Portrait von Gianni Jovanovic

Gianni Jovanovic:
Mit Humor
gegen Diskriminierung

Rassismus, Antiziganismus, Homophobie: Menschen bestimmter Gruppen haben oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Gianni Jovanovic will das ändern. Der Aktivist und Comedian setzt sich intensiv für die Rechte von Sinti & Roma sowie von Menschen der LGBTIQ-Community ein. Beiden gehört er selbst an – und erfährt sein Leben lang mehrfache Diskriminierung.

„Ein Mann, der in keine Schublade passt“ – so beschreibt sich Gianni Jovanovic selbst auf seiner Homepage. Seine Biografie: von Zwangsheirat, großen Entscheidungen und offenem Rassismus geprägt. Wofür er sich stark macht: Persönlichkeitsentwicklung, Diversity und den Kampf gegen Intersektionale Diskriminierung, die die Überschneidung mehrerer Formen von Diskriminierung bei einer Person beschreibt – in Giannis Fall zum Beispiel die Diskriminierung als schwuler Rom.

Zu diesen Themen gründete er nicht nur Initiativen, hält Vorträge und gibt Workshops. Als Comedian und Performer steht er auch regelmäßig auf der Bühne, klärt auf über die Gräueltaten, die seine Community erfahren musste, und erklärt, warum das Z-Wort noch nie okay war. Aktiv setzt er sich gegen Antiziganismus, also die Diskriminierung von Sinti und Roma, ein.

Gianni Jovanovic stammt aus einer Roma-Familie. Er wird mit 14 Jahren zwangsverheiratet. Mit 16 Jahren wird er Vater eines Sohnes, mit 17 Jahren Vater einer Tochter. Drei Jahre später sieht das Leben des Rom ganz anders aus: Als er 20 Jahre alt ist, outet er sich als homosexuell und trennt sich von seiner Ehefrau. Eine Entscheidung, die ihn zwangsläufig von seiner Familie trennt – ihm aber auch seine Freiheit und vor allem Selbstbestimmung ermöglicht. Heute ist der 43-Jährige seit 18 Jahren glücklich mit seinem Ehemann zusammen und bereits zweifacher Großvater.

Vorurteile machen krank

Die IKK classic unterstützt Menschen dabei, einen gesunden Lebensstil zu führen. Dazu gehört auch ein gesunder Umgang miteinander – denn Diskriminierungserfahrungen führen zu Erkrankungen. Um das zu verhindern, gilt es die Ursache zu bekämpfen und Vorurteile abzubauen.

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Schmerz als Basis für ein Miteinander

Du bist doch viel zu sauber für einen Roma! „Unterirdisch“ – so bezeichnet Gianni die Vorurteile, die er täglich aufgrund seiner Herkunft erfährt. Ganz besonders nerve ihn die Frage, ob Roma bildungsfern seien. „Im Gegenteil. Wenn sie nicht gebildet gewesen wären, gäbe es uns heute gar nicht mehr – unter den Umständen, in denen wir groß geworden sind“, sagt er. Auch Vorurteile bezüglich Kriminalität oder okkultem Glauben seien für ihn ein absolutes No-Go. So halte sich in manchen Kreisen beispielsweise noch immer hartnäckig das Gerücht, alle Roma seien Wahrsager. Dies sei „absolut stereotypisierend und krass rassistisch.“

Dass Jovanovic Rom und gleichzeitig homosexuell ist, überfordert viele Menschen. Hässliche Fragen sind leider an der Tagesordnung. Wer von euch sitzt oben beim Akt? Trägst du auch Frauenklamotten? Hast du HIV? "Die Vorurteile, die ich als schwuler Mann erlebe, sind genauso schmerzhaft, wie die, die ich als Rom erlebe“, sagt Jovanovic.

Anfangs habe es auch Skepsis in den jeweiligen Communities gegeben. Die Vorurteile gegenüber Roma auf der queeren Seite seien dabei größer gewesen als die Vorurteile der Roma gegenüber seiner Homosexualität. Aber mittlerweile habe er es geschafft, zu zeigen, dass beide Lebensrealitäten funktionieren. „Und ich glaube, dass die Erfahrungswerte, die wir durch Diskriminierung und Ausgrenzung und Hass im Alltag erleben, uns in bestimmten Bereichen sehr zusammenbringen können, weil wir Zugehörigkeit im Gefühl miteinander teilen“, fügt Gianni hinzu.

Rettung durch Charakter und Willensstärke

Heute sagt Gianni Jovanovic von sich, er sei auf einem guten Weg, um sich selbst so zu lieben, wie es sich für ihn richtig anfühlt. Doch dafür brauche es einen sehr starken Charakter und Willen. Wie er es schafft, Vorurteile und Ausgrenzung nicht zu sehr an sich heranzulassen? Mit Self Empowerment und Psychotherapie.

Auch anderen von Diskriminierung betroffenen Menschen empfiehlt er Psychotherapie. Ein weiterer Rat: „Versucht Menschen zu finden, die die gleiche Lebensexpertise haben, um euch nicht viel zu erklären müssen. Menschen, die das fühlen, was ihr fühlt, werden euch nicht diese gewaltvollen Fragen stellen.“

Doch seine wichtigste Botschaft lautet: den Mund aufmachen und nicht still sein. „Zeigt euren Schmerz, zeigt das, was passiert. Macht es öffentlich, dass die Menschen mitbekommen, wie verschiedene Lebensrealitäten in diesem Land aussehen. Geht auf die Straße und seid laut.“

Vorurteile abbauen – nur wie?

Der Wandel gegen Vorurteile beginne bei einem selbst. Es sei wichtig, im privaten Raum den Mund aufzumachen, wenn wir diskriminierende Aussagen hören – auch wenn wir selbst nicht davon betroffen sind.

Und was, wenn man von einer Person auf die eigenen Vorurteile hingewiesen wird? „Dann entschuldige ich  mich aufrichtig bei der Person. Und dann setze ich mich hin und arbeite an meiner Struktur und versuche herauszufinden, woher das kommt. Und wenn ich das erkannt habe, dann kann ich aktiv etwas dagegen tun.“

Für die Zukunft wünscht sich Gianni, dass die Gesellschaft Menschen unabhängig ihrer geschlechtlichen Zuordnung, Hautfarbe, Konstruktion, Religion, Behinderung oder Nicht-Behinderung sieht. Es gehe darum, den Menschen in dieser Person zu sehen und diesen zu schützen und zu bewahren. „Ich wünsche mir ein Ja, ein Ja für die Menschen.“

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