Frau lehnt an Wand und schaut betrübt zu Boden, während ein Mann sie anschaut

Gaslighting erkennen: Werde ich emotional manipuliert?

Fühlst du dich in deiner Beziehung psychisch unter Druck gesetzt? Gibt dir deine Partnerin oder dein Partner das Gefühl, deine Probleme seien belanglos? Dann könntest du von "Gaslighting" betroffen sein, einer Form der Manipulation und des emotionalen Missbrauchs. Experte Eric Hegmann erklärt, wie du Gaslighting erkennst und dich dagegen wehrst.

"Du bist einfach zu sensibel!" oder "Wärst du nicht so kompliziert, hätten wir gar kein Problem" – solche Sätze hören Opfer von "Gaslighting" häufig. Bei dieser Art der psychischen Manipulation untergraben die Täterinnen oder Täter, die sogenannten Gaslighter, das Selbstwertgefühl von Personen, die ihnen nahestehen.

Das Phänomen ist übrigens nach einem Theaterstück von Patrick Hamilton benannt, "Gaslight" – dort versucht ein Mann seine Ehefrau in den Wahnsinn zu treiben, indem er beispielsweise Gaslampen in ihrem Haus installiert und anschließend leugnet, es getan zu haben. 

"Heute bezeichnet Gaslighting als Verhaltensweise die vorsätzliche Täuschung eines Partners, um ihn an der eigenen Wahrnehmung zweifeln zu lassen", erklärt der Paartherapeut und Autor Eric Hegmann. Das macht Gaslighting zu einer Form der psychischen Gewalt und des emotionalen Missbrauchs. "Opfer von Gaslighting benötigen meist therapeutische Behandlung, um ihre Erfahrungen verarbeiten zu können", so der Experte.

Wer sich selbst und seiner Wahrnehmung nicht mehr vertrauen kann, ist hilflos ausgeliefert.
Eric Hegmann, Paartherapeut

Wie äußert sich Gaslighting?

Der Paartherapeut beschreibt anhand des Theaterstücks ein typisches Beispiel für Gaslighting: Der Täter – also der Ehemann – versteckt beispielsweise eine Brosche und behauptet, seine Frau hätte sie verlegt. Außerdem lässt er die Gaslichter ("gas lights") ständig flackern, damit seine Frau Angst bekommt. Als die Frau ihm ihre Sorgen berichtet, behauptet er, sie würde sich all das nur einbilden. Er überzeugt sie, dass sie alles falsch macht und an allen Problemen allein die Schuld trägt – bis sie nicht mehr weiß, was sie glauben soll.

Gaslighting kann grundsätzlich immer auftreten, wenn Menschen zusammenkommen. Speziell in einer Paarbeziehung sind die "Gaslighter" oft unsichere Personen. Deine Partnerin oder dein Partner hat Angst, dich zu verlieren – also versucht er alles dafür zu tun, dass du glaubst, ohne ihn oder sie nicht leben zu können. Neben der Unsicherheit neigen Gaslighter aber auch zu Selbstverliebtheit und Sadismus, also zur Lust, andere zu quälen. Das führt zu einem ungesunden Missverhältnis, du wirst in eine toxische Partnerschaft gedrängt, die deine Psyche "vergiftet": Du wirst manipuliert und emotional abhängig gemacht.

"Solche Täter lassen sich keine Grenzen aufzeigen. Kommt es zum Konflikt, reagieren sie wütend, gekränkt und oft auch gewalttätig", erklärt Eric Hegmann. Sie seien sehr geschickt darin, die Schuld zurückzuspielen – sodass sich die Betroffenen oft selbst die Schuld für den Konflikt geben: "Wer sich selbst und seiner Wahrnehmung nicht mehr vertrauen kann, ist hilflos ausgeliefert."

Mann in grauem Pullover liegt in Bett und legt seinen Arm über sein Gesicht.

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Wer ist besonders gefährdet, Opfer von Gaslighting zu werden?

Hast du gearde eine schmerzhafte Trennung hinter dir? Dann bist du besonders gefährdet, dich in eine toxische Beziehung zu stürzen. Du kommst aus einer Position der Schwäche heraus und wählst dir eine vermeintlich starke Partnerin oder einen Partner. Doch eigentlich ist diese Person in Wahrheit sehr unsicher und versucht, Dominanz auszubauen oder zu festigen, indem sie sich über dich stellt, wie Paartherapeut Hegmann erklärt.

Aber auch Menschen, die schwer Grenzen setzen können, geraten laut Hegmann häufig an Gaslighter; oder auch Menschen, die das Gefühl haben, sich verdienen zu müssen, geliebt zu werden oder meinen, nicht gut genug zu sein.

Daran kannst du emotionale Manipulation erkennen – und handeln

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Partner oder deine Partnerin dich manipuliert, solltest du dich und deine Beziehung ganz genau beobachten. "Frage dich erstmal, ob du glücklich in deiner Beziehung bist", rät Eric Hegmann. Lautet die Antwort Nein, solltest du überprüfen, woran das liegt und ob du das zunächst gemeinsam mit deinem Partner oder deiner Partnerin verändern kannst.

Weitere Fragen, die du dir stellen kannst: 

 

  • Leidet dein Selbstwertgefühl innerhalb der Partnerschaft besonders stark?
  • Plagen dich Angstgefühle? 
  • Fühlst du dich in der Beziehung klein und untergeordnet? 
  • Zweifelst du an deiner Wahrnehmung?

Kommen dir diese Sätze bekannt vor?

Als einen ersten Test, ob du von Gaslighting betroffen bist, kannst du überprüfen, ob du solche oder ähnliche Sätze häufig von einer dir nahestehenden Person zu hören bekommst:

  • Du übertreibst – wie immer!

  • Du bist zu emotional.

  • Das bildest du dir bloß ein.

  • Wärst du nicht so dumm/kompliziert/sensibel, dann …

  • Du bist mal wieder an allem schuld.

  • Wenn ich dir wirklich wichtig wäre, dann …

Ein weiterer Tipp von Eric Hegmann: sich im Freundeskreis rückversichern, dass man sich den emotionalen Missbrauch nicht einbildet. So kannst du nämlich sicherstellen, dass deine eigene Wahrnehmung durchaus Berechtigung hat, auch wenn dein Partner oder deine Partnerin das Gegenteil behauptet. Das kann dir Sicherheit geben, Grenzen zu setzen und einzufordern – ohne den Rückhalt durch Familie oder Freunde ist das oft sehr schwierig. Auch externe Unterstützung kann helfen, um einen Blick von außen auf die Partnerschaft zu werfen. Hegmann: "Aber grundsätzlich sollte man in so einem Fall natürlich nicht in einer solchen Beziehung verweilen, sondern sich schützen."

Frau mit Baby telefoniert mit dem Team IKK Med

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Nicht jede Manipulation ist Gaslighting

Eric Hegmann gibt jedoch zu bedenken: Was wie Manipulation wirkt, muss nicht zwingend auch Manipulation sein. "Vielleicht ist es tatsächlich ein Thema von Aufmerksamkeit und Konzentrationsschwierigkeiten oder unterschiedlichen Wahrnehmungen." Typische "Doch, nein, doch"-Sätze und zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die gleichen Dinge seien Standard-Themen in der Paartherapie.

Bevor du also den Vorwurf der Manipulation an deinen Partner oder deine Partnerin richtest, solltest du deine Situation reflektieren, rät der Experte: Hätte denn die andere Person wirklich einen Vorteil davon? Was bedeutet das für den Stand eurer Beziehung, dass du Manipulation von der Person vermutest, die du liebst? Hast du tatsächlich einen narzisstischen Menschen als Partner oder Partnerin gewählt?

Man müsse laut Hegmann gemeinsam erkennen, worum es in der Beziehung geht und welche Dynamiken sie antreiben – und ob sich diese Dynamiken gemeinsam verändern lassen. Wenn dein Partner oder deine Partnerin und du es nicht schafft, eure Beziehung gemeinsam in neue, gesunde Bahnen zu lenken, gibt es nur noch eine Option, so der Experte: "Dann ist Trennung der beste Weg zu neuem Glück" – schließlich tut eine toxische Partnerschaft auf Dauer niemandem gut.

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