Folge #1
Diskriminierung bis aufs Blut
Der Coming of Age-Podcast der IKK classic.
In Podcast-Folge 1 spricht Vivi mit dem Radiomoderator Benni Bauerdick über eine überholte Richtlinie bei der Blutspende in Deutschland, und warum es höchste Zeit ist, die Diskriminierung queerer Männer endlich zu beenden.
Seit ziemlich genau 16 Jahren ist alles gut. Alles? Naja, zumindest einiges. Denn am 18. August 2006 erlangte das so genannte Antidiskriminierungsgesetz Rechtskraft. Seitdem wird Diskriminierung im Erwerbsleben sanktioniert. Aber Diskriminierung gibt es nach wie vor. Oder wie sonst könnte es sein, dass sich im August 2022 der 34-jährige Radiomoderator und TV-Journalist Benni Bauerdick nach einem Besuch bei einem Blutspendedienst als „Mensch zweiter Klasse“ mit „Blut zweiter Klasse“ fühlt? Der nicht mehr zum Blutspenden gehen will, da „mein Blut ja eh nicht gut genug ist, weil ich bin ja ein Mann, der Sex mit Männern hat“?
Besorgniserregend, finden sowohl Benni Bauerdick, Gast der allerersten Folge des neuen IKK classic-Podcasts „Erwachsen werden? Lass machen.“, als auch Vivi Hähne, seine Gastgeberin. Die beiden gehen in der knapp 30-minütigen Episode der Frage nach, warum homosexuelle Männer in bestimmten Fällen kein Blut spenden dürfen – nämlich dann, wenn sie mehr als einen Sexualpartner im vergangenen Vierteljahr hatten. Und warum heterosexuelle Spenderinnen oder Spender zwei frische Sexualkontakte im gleichen Zeitraum haben dürfen und die Abgabe ihres Blutes im Auge der Blutspendedienste völlig unbedenklich ist. „Ich finde das lächerlich“, sagt Benni. „Ich finde das diskriminierend, weil ich ja nicht mit dem Scheckheft dahinkomme und sage: Guckt mal hier, das sind die Männer, mit denen ich Sex hatte.“ Außerdem könne man ja auch mal überlegen, „ob Heterosexuelle, die in vier Monaten drei neue Sexual- und Geschlechtspartner hatten, so verantwortungsbewusst mit Kondom verhütet haben.“
Benni ist Radio- und Fernsehmoderator und weiß, worauf es beim Geschichtenerzählen ankommt.
Offenheit, Akzeptanz und Toleranz stehen bei ihm an oberster Stelle. So prägt und inspiriert er tagtäglich Menschen.
Mit Vivi spricht er über seine persönlichen Erfahrungen mit Diskriminierung im Alltag. Außerdem erzählt er offen von seinem Coming-out und wie sein Umfeld darauf reagiert hat.
Ausreichend Stoff für ein spannendes Gespräch! Und ausreichend Gründe, die Ungerechtigkeit bei der Blutspende endlich abzuschaffen, da sind sich Benni und Vivi absolut einig. Ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt ja, dass es auch ganz anders geht: „Österreich ist da lockerer. Großbritannien ist lockerer, weil es da völlig egal ist“, sagt Benni. „In Österreich gibt es die drei Mal drei Regelungen. Das heißt, egal ob du schwul, bisexuell, lesbisch oder hetero bist – wenn du in den letzten drei Monaten drei wechselnde Geschlechtspartner hattest, dann darfst du drei Monate kein Blut spenden – völlig egal, ob du einen Mann oder eine Frau liebst. Ich finde, da müssen wir in Deutschland noch hinkommen. Schön, dass wir ein bisschen gelockert haben letztes Jahr, aber da ist noch sehr viel Luft nach oben.“
Unbegründet viel Luft, da sind sich auch medizinische Fachleute einig. Denn das Blut werde getestet, somit könne man das Risiko ausschließen. Ein Fachgremium – bestehend aus Experten des Paul-Ehrlich-Instituts, des Robert-Koch-Instituts, des dort angesiedelten Arbeitskreises Blut (AK Blut) sowie eines Beirats der Bundesärztekammer (BÄK) – hat die wissenschaftlichen Gründe für die Diskriminierung untersucht und kam Anfang vergangenen Jahres (also Anfang 2021) zu dem Schluss, dass eine Zulassung zur Spende vier Monate nach Beendigung von sexuellem Risikoverhalten „nicht zu einer Erhöhung des Risikos für die Empfängerinnen und Empfänger von Blut und Blutprodukten“ führt.
Wäre gar nicht schlecht, wenn sich die Politik dieser Realität stellen würde, denn eine andere Realität bedroht uns alle noch viel tiefgreifender. Blut und Blutplasma wird nämlich dringend gebraucht – und ist nicht ausreichend vorhanden. Aktuell spenden nur etwa drei Prozent der Deutschen Blut. Die Blutspendedienste bangen daher um die kommenden Monate. Denn nach der Corona-Pandemie ist der Bedarf an Blut hoch, weil aufgeschobene Operationen nun nachgeholt werden. Wäre gut, wenn die systematische Diskriminierung queerer Spender – auch aus ganz praktischen Erwägungen heraus – nun endlich ein Ende finden würde.
Zwei Queer-Aktivisten, ein Transfusionsmediziner sowie ein Journalist und Politiker erklären, warum Single-Männer, die Sex mit Männern haben, von der Blutspende zurückgestellt werden und wie auch mit entdiskriminierenden Lösungsansätzen weiterhin eine sichere Blutversorgung in Deutschland garantiert werden kann.