Eine Mutter stillt ihren Säugling

Stillen: Die größten Mythen sowie praktische und hilfreiche Tipps

Unser Körper bereitet sich während der Schwangerschaft automatisch auf die Stillzeit vor. Trotzdem sind viele Frauen verunsichert, da zahlreiche Mythen rund ums Stillen kursieren. Wir klären zusammen mit einer Stillberaterin über Missverständnisse auf und geben wichtige Tipps zur Vorbereitung, Ernährung und Stillpositionen.

Auf unserem Instagram-Kanal stieß das Thema „Mythen rund ums Stillen“ auf großes Interesse. Kein Wunder, werden diese doch über Generationen hinweg verbreitet. Dazu kommt heutzutage noch die perfekte Scheinwelt der sozialen Medien, die neuen Müttern ein schlechtes Gewissen macht. „Ich rate: Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und verabschieden Sie sich vom Perfektionismus“, rät Claudia Braches, Stillberaterin und Dozentin am Ausbildungszentrum Laktation & Stillen. Zusammen mit ihr erklären wir, was beim Stillen wichtig ist und was es mit den Mythen auf sich hat.

Wie bereitet man sich auf die Stillzeit vor?

Von Beginn der Schwangerschaft an sendet die Plazenta Hormone an den Körper, um ihn auf die Stillzeit vorzubereiten. „Schon ab Mitte der Schwangerschaft ist die Brust in der Lage, Muttermilch zu geben“, erklärt Claudia Braches. Das heißt jedoch nicht, dass stillende Mütter keine Unterstützung brauchen.

„Stillen ist grundsätzlich eine natürlich gegebene Fähigkeit, und benötigt gleichzeitig soziale Vorbilder“, sagt die Stillberaterin. Durch moderne Lebensumstände haben aber viele Frauen diese Sozialisation nie erfahren. „Ich empfehle werdenden Eltern deshalb, sich schon vor der Geburt in Stillberatungskursen zu informieren.“ Ist das Kind erst mal auf der Welt, ist dafür meist keine Zeit mehr da.

Einen Kurs oder eine Beratung in der Nähe findet man zum Beispiel im Internet. „Es gibt auch Beratungen ohne medizinischen Hintergrund. Wer eine fundierte Stillberatung möchte, der sollte auf die Qualifikation zum Stillspezialisten achten.“

„Es ist auch hilfreich, sich für die Geburt nach babyfreundlichen Krankenhäusern in der Umgebung zu erkundigen“, rät Claudia Braches, die selbst lange in einer babyfreundlichen Neonatologie gearbeitet hat. Diese Kliniken sind Teil der weltweiten WHO- und Unicef-Initiative „Babyfriendly Hospital“ und passen ihre Abläufe stärker an die Bedürfnisse von Frauen, Kindern und Familien an. Diese Kliniken legen großen Wert auf die Bindungsförderung und eine kluge Stillbegleitung.

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Was macht eine Stillberatung?

Stillberaterinnen und Stillberater unterstützen Mütter dabei, in die Stillbeziehung zu kommen. „Die Beratung der Eltern geht bestenfalls schon vor der Geburt des Kindes in Still-Vorbereitungskursen los, damit Krisen während der Stillzeit gar nicht erst entstehen“, erklärt Claudia Braches. Sie unterstützen die Mütter in der Klinik und in der ersten Zeit nach der Geburt. Freiberufliche Stillberaterinnen und Stillberater bieten häufig sogenannte Stillcafés an, bei denen sich die Stillenden austauschen können. Eine Stillberatung ist meist auch Bestandteil von Geburtsvorbereitungskursen, deren Kosten Ihre IKK classic übernimmt.

„Es kommen auch Frauen zu uns, die in der Stillzeit Hindernisse erlebt haben“, sagt die Expertin. „Gemeinsam suchen wir dann nach den Ursachen und versuchen sie bestmöglich zu beheben, damit eine glückliche Stillbeziehung entstehen kann.“ Unterstützung gibt es auch, wenn nicht mehr gestillt wird und bei allen Fragen rund ums Baby.

So beeinflusst das Stillen die Gesundheit von Mutter und Kind

„Muttermilch ist Medizin“, sagt Claudia Braches. Und tatsächlich ist mittlerweile bewiesen, dass Stillen eine große gesundheitliche Bedeutung für Mutter und Kind hat:

  • Muttermilch macht die Kinder weniger anfällig für Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Allergien.

  • Sie stärkt das Immunsystem des Kindes.

  • Stillen unterstützt die Rückbildung nach der Schwangerschaft.

  • Es reduziert das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs bei der Mutter.

  • Auch die Mutter wird weniger anfällig für Diabetes Typ 2.

Vier beliebte Stillpositionen

„Wir empfehlen heute an erster Stelle die zurückgelehnte Position der Mutter, also dass sich die Mutter bequem zurücklehnt zum Stillen", verrät Claudia Braches. „Dabei ist die Mutter entspannter und die Reflexe des Babys sind hilfreich beim richtigen Anlegen."

In dieser Position kann das Baby in allen folgenden Positionen, je nach dem Bedürfnis von Mutter und Kind, angelegt werden:

Die Kreuz-Wiegehaltung

Bringen Sie das Baby so vor sich, dass sich die Bäuche berühren. Halten Sie es in Ihrer Armbeuge gegenüber der Brust, an der es trinken soll und stützen Sie den Kopf mit Ellenbogen und Hand. Mit der anderen nehmen Sie die Brust von unten im C-förmigen Griff und führen den Kopf des Babys an Ihre Brustwarze, ohne sich nach vorn zu lehnen.

Illustration der Kreuzwiegehaltung
Illustration des Rückengriffs

Der Rückengriff

Halten Sie das Baby mit gebeugtem Ellenbogen waagerecht neben sich. Stützen Sie den Kopf mit der Hand in Richtung zur Brust. Der Rücken des Säuglings wird gestützt durch Ihren  Unterarm. Ihre Brust stützen Sie mit der anderen Hand in C-Form. Diese Stillposition ist besonders angenehm für Frauen mit großen Brüsten, nach einem Kaiserschnitt oder für Frühchen.

Die Seitenlagenhaltung

Legen Sie sich auf die Seite und ziehen Sie die Beine an. Ihr Kopf sollte durch ein Kissen unterstützt sein, damit Sie Arme und Beine entspannen können. Legen Sie Sich mit dem Baby Bauch an Bauch, sodass der Kopf auf Höhe der Brustwarze ist. Ziehen Sie das Kind zum Anlegen dicht an sich heran.

Illustration der Seitenlagen-Haltung
Illustration der zurückgelehnten Rückenlage

Die zurückgelehnte Rückenlage

Lehnen Sie sich sitzend so weit wie möglich zurück und halten Ihr Baby z. B. wie in der Wiegehaltung, im Rückengriff oder längs – Bauch an Bauch auf Ihrem Körper. Um die Bauchmuskeln in der Zeit nach der Geburt zu entlasten, können Sie zusätzlich ein Kissen unter die Kniekehlen oder Ihre Oberschenkel legen.

Ernährung während der Stillzeit

Grundsätzlich darf eine stillende Mutter alles essen, was ihr gut schmeckt und ihr gut bekommt. „Hier im Rheinland ist zum Beispiel das Mettbrötchen ein beliebtes Mitbringsel auf der Wochenbettstation“, lacht Claudia Braches. Anders als in der Schwangerschaft sind rohe Lebensmittel jetzt wieder erlaubt. Selbst Alkohol ist in geringen Maßen wieder möglich. „Ich würde in der Vollstillzeit jedoch auf Alkohol verzichten, denn es verändert den Geschmack der Milch und das mögen Kinder nicht“, so die Expertin.

Eine regelmäßige, frische und vollwertige Ernährung ist ratsam. Dazu gehören zum Beispiel Vollkornprodukte, frisches Obst und Gemüse, Milch, Hülsenfrüchte sowie Fisch und Fleisch. Vor allem Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte sind ratsam. „Eine Tiefkühlpizza hin und wieder ist aber auch völlig in Ordnung.“

Das Einzige, worauf in der Stillzeit wirklich verzichtet werden soll, ist Salbei. Das gilt auch für Salbeibonbons und Salbeitee. „Nicht jede Frau reagiert gleich sensibel darauf, aber es kann die Milchproduktion reduzieren.“

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Die häufigsten Still-Mythen – und die Wahrheit

Wenn es um die Stillzeit geht, gibt es zahlreiche Falschinformationen und Ammenmärchen, die sich mittlerweile über Generationen hinweg verbreitet haben. Wir sind den häufigsten auf den Grund gegangen.

  • Mythos 1: Stillen ist schmerzhaft.

    Wahrheit: Das Stillen selbst verursacht nicht die Schmerzen, sondern die falsche Anlagetechnik. „Kein Lebewesen dieser Welt würde den Nachwuchs stillen, wenn es von Natur aus wehtun würde“, sagt Claudia Braches. Wenn das Baby richtig angelegt ist, liegt die Brustwarzenspitze am weichen Teil des Gaumens beim Baby und es sollte nicht wehtun. Wenn Schmerzen auftreten, sollten sich die Mütter spätestens jetzt Unterstützung suchen.

  • Mythos 2: Wer nicht stillt, hat eine schlechtere Bindung zum Kind.

    Wahrheit: Studien belegen, dass die Bindung eben auch durch Hautkontakt entsteht. Stillen hat also eine positive Wirkung. Aber: Mit der Flasche fütternde Eltern können die Bindung auch durch Hautkontakt stärken. Claudia Braches sagt: „Im Krankenhaus wird gerade den Neugeborenen viel zu schnell Kleidung angezogen. Dabei ist der Hautkontakt zu den Eltern so wichtig für den Aufbau einer stabilen Bindung.“

  • Mythos 3: Frauen mit kleinen Brüsten können nicht genug Milch produzieren.

    Wahrheit: Dieser alte Irrglaube hält sich hartnäckig, obwohl kleine Brüste ausreichend Milch bilden. Denn das Drüsengewebe einer großen Brust unterscheidet sich fast nicht von einer kleinen Brust, sie hat lediglich anteilig mehr Fettgewebe. Claudia Braches erklärt: „Nur circa zwei Prozent aller stillenden Mütter haben eine anatomische Anomalie, die die Produktion der Muttermilch einschränkt.“ Ansonsten gilt: Hat das Kind mehr Hunger, wird die Milchbildung durch das häufige Saugen animiert und es steht mehr Milch zur Verfügung.

  • Mythos 4: Babys müssen nach einem strengen Stillplan gefüttert werden

    Wahrheit: Genau wie Erwachsene sind auch Säuglinge so getaktet, dass sie trinken wollen, wenn sie hungrig sind und schlafen wollen, wenn sie müde sind. Gibt es also keinen medizinischen Grund dafür, dass das Baby zu ganz bestimmten Zeiten gefüttert wird, muss auch kein Plan eingehalten werden. „Auch Stillpausen sind nicht sinnvoll“, sagt Claudia Braches. „Man kann das Kind in diesem Sinne nicht ‚verwöhnen‘, in dem man es zu oft stillt. Diese Liebe und Nähe kann es nie genug haben.“ Falls es Sorgen beim Gewicht des Kindes gibt, hilft ein Gespräch mit Hebamme oder Stillberaterin.

  • Mythos 5: Pre-Nahrung ist schlecht für das Kind.

    Wahrheit: Kein künstliches Produkt kommt an die Qualität von Muttermilch heran. Aber: Die richtige Pre-Nahrung (siehe weiter unten) ist ein möglicher Ersatz und ermöglicht es Frauen, die nicht stillen, ihre Kinder gut zu ernähren.

Das muss man bei Pre-Nahrung beachten

Babys haben einen relativ geringen Proteinbedarf, der über die Zeit sogar noch sinkt. Muttermilch passt sich diesem Bedarf an. „Ich würde deshalb eine Pre-Nahrung mit dem möglichst geringsten Proteingehalt empfehlen“, sagt Claudia Braches.

Zwar sind die Regale zusätzlich mit 1-, 2- und 3-Folgemilch gefüllt, doch es sollte ausschließlich auf Pre-Nahrung gesetzt werden. Auch nach den ersten sechs Monaten ist die Anfangsmilch für das Kind geeignet. Claudia Braches erklärt: „In den Folgemilch-Sorten stecken neben Stärke, die das Kind nicht gut verdauen kann, meist schon versteckter Haushaltszucker und Aromastoffe.“

Die Stillexpertin empfiehlt deshalb Pre-Nahung für das gesamte erste Lebensjahr, danach reichen Kuhmilchprodukte. Die Fütterung mit Folgemilch ist nicht notwendig.

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Wie lange sollte man stillen?

Die World Health Organisation (WHO) empfiehlt, Säuglinge während der ersten sechs Lebensmonate ausschließlich zu stillen und das Stillen auch nach der Einführung von Beikost bis zu zwei Jahre oder länger fortzusetzen. „Auch hier sollte man auf seine Intuition und die des Kindes setzen. Kleinkinder zeigen, ab wann sie das Stillen nicht mehr brauchen.“

Tipps zum Abstillen

Wenn direkt nach der Geburt abgestillt werden soll, werden häufig Medikamente verabreicht. „Ich als Stillberaterin rate davon ab, da diese Medikamente starke Nebenwirkungen haben“, sagt Claudia Braches. Sie beeinflussen den Kreislauf und wirken negativ auf die Psyche, die durch den hormonellen Umschwung sowieso schon anfälliger ist als sonst. „Ich persönlich rate zum natürlichen Abstillen, das mit Salbeikapseln unterstützt werden kann.“ Ein strammer BH und das Kühlen der Brust helfen ebenfalls.

Das spätere Abstillen tritt meist von allein ein. Das Verlangen zu stillen nimmt beim Kind mit zunehmendem Alter ab und die Milchproduktion im Körper der Mutter passt sich den Bedürfnissen des Kindes an. Mitten in der Laktation abzustillen ist auch möglich. Auch hier gibt es die Wahl zwischen Medikamenten und natürlichen Lösungen. In jedem Fall kann eine Stillberatung unterstützen.

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