Sexuelle Orientierung: Kein Kriterium für eine Blutspende mehr
Doch nicht jeder Spender war in der Vergangenheit gleichermaßen willkommen, denn neben den allgemeinen Voraussetzungen für eine Blutspende gab es bisher ein weiteres Kriterium, das besagte, wer Blut spenden darf: die sexuelle Orientierung des Spenders.
In der Hämotherapie-Richtlinie vom Herbst 2021 war die Rede von „Menschen mit sexuellem Risikoverhalten“. Damit, so die Bundesärztekammer, wolle man auch den „Anschein von Diskriminierung vermeiden“. Allerdings waren nicht alle mit dieser Regelung einverstanden. Aktivistinnen und Aktivisten kritisierten insbesondere das Monogamie-Kriterium, das schwule und bisexuelle Männer nach wie vor diskriminierte. Denn die dahinter liegende Ausschlussfrist war schlichtweg nicht nachvollziehbar: Bei schwulen oder bisexuellen Männern reichte ein Sexualkontakt mit einem anderen Mann innerhalb der letzten vier Monate aus, um von der Blutspende ausgeschlossen zu werden. Heterosexuelle Männer wurden dagegen erst bei häufig wechselnden Sexualkontakten zurückgestellt.
Dabei spielte weder die sexuelle Praktik, noch die Frage, ob der Geschlechtsverkehr geschützt stattfand, eine Rolle. Das heißt: Eine heterosexuelle Person durfte Blut spenden, obwohl sie in den letzten vier Monaten einen ungeschützten One Night Stand hatte. Im Gegensatz zu einem Mann, der geschützten Geschlechtsverkehr mit einem neuen gleichgeschlechtlichen Partner hatte.
Auch die IKK classic hat sich mit ihrer Initiative "Blut ist Blut" gegen die Diskriminierung bei der Blutspende stark gemacht.
Seit dem 1. April 2023 gilt nun ein neues Transfusionsgesetz. Es besagt, dass die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität kein Ausschluss- oder Rückstellungskriterium mehr sein dürfen. Denn das Risiko einer Infektion bei der Blutspende bemisst sich danach, ob das individuelle Sexualverhalten der spendewilligen Personen riskant war, etwa durch häufig wechselnde Partnerinnen oder Partner in den Monaten vor der Blutspende – nicht danach, ob eine Person homo-, bi- oder heterosexuell beziehungsweise transgeschlechtlich ist.
Zwischenzeitlich wurden auch die Blutspende-Richtlinien an das neue Gesetz angepasst. Sie tritt am 4. September in Kraft. In der überarbeiteten Richtlinie wird dann das persönliche Risikoverhalten, nicht die sexuelle Orientierung maßgeblich für eine Blutspende sein. Gleichzeitig wurde auch die Altershöchstgrenze für Spenderinnen und Spender abgeschafft. In Zukunft soll ein Arzt im Individualfall darüber entscheiden, ob eine Person ungeachtet ihres Alters fit genug ist, um zu spenden. Je nachdem, wie schnell die Blutspendedienste vor Ort auf den neuen Fragebogen umstellen können, wird die neue Regelung dann auch in der Praxis angewandt.