20 Grad warm sein.

Jeder Mensch hat ein etwas anderes Empfinden – und so kann es beim Arbeiten zu kleinen Konflikten kommen. Jeder hat eine andere Vorstellung davon, was die ideale Raumtemperatur zum Arbeiten ist. So reagiert auch jeder anders auf Klimaanlagen: Manche fangen sich bei kühlen Temperaturen schneller eine Erkältung ein als andere.

Doch seit Corona fürchten manche Menschen nicht mehr nur eine Erkältung. Es heißt, dass Klimaanlagen das gefährliche Virus verbreiten können. Damit steige die Ansteckungsgefahr. Doch ist diese Sorge berechtigt? Um diese Frage zu klären, haben wir mit Medizinern, Mikrobiologen und Klimaanlagen-Experten gesprochen.

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Auf die Frischluft kommt es an

Ob Klimaanlagen gesundheitsgefährdend sein können, hängt zunächst von der Art der Klimaanlage ab. Im Büroalltag werden im wesentlichen Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Geräte) eingesetzt. Diese Geräte bringen Frischluft in den Raum, also Außenluft – und bergen nach Ansicht von Dr. med. Marc Szczyrba, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, keine Gefahr, die Verbreitung von Corona-Viren zu befördern, wenn sie fachgerecht installiert und regelmäßig gewartet sind: „Professionell installierte Klimaanlagen sind aus hygienischer Sicht unbedenklich – im Gegenteil: Sie sorgen für eine Frischtluftzufuhr und fördern eine gute Durchlüftung.”

Daneben gibt es auch reine Umluftanlagen. Die sind im Zuge des Corona-Ausbruches in der Fleischfabrik Tönnies in Verruf geraten. Im Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück wurden über 1.500 Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. Einer der mutmaßlichen Gründe: Die im Unternehmen installierte Anlage habe Aerosole in der Arbeitshalle verbreitet. Aerosole sind kleinste Tröpfchen, die das Corona-Virus übertragen können.

Doch Szczyrba macht darauf aufmerksam, dass reine Umluftanlagen in Betrieben normalerweise nicht vorgesehen sind. Laut dem Mediziner, der am Zentrum für Hygiene und Infektionsprävention (ZHI) der Bioscientia tätig ist, können diese Geräte die vorhandene Raumluft lediglich kühlen – was ein Problem darstellen kann.

Professionell installierte Klimaanlagen sind keine Virenschleudern – im Gegenteil.
Dr. Marc Szczyrba, Facharzt für Hygiene

Das räumt auch der Geschäftsführer des Fachverbands Gebäude-Klima (FGK), Günther Mertz, ein: “Bei Tönnies reden wir nicht von klassischen Klimaanlagen wie sie beispielsweise in Büros, Hotels oder Einkaufszentren zum Einsatz kommen, sondern über Kühlanlagen. Temperaturen von 6 bis 8 Grad, wie sie in den Tönnies-Betrieben geherrscht haben sollen, sind Wohlfühltemperaturen für Viren. Bei diesen Anlagen wird aufgrund des Energiebedarfs und der technischen Voraussetzungen hauptsächlich mit Umluft gearbeitet – für diese Anwendungen haben wir schon immer Schwebstofffilter oder HEPA-Filter empfohlen.“

Mertz empfiehlt deshalb in der jetzigen Situation, weitgehend auf Umluftanteile zu verzichten und die Anlagen ausschließlich mit Außenluft laufen zu lassen.

Zu kalt eingestellte Klimaanlagen schaffen Wohlfühltemperaturen für Viren.
Günther Mertz, Klimaanlagen-Experte

Der wichtigste Tipp: Lüften, lüften, lüften

Alle Experten, mit denen wir gesprochen haben, stellen fest: Regelmäßiges Lüften ist wichtig, um den Luftaustausch sicherzustellen. Dieser bewirkt einen Verdünnungseffekt: “Je mehr Frischluft ich reinbringe und für einen Austausch der Luft sorge, desto ungefährlicher sind die Aerosole”, sagt der Facharzt Marc Szczyrba.

Aus gesundheitlichen Gründen ist es ohnehin angeraten, regelmäßig zu lüften. Es fördert die Denkkraft und Konzentration der Mitarbeiter und beugt zudem Müdigkeit vor. Denn: Nicht nur Mitarbeiter verbrauchen beim Atmen frische Luft, auch Drucker, Kopierer und andere technische Geräte verbrauchen durch Staub und Emissionen eine Menge Sauerstoff. Der Anteil an Kohlendioxid, das schon in kleinen Mengen müde macht, steigt dadurch in der Luft. Experten empfehlen für ein angenehmes Raumklima regelmäßiges Stoßlüften. Also: Mehrmals am Tag für zwei bis drei Minuten die Fenster öffnen.

Auch bei klassischen Klimaanlagen mit Umluftkühler sollte man regelmäßig Stoßlüften, um möglichst viel Luft in kurzer Zeit auszutauschen. Während des Stoßlüftens sollte die Klimaanlage abgeschaltet werden, um keine Energie zu verschwenden. Bei einem Klimasystem mit Lüftungsanlage hingegen sorgt letztere für mechanische Lüftung, also Luftaustausch zwischen Innen- und Außenluft. In so einem System bedarf es keiner manuellen Lüftung.

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Klimaanlagen aus mikrobiologischer Sicht

Lüften, ob manuell oder mechanisch, ist also oberstes Gebot. Und ein altes noch dazu: “Dass sich Krankheiten über die Luft verbreiten können, ist letztlich seit circa 400 vor Christus bekannt; das ist nichts Neues. Eine Maßnahme dagegen war schon immer Lüften”, erklärt Markus Egert, Professor für Mikrobiologie und Hygiene an der Hochschule Furtwangen. Er erinnert an den antiken griechischen Arzt Hippokrates von Kos (460 – 375 v. Chr.) und seine Lehren von den Miasmen, also der schlechten Luft.

„Im Vergleich zur direkten Übertragung von Mensch zu Mensch ist die Übertragungsgefahr der Corona-Viren durch Klimaanlagen sicher überschaubar“, meint Egert. Denn: Viren werden durch die Klimaanlagen lediglich verteilt und oft durch Frischluft noch verdünnt. Sie vermehren sich nicht, wie es bei Bakterien der Fall ist. Die Bakteriengefahr im Zusammenhang mit Klimaanlagen stuft er als schwerwiegender ein, so könnten insbesondere bei Wasserkontakt zum Beispiel Legionellen in die Luft gelangen. Deshalb sei eine regelmäßige Reinigung und Wartung wichtig.

Das größte Risiko für eine Corona-Infektion bleibt die Übertragung von Mensch zu Mensch.
Prof. Markus Egert, Mikrobiologe

Regelmäßige Wartung von Klimaanlagen

Wie oft eine Wartung der Klimaanlage notwendig ist, kann pauschal nicht festgelegt werden. Als Faustregel gilt jedoch mindestens einmal jährlich. René Seidel, zuständig für den technischen Support Lüftung beim schwedischen Klimaanlagen-Hersteller Swegon, erklärt hierzu: „Entscheidend ist auch, in welchem Umfeld die Klimaanlage betrieben wird und für welchen Einsatz sie vorgesehen ist. Bei einer normalen Anlage ist eine Wartung einmal jährlich mit Filterwechsel ausreichend. Im Krankenhaus kann wegen hygienischer Aspekte ein Filterwechsel zu jedem Quartal notwendig sein.“

Deshalb: Die Klimaanlage regelmäßig warten lassen – ansonsten droht eine kürzere Laufzeit des Gerätes, eine eingeschränkte Funktion und die Gefahr einer Keimbelastung.

Die Hersteller geben in den Betriebsanleitungen der Anlagen Hinweise auf das empfohlene Wartungsintervall. Dazu liefern Checklisten des Vereins für Ingenieure (VDI) die Informationen zu relevanten Wartungstätigkeiten.

Klimaanlagen sind weitestgehend unbedenklich

Die Frage, ob herkömmliche Klimaanlagen das Coronavirus verbreiten können, kann man also – nach aktuellem Stand der Dinge – verneinen. Um Gesundheitsrisiken auszuschließen, sollte die Anlage regelmäßig gewartet und gereinigt werden. Auf Umluftanteile besser verzichten und regelmäßg Lüften: Dann bleibt die Luft frisch.

Die größte Gefahr, das Corona-Virus auf der Arbeit zu übertragen, geht vom Menschen selbst aus. Daher sollten die Hygieneregeln ernstgenommen werden und unbedingt vermieden werden, dass Mitarbeiter mit COVID-19-Krankheitssymptomen auf die Arbeit kommen.

Darauf sollten Arbeitgeber achten

  • Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Geräte) einsetzen

  • Klimaanlagen regelmäßig warten lassen

  • Empfohlene Raumtemperatur von 20 bis 25 Grad schaffen

  • Regelmäßig lüften

  • kranke Mitarbeiter bleiben zuhause

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