Bluttropfen aus rotem Filz auf Hand vor blauem Hintergrund

Weltblutspendetag: Warum wir Diskriminierung bei der Blutspende dringend überdenken sollten

Kliniken und Blutspendedienste schlagen Alarm: Menschen spenden weniger Blut, als benötigt wird. Das liegt auch an überholten Einschränkungen. Es wird Zeit, dass sich das ändert. Auch für Männer, die Sex mit Männern haben, sollten die gleichen Bedingungen bei der Blutspende gelten wie für Heterosexuelle – nämlich abhängig vom individuellen Risikoverhalten, nicht von der sexuellen Orientierung.

Im ganzen Land herrscht „Nachschubmangel“, Experten sprechen von einer „katastrophalen Situation“, von einem „drohenden Engpass“, der Bedarf sei schlichtweg immens. Doch die Rede ist nicht etwa von wichtigen Rohstoffen oder anderen systemkritischen Betriebsmitteln, ohne die die Wirtschaft stillsteht. Es geht um etwas noch viel Wichtigeres. Um Blut. Um Spenderblut, um genau zu sein.

Täglich werden laut dem Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Deutschland etwa 14.000 Blutspenden benötigt. Und jeden Tag fehlen etwa zehn Prozent der benötigten Spenden. Über das Jahr gerechnet sind es mindestens 50.000 Blutkonserven zu wenig.

In manchen Regionen Deutschlands reichen die Reserven gerade einmal wenige Tage. Geht dort der Blutnachschub zur Neige, kann es passieren, dass Operationen abgesagt werden müssen. Und das passiert schneller als man denkt: Muss beispielsweise ein Schwerverletzter nach einem Unfall versorgt werden, können bei einer einzigen Operation bis zu 80 Blutkonserven verbraucht werden.

Infografik zum Blutspendemangel in Deutschland

Nicht jeder hat die Möglichkeit, mit seinem Blut Leben zu retten

Traditionell werden bei gutem Wetter im Frühling und im Sommer weniger Spendetermine wahrgenommen. Auch während der Corona-Pandemie ist die Spendebereitschaft in der Bevölkerung eher zurückgegangen, das verschärft die Knappheit. Ein weiterer Grund ist die demografische Entwicklung: Treue Spenderinnen und Spender bleiben immer häufiger aus Altersgründen fern. Zudem werden Spenderinnen und Spender, die mit dem Coronavirus infiziert waren, vier Wochen nach ihrer Genesung für eine Spende zurückgestellt. Rückgestellt werden auch Menschen, die an Influenza oder einer Bronchitits erkrankt sind. Das macht auch Sinn, schließlich sollen sich die Spender selbst 100%ig fit fühlen.

Dementsprechend dringlich sind die Appelle, die von den verantwortlichen Blutspendediensten in regelmäßigen Abständen an die Bevölkerung gerichtet werden. Um auf die Relevanz von Blutspenden und Blutspendern aufmerksam zu machen, wird jährlich am 14. Juni der Weltblutspendetag begangen. Mit großem Aufwand wird um Spenderinnen und Spender geworben. Jeder sei willkommen, heißt es. Jeder habe die Möglichkeit, „Leben zu retten“. Wirklich jeder? Nicht ganz.

Multi-Pic von verschiedenen Männern

Blut ist Blut. Mensch ist Mensch.

Wir sind bereit für das neue Blutspendegesetz ohne Diskriminierung von Männern, die Sex mit Männern haben. Mehr erfahren

Sexuelle Orientierung als Kriterium für eine Blutspende

Denn neben den allgemeinen Voraussetzungen für eine Blutspende – dazu zählt ein Mindestgewicht von 50 Kilogramm, Volljährigkeit sowie die Freiheit von chronischen Krankheiten (etwa Diabetes) – gibt es noch ein weiteres Kriterium, das besagt, wer Blut spenden darf: nämlich die sexuelle Orientierung des Spenders.

In der offiziellen Sprachregelung ist die Rede von „Menschen mit sexuellem Risikoverhalten“. Ausgeschlossen werden neben Menschen mit häufig wechselnden Sexpartnern auch:

  • Männer, die Sex mit Männern haben (MSM): mit einem neuen Sexualpartner oder mehr als einem Sexualpartner.

  • Personen, die Sex gegen Geld oder andere Leistungen anbieten (Sexarbeitende).

  • Personen, die Sexualverkehr mit einer Person haben, die eine der oben genannten Verhaltensweisen lebt.

  • Personen, die Sexualverkehr mit einer Person haben, die mit HBV, HCV oder HIV infiziert ist.

  • Personen, die Sexualverkehr mit einer Person haben, die in einem Endemiegebiet/Hochprävalenzland für HBV, HCV oder HIV lebt oder von dort eingereist ist.

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Neuregelung zur Blutspende löst das Problem der Diskriminierung nicht

Bis 2017 durften Männer, die Sexualverkehr mit Männern hatten, nur dann Blut spenden, sofern sie ein Jahr keinen Sex hatten. Damit waren sie praktisch von der Blutspende ausgeschlossen. Selbst wenn sie monogam lebten oder ausschließlich Safer Sex praktizierten, wurden sie pauschal abgewiesen. Die Regelung hatte ihren Ursprung im „HIV-Schock“ der 1980er Jahre. Damals wurde das Virus auch über kontaminierte Blutspenden übertragen. 

Angesichts der besseren Diagnose-Verfahren, die inzwischen zur Verfügung stehen, wurde die sogenannte Hämotherapie-Richtlinie im vergangenen Herbst angepasst. In ihr sind Regeln festgelegt, unter welchen Bedingungen welche Personengruppen Blut spenden dürfen. Erstellt und überarbeitet wird sie von der Bundesärztekammer und dem Paul-Ehrlich-Institut. Für Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben, wurde die Frist nach dem letzten sexuellen Kontakt von zwölf auf vier Monate verkürzt. Damit, so die Bundesärztekammer, wolle man auch den „Anschein von Diskriminierung vermeiden“.

Grund für die Wartezeit sei das sogenannte diagnostische Fenster. Damit ist jene Zeitdauer gemeint, die zwischen einer frischen Infektion und dem Zeitpunkt verstreicht, ab dem ein Krankheitserreger im Organismus sicher nachgewiesen werden kann. Laut Robert-Koch-Institut beträgt dieser Zeitraum bei HIV-Infektionen zwischen zehn und zwölf Tagen. Das diagnostische Fenster ist bei Untersuchungen auf Hepatitis-B-Infektionen dagegen etwas größer und liegt bei etwa 30 bis 35 Tagen.

Aktivistinnen und Aktivisten fordern mehr

Mit dieser Regelung sind aber nicht alle einverstanden, Aktivistinnen und Aktivisten kritisieren insbesondere das weiterhin bestehende Monogamie-Kriterium. So sagt beispielsweise Björn Beck vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe: "Wir begrüßen, dass statt Gruppenzugehörigkeiten in Zukunft reale HIV-Risiken eine größere Rolle spielen sollen. Leider müssen wir aber feststellen: Die neue Version des Ausschlusses löst das Problem der Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern nicht. Das Kriterium der Monogamie ist zumindest fragwürdig, kann doch jeder Mensch nur über sein eigenes Verhalten sichere Aussagen machen. Die gesonderte Nennung von trans Personen ist schlicht stigmatisierend. Die Ausschlussfrist von vier Monaten ist nicht nachvollziehbar."

Wie der Lesben- und Schwulenverband bemängelt, dürfe ein schwuler oder bisexueller Mann, der innerhalb der letzten vier Monate Sex „mit einem neuen Sexualpartner oder mit mehr als einem Sexualpartner hatte“, kein Blut spenden. Ein heterosexueller Mann hingegen werde erst von der Blutspende zurückgestellt, wenn er in den letzten vier Monaten „häufig wechselnde“ Partnerinnen hatte.

Auch Aktivist Lucas Hawrylak, der eine Petition gegen die geltenden Vorschriften gestartet hat, kritisiert die anhaltende Ungleichheit: „Nach wie vor will die Bundesärztekammer deutlich machen, dass es einen Unterschied zwischen homosexuellen und heterosexuellen Personen gibt. Wieso wird im Fragebogen vor der Blutspende nicht einfach nach dem persönlichen Risikoverhalten gefragt, unabhängig von der sexuellen Orientierung?"

Bleibt also zu wünschen, dass auch in Deutschland in Zukunft nur das Verhalten des Einzelnen für die Zulassung zu einer Blutspende ausschlaggebend ist – und nicht eine ganze Gruppe marginalisiert und stigmatisiert wird.

Die Zeichen für eine Änderung stehen gut: Zum 1. April 2023 soll eine Gesetzesänderung des Transfusionsgesetzes in Kraft treten und die Bundesärztekammer verpflichtet werden, danach innerhalb von vier Monaten im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut die Blutspende-Richtlinien anzupassen. In der neuen Richtlinie soll dann das persönliche Risikoverhalten, nicht die sexuelle Orientierung maßgeblich sein.

 

Was passiert mit meinem Blut nach der Spende?

Die fünf wichtigsten Schritte, schnell erklärt:

  • Identifizierung

    Eine Blutspende muss immer sicher der Spenderin oder dem Spender zugeordnet werden können. Daher erhalten sowohl die Blutprobe für die Laboruntersuchung als auch die eigentliche Blutkonserve sowie der zuvor von Spenderin oder Spender ausgefüllte Fragebogen einen identischen Strichcode.

  • Laboruntersuchung

    Eine kleine Probe der Blutspende wird nun in einem Fachlabor auf Infektionskrankheiten untersucht. Dazu gehören etwa HIV, Syphilis oder Hepatitis. Dies ist nötig, um maximale Sicherheit sowohl für die Spender- als auch die Empfänger-Person zu schaffen.

  • Verarbeitung

    Die Blutkonserve wird in ihre Bestandteile aufgetrennt:
    • Blutplasma zur Herstellung von Medikamenten, z. B. zur Krebstherapie.
    • Rote Blutkörperchen für die Versorgung bei hohen Blutverlusten, etwa für Operationen.
    • Blutplättchen mit wichtigen Aufgaben bei der Blutgerinnung.
    • Weiße Blutkörperchen werden aus den Blutpräparaten entfernt. Sie können nicht zur Spende eingesetzt werden.

  • Lagerung

    Gespendetes Blut hat nur eine sehr begrenzte Lagerfähigkeit. Blutplättchen beispielsweise müssen innerhalb von vier Tagen nach der Spende übertragen werden. Daher ist es auch so wichtig, dass kontinuierlich neue Spenden geleistet werden.

  • Zuordnung

    Wichtig ist auch, dass die Blutgruppen von Spenderin oder Spender und Empfängerin oder Empfänger kompatibel sind. Denn erhält die Empfängerin oder der Empfänger eine Bluttransfusion mit der falschen Blutgruppe, kann es zu gefährlichen Reaktionen des Immunsystems kommen.

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