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Delegieren lernen: So geben Sie Aufgaben richtig ab

Eine hohe Arbeitsbelastung bedeutet Stress – und auf Dauer kann das auf die Psyche schlagen. Oft lassen sich Aufgaben eigentlich abgeben, doch viele Menschen haben Schwierigkeiten dabei. Warum ist Delegieren so schwer? Und wie geht es richtig?

Eigenverantwortung ist gesund: Forscher der Indiana University haben herausgefunden, dass mehr Autonomie im Job zum Beispiel die Gefahr verringert, an einer Depression zu erkranken. Doch wenn der Aufgabenberg wächst und das Stresslevel steigt, kann die Psyche auch leiden. Oft liegt es daran, dass Führungskräfte und Mitarbeitende ihre Aufgaben nicht sauber delegieren – die Scheu, Aufgaben abzugeben, ist zu groß. Aber woran liegt das? Und wie lässt man am besten los?

Dr. Andreas Hagemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie weiß, welche psychischen Mechanismen daran hindern, Aufgaben abzugeben und kennt die Gefahren der Überlastung am Arbeitsplatz. Im Interview erklärt er zudem, welche Vorteile das Delegieren mit sich bringt. Davon profitiert nämlich nicht nur die Person, die Aufgaben abgibt.

© Röher Parkklinik

Aufgaben abgeben – eine Win-win-Situation

Dr. Andreas Hagemann ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Ärztlicher Direktor der Röher Parkklinik in Eschweiler bei Aachen. Diese Privatklinik für Psychosomatik ist spezialisiert auf Angst- und Panikstörungen, chronische Schmerzen, Burnout und Depressionen.

3 Fragen an den Experten: Die Vorteile des Delegierens

  • Warum fällt es vielen Menschen so schwer Arbeit abzugeben?

    Ob Führungskraft oder nicht: Im Job haben viele Menschen das Gefühl, alles kontrollieren zu müssen. Vorherrschend ist das Bild “Nur, wenn ich etwas selber mache, weiß ich, dass es gemacht ist und dass es gut gemacht ist." Loszulassen und Verantwortung anderen Menschen zu übertragen, bedeutet immer auch Macht und Kontrolle abzugeben. Wer zu viel delegiert, könnte sich einen Konkurrenten aufbauen und sich abhängig oder überflüssig machen. Folglich erledigt man lieber alles selbst. Auch das Gefühl, andere könnten den Eindruck bekommen, nur unangenehme oder überfordernde Aufgaben werden abgegeben, spricht vermeintlich gegen das Delegieren.

  • Welche Vorteile bringt das Delegieren mit sich?

    Wer richtig delegiert, gewinnt mehr Zeit und Energie für andere, wesentliche Aufgaben. Es ergeben sich neue Kapazitäten und das Stresslevel reduziert sich. Für alle Beteiligten eröffnen sich attraktive Vorteile. Das Einbinden anderer Fachkräfte bedeutet zusätzliches Know-how, Kreativität und Ideen, die dem Endprodukt und somit dem gesamten Unternehmen qualitativ zugutekommen. Die betreffenden Mitarbeitenden können dank der neuen Aufgaben und der damit verbundenen Verantwortung ihre eigenen Kompetenzen, ihr eigenes Wissen unter Beweis stellen beziehungsweise erweitern.

  • Wirkt sich Delegieren auch auf die Kolleginnen und Kollegen aus, die Aufgaben übernehmen?

    Die Weitergabe von Aufgaben bedeutet generell einen Vertrauensbeweis. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung anderen gegenüber – egal, ob man Führungskraft ist oder nicht. Vertrauen stärkt Selbstvertrauen und wer Selbstvertrauen und Sinnhaftigkeit aus einer Tätigkeit ziehen kann, erhöht die Identifikation mit der Tätigkeit. Indirekt steigt die Identifikation mit dem Unternehmen und fördert somit die Arbeitsmotivation. Motivierte Mitarbeitende sind wiederum leistungsbereiter und seltener krank. Aufgaben zu delegieren führt somit für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation.

Loszulassen und Verantwortung anderen Menschen zu übertragen, bedeutet immer auch Macht und Kontrolle abzugeben.
Dr. Andreas Hagemann

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Der erste Schritt: Keine Angst vor Mehraufwand zu Beginn

Am Anfang bedeutet eine durchdachte Aufgabenverteilung tatsächlich Mehrarbeit. Die Zeitersparnis und der gewonnene Freiraum stellen sich meist erst mittel- bis langfristig ein und sind nicht direkt spürbar. Das liegt daran, dass eine Aufgabe abzugeben solide Vorbereitung benötigt und im Verlauf Kontroll- und Feedbackprozesse nötig sind. Mit Blick auf die langfristigen Vorteile, die Delegieren für Führungskräfte und Mitarbeitende bringt, lohnt es sich jedoch.

S.M.A.R.T: Richtige Zielsetzung = richtig delegieren

Wer zielgerichtet delegieren möchte, kann sich bei einer bewährten Methodik zur Zielsetzung und -einhaltung bedienen: der S.M.A.R.T-Methode. In diesem Fall steht der englische Begriff nicht nur für clever oder schlau. S.M.A.R.T ist ein Akronym, dessen fünf Buchstaben für fünf Schritte stehen, um ein Ziel zu formulieren und zu erreichen. Beim richtigen Delegieren sollten alle fünf Punkte erfüllt sein.

  • S wie spezifisch

    Ihr Ziel sollte so eindeutig wie möglich formuliert sein.

  • M wie messbar

    Das Ziel sollte qualitativ und quantitativ beurteilt werden können.

  • A wie attraktiv

    Die Aufgabe sollte sich für alle Beteiligten lohnen.

  • R wie realistisch

    Das gesetzte Ziel muss umsetzbar sein. Zeit und Ressourcen spielen dabei eine essentielle Rolle.

  • T wie terminiert

    Einzelne Etappen sowie der Zeitpunkt, an dem das Ziel erreicht werden soll, müssen festgelegt werden.


Klären Sie diese Fragen vor dem Delegieren

  • Welche Aufgabe soll mit welchem Zweck delegiert werden? Notieren Sie Ausgangspunkt sowie Ziel der Aufgabe.

  • Welche Erwartungen habe Sie an die Delegation?

  • Welche Vorteile entstehen für alle Beteiligten durch das Delegieren der Aufgabe? Zum Beispiel Zeitersparnis für die Führungskraft oder das Erweitern von Kompetenzen für Mitarbeiter.

  • Welche Person ist der geeignete Mitarbeiter für die Herausforderung? Ressourcen, Fähigkeiten, Wissen, Stärken und Schwächen müssen abgewogen werden.

  • Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit die Aufgabe erledigt werden kann? Auch im Hinblick auf Befugnisse, die womöglich erweitert werden müssen, Kapazitäten und Kompetenzen.

  • Welche Zwischenergebnisse sollten kontrolliert werden? Setzen Sie vorab Etappen fest, deren (erfolgreicher) Abschluss wichtig für das Endergebnis sind.

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Richtig delegieren: So geht's

Nach dem Feststecken der Ziele und Bedingungen folgt das eigentliche Delegieren. Diese Schritt-für-Schritt-Anleitung kann Ihnen dabei helfen.

  • Aufgabenteilen verständlich machen

    Wenn Mitarbeitende verstehen, warum sie eine bestimmte Aufgabe übernehmen sollen, arbeiten sie besser. Bevor es beim Delegieren um die eigentlichen Inhalte geht, sollten Sie erklären, warum eine Person für die jeweilige Aufgabe ausgewählt wurde. So sprechen Sie die Stärken Ihres Gegenübers offen an, was dessen Motivation steigert.

  • Klare, unmissverständliche Kommunikation im ersten Briefing

    Je klarer der Arbeitsauftrag ist, desto einfacher ist dessen Bearbeitung. Klären Sie alle entscheidenden Fragen und brechen Sie komplexe Aufgaben in Einzelschritte auf. Lassen Sie die Mitarbeitenden in eigenen Worten wiederholen, was genau zu tun ist. So vermeiden Sie Missverständnisse.

  • Regelmäßiges Kontrollieren der Teilergebnisse

    Ein entscheidender Punkt beim Delegieren: Auch wenn Sie eine Aufgabe abgeben, sind Sie immer noch dafür verantwortlich. Legen Sie Etappen fest und überprüfen Sie den Arbeitsfortschritt nach jedem Abschnitt.

  • Erfolge ansprechen

    Delegierte Aufgaben sollen attraktiv für alle beteiligten Personen sein. Regelmäßiges, begründetes und nachvollziehbares Lob bildet dabei einen Kernpunkt. Wenn etwas gut gelaufen ist, ist es die Aufgabe des Delegierenden, das auch hervorzuheben.

  • Probleme und Schwierigkeiten zeitnah benennen

    Unstimmigkeiten sollten Sie schnell und direkt anzusprechen. Wichtig dabei: Beschneiden Sie nie die Autorität der Mitarbeitenden vor anderen. Differenzen gehören in ein vertrauliches, klärendes Gespräch.

  • Abschließende Feedbackrunde durchführen

    Richtig delegieren endet nicht mit dem Abschluss der jeweiligen Aufgabe. Damit beim nächsten Mal alles noch besser läuft, führen Sie eine abschließende Feedbackrunde ein. Sowohl die delegierende Person als auch Mitarbeitende, die Aufgaben übernommen haben, sollten Lob und Kritik am Prozess oder an den beteiligten Personen äußern. Übernehmen Sie die Punkte in ein Protokoll und entwickeln Sie daraus Ihre ganz persönliche Richtschnur. So lernen alle Beteiligten, was eine richtige Delegation ausmacht.  

Sorgfalt beim Delegieren lohnt sich

Auch wenn es zunächst aufwändig klingt: Um gute Ergebnisse zu erzielen, sollten Sie sich die Zeit nehmen, um nicht nur die Aufgabe, sondern auch Ihr Wissen weiterzugeben. Mit einer gründlichen Vorbereitung und klaren Kommunikation der Arbeitsschritte stellen Sie nicht nur sicher, dass die Umsetzung gelingt, sondern setzen auch den Grundstein fürs nächste Mal – und dann ist der Prozesss des Delegierens schon eingeübt.

  • Eine junge Frau ist auf dem Bildschirm eines Laptop im Videocall zu sehen.

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