Estland als Vorbild in Sachen E-Health?
Ist Estland also das oft zitierte "digitale Musterland", auch und vor allem im Gesundheitsbereich? Betrachtet man allein den Grad der Digitalisierung, fällt die Antwort eindeutig aus: So zeigt der eingangs erwähnte Digital-Health-Index der Bertelsmann-Stiftung, dass Estland im internationalen Vergleich in allen untersuchten Bereichen führend ist. Vor allem die nationale Infrastruktur, die alle digitalen Gesundheitsdienste integriert und den Zugang zu den Patientendaten bündelt, sei hierfür laut Länderbericht ausschlaggebend.
Neben diesen technischen Voraussetzungen gibt es in der estnischen Politik eine breite Unterstützung für die nationale Digital-Health-Strategie. Auch der dritte entscheidende Faktor, den die Studie untersucht – die tatsächliche Datennutzung –, zeigt eine große Aufgeschlossenheit von Leistungserbringern und der estnischen Bevölkerung für digitale Gesundheitsanwendungen. Die tatsächliche Datennutzung liegt in Estland laut Index bei 71,7 Prozent, in Deutschland hingegen nur bei 15,8 Prozent.
Klar ist auch: Ein Vergleich des deutschen und des estnischen Gesundheitssystems ist aufgrund der unterschiedlichen politischen und institutionellen Voraussetzungen mit Vorsicht zu genießen. Dennoch kann der Baltenstaat in gewisser Hinsicht als Vorbild gelten.
Das sieht auch Politikwissenschaftler Drechsler in Bezug auf die elektronische Patientenakte (ePA) so: "Wenn man in Deutschland in der öffentlichen Kommunikation stärker die gesundheitlichen Vorteile dieser Lösung betonen würde – also, dass die Patientinnen und Patienten dadurch länger leben und gesund bleiben –, dann wäre die Wirkung meiner Meinung nach größer. Die Chance auf ein gutes, langes Leben lässt sich durch E-Health erhöhen. Wie das gemacht wird, kann man in Estland sehen."