Muskeln unter Strom: Turbofit mit EMS-Training!?

Beim EMS-Training, kurz für Elektro-Myo-Stimulation, wird die Muskulatur durch Reizstrom künstlich aktiviert.

Fans der Trendsportart versprechen sich schnellen Muskelaufbau und Linderung von chronischen Schmerzen wie Rücken- oder Gelenkschmerzen. Kritiker warnen vor EMS als schädliche Überbelastung. Aber was stimmt denn nun? Gemeinsam mit einem Experten beleuchten wir Vor- und Nachteile der Trainingsmethode.

Was passiert bei EMS im Körper?

Beim EMS-Training trägt man entweder eine Funktionsweste oder einen Funktionsganzkörperanzug mit integrierten Elektroden, die leichten Reizstrom durch den Körper fließen lassen.

„Durch die bioelektrischen Impulse werden rund 90 Prozent der Skelettmuskulatur gleichzeitig angesprochen. Das heißt: Der Muskel wird kontrahiert, ohne dass man ihn bewusst anspannen muss“, erklärt Marcelo Esteves, zertifizierter EMS-Trainer und Filialleiter bei VITALuxe Dortmund. „Besonders effizient am Training mit EMS ist, dass der Strom bis in die Tiefenmuskulatur vordringt.“ 

Die künstliche Aktivierung der Muskulatur über die Funktionskleidung wird mit einfach auszuführenden, dynamischen Fitnessübungen kombiniert, bei denen der Trainierende die Muskeln zusätzlich anspannt. Dadurch wird das Training intensiver.

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So läuft ein EMS-Training ab

In der Regel kostet eine EMS-Trainingseinheit zwischen 15 Euro und 25 Euro und dauert 20 Minuten. Trainiert wird mindestens einmal pro Woche. Interessierte brauchen außer Turnschuhen, Sportsocken und bei Bedarf einem Schweißhandtuch nichts mitzubringen. Alles andere wird vom Studio zur Verfügung gestellt.

Der Trainierende zieht zunächst die Funktionsunterwäsche an, darüber dann die Funktionsweste beziehungsweise den Funktionsganzkörperanzug mit den integrierten Elektroden.

Damit der Strom gleichmäßig durch den Körper fließen kann, wird die Funktionswäsche vor Trainingsbeginn mit Wasser befeuchtet. Das fühlt sich komisch an – wer macht schon gerne nass Sport? –, ist für den reibungslosen Trainingsverlauf aber wichtig.

Die Reizstrom-Elektroden können beim Training einzeln gesteuert werden und sitzen auf den großen Muskelgruppen.

Die großen Muskelgruppen

  • Arme (Bizeps und Trizeps)

  • Oberschenkel

  • Po

  • unterer und oberer Rücken

  • Bauch

  • oberer Brustmuskel

Beim Training selbst liegt der Fokus auf zwei Punkten: der Stärke des Stroms und der korrekten Ausführung der dynamischen Fitnessübungen.

Die Übungen sind einfach: Kniebeugen, Ausfallschritte, Crunches (Bauchpressen) und Armübungen (wie Rudern) gehören zu den Basics und können beliebig umgewandelt werden.

Der Strom fließt in Intervallen durch den Körper: vier Sekunden Anspannung, gefolgt von vier Sekunden Entspannung.

Bei der Stromstärke können und sollen die Kunden aktiv Feedback geben. Zwar stellt der Trainer die Stromstärke am Computer ein, ob sich das zu stark, zu schwach oder genau richtig anfühlt, bestimmt aber der Trainierende.

„Gerade beim ersten Training setzt der Trainer den Strom nicht sehr hoch“, betont Marcelo Esteves, der seit zwei Jahren als EMS Personal Trainer arbeitet und selbst Lehrlinge ausbildet. „Wichtig ist, auf die individuelle körperliche Verfassung des Kunden zu achten und das Training darauf anzupassen.“

In der Regel zeigen sich erste sichtbare Erfolge beziehungsweise Linderung von chronischen Schmerzen in kurzer Zeit – ungefähr nach sechs bis acht Wochen.

Was bringt EMS?

Wie bereits erwähnt, werden beim EMS-Training knapp 90 Prozent aller Muskeln zeitgleich beansprucht. Das Zusammenspiel von künstlicher und natürlicher Muskelkontraktion macht das Training intensiver als herkömmliches Krafttraining.

Die Vorteile im Schnell-Check:

  • Muskelaufbau

  • Lösen von Verspannungen

  • Linderung von (Rücken-)Schmerzen

Für wen ist EMS geeignet?

Stichwort Rückenschmerzen: Viele Menschen, die EMS machen, tun das nicht mit Blick auf Muskelwachstum. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Trainieren mit Reizstrom insbesondere Rückenschmerzen lindern kann. "Vor allem durch das Ansprechen der Tiefenmuskulatur werden chronische Schmerzen gelindert", verdeutlicht Marcelo Esteves. "Über 80 Prozent unserer Kunden berichten mindestens von einer Linderung ihrer Rückenschmerzen."

Das beschränkt sich nicht allein auf Probleme mit dem Rücken. "Menschen, die körperlich schwer arbeiten – egal, ob Handwerker, Pflegekräfte oder Bauarbeiter –, haben oft mit muskulären Dysbalancen zu kämpfen. Die einseitige Belastung bei ihrer Tätigkeit beansprucht immer die gleichen Muskeln, während andere zu wenig angesprochen werden. Durch das Ganzkörpertraining wird dieses Ungleichgewicht aufgehoben." 

Vom Grundsatz her eignet sich EMS-Training für jeden, der Sport machen möchte – ausgenommen Schwangere, Kinder und Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wichtig ist, sich vor Trainingsbeginn vom Hausarzt durchchecken zu lassen und mit ihm abzuklären, ob EMS infrage kommt.

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Training unter Strom: Gefährlich für den Körper?

Seinen Ursprung hat EMS im Reha-Bereich, wo schon seit über 50 Jahren Muskeln gezielt – und vor allem erfolgreich – durch Strom angesprochen und gestärkt werden. Trotzdem wird kaum eine Trainingsform so kontrovers diskutiert wie EMS. Kritiker betonen immer wieder, dass das Training mit Strom gefährlich für den Körper sei.

Tatsächlich gilt: Die Dosis macht das Gift. Die Impulse, die von den Elektroden ausgehen, liegen im niederfrequenten Bereich. Das bedeutet, der Strom aktiviert die Skelettmuskulatur, nicht aber die Organmuskulatur. In einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2018 schlussfolgerte Prof. Dr. Christoph Eifler vom Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaft der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement: „Fakt ist, dass keinerlei Evidenz vorliegt, dass ein adäquates und an dem Leistungs- und Gesundheitszustand der Zielgruppe ausgerichtetes Ganzkörper-EMS-Training gesundheitsschädlich ist.“ 

Trotzdem beinhaltet das EMS-Training natürlich, wie jede andere Trainingsform auch, Risiken, die man sich im Vorfeld verdeutlichen sollte.

Die größten Risikofaktoren

  • Überbeanspruchung der Muskulatur durch zu starken Stromfluss

    Der Grundsatz "Viel hilft viel" gilt nicht fürs EMS. Der Strom, der durch den Körper fließt, darf unter keinen Umständen wehtun oder unangenehm sein. Er sollte sich eher wie eine sanfte Massage anfühlen.
    "Gerade bei Einsteigern reicht leichter Strom vollkommen. Auch bei geringer Höhe regt der Strom die Muskulatur und die Durchblutung an", so Marcelo Esteves.

  • Inkorrekte Ausführung der dynamischen Übungen

    So einfach Kniebeugen und Co. auch sind, müssen sie doch korrekt ausgeführt werden, um den Körper nicht falsch zu belasten.
    "Wichtig ist, sich bei der Wahl des Studios Zeit zu lassen: Wer sich für EMS interessiert, sollte kostenlose Probetrainings besuchen und auf die Gruppengröße achten. Außerdem gezielt nachfragen, wie und in welchem Umfang die Trainer vor Ort ausgebildet sind", rät Esteves.

  • Zu wenig Fokus auf die individuellen Bedürfnisse

    Um mit EMS effektiv zu trainieren, muss der Trainer umfassend über den Kunden Bescheid wissen.
    "In einem Gespräch sollte ausführlich Auskunft über den persönlichen Gesundheitszustand gegeben werden. Liegen chronische Schmerzen vor? Welche Operationen gab es in der Vergangenheit? Auf der Grundlage dieser Aussagen wird ein optimales Training konzipiert."

20 Minuten Sport – das reicht? Nein!

Mit der größte Kritikpunkt am EMS: Die meisten Studios versprechen einen fitten, schlanken und gesunden Körper, wenn man nur einmal pro Woche für 20 Minuten trainiert.

Solche Werbeslogans sind glattweg gelogen: Einmal pro Woche EMS macht nicht wie durch Zauberhand gesund, schlank und fit, wenn man sonst nicht auch auf die Gesundheit achtet.

Angefangen bei der Ernährung, wie der Experte Esteves betont: „70 Prozent unserer Gesundheit hängt mit der Ernährung zusammen, unabhängig von Bewegung und Sport. Wer schlank, fit und gesund sein möchte, kann das nicht ausschließlich mit EMS erreichen. Das Gesamtpaket muss stimmen.“

Die Elektro-Myo-Stimulation wirkt allerdings unterstützend – auch, wenn man nur einmal pro Woche trainiert. „Zur Linderung chronischer Schmerzen und der Verbesserung der Grundsportlichkeit reicht es, einmal pro Woche zum EMS zu gehen. Wer schlanker oder muskulöser werden will, sollte zusätzlich weiteren Sport machen.“

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