Wenn es mit dem Schwanger-
werden nicht klappt

Redaktion
IKK classic

Jede siebte Frau in Deutschland kann nicht auf natürlichem Wege schwanger werden. Wie geht man mit Enttäuschungen um, wo findet man Hilfe – und wie fühlt es sich eigentlich an, wenn es irgendwann doch noch funktioniert? Eine Betroffene erzählt von ihrem Weg zum Wunschkind.

Andrea ist Mutter von zwei Söhnen und kann ihr Glück an manchen Tagen immer noch nicht fassen. Denn der Weg bis zur Schwangerschaft war länger und beschwerlicher als für manch andere Frau. Andreas Kinderwunsch war groß, blieb aber lange Zeit unerfüllt. Martin (4) und Jan (1) sind für die gebürtige Österreicherin zwei echte Wunder. Denn sie wurden nicht auf natürlichem Wege gezeugt, sondern fanden dank künstlicher Befruchtung den Weg zu ihren Eltern.

Anfang 2012 entschieden Andrea und ihr Mann, dass der richtige Zeitpunkt für ein Kind gekommen sei. Damals ahnten sie nicht, wie schwer es werden würde, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. "Wir sagten uns, mal schauen, was passiert – und es passierte nichts", erinnert sich Andrea. Die fruchtbaren Tage kamen und gingen.

Ende 2012 ging Andrea schließlich zu ihrer Frauenärztin, um die mögliche Gründe für den unerfüllten Kinderwunsch abzuklären. Nach den üblichen Fragen zur Regelmäßigkeit des Zyklus und eventuellen Vorerkrankungen erkundigte sich die Ärztin auch nach Andreas Mann. Dieser hatte vor langer Zeit einmal Krebs. Ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt schon längst geheilt, aber während der Krebsbehandlung wurde ihm ein Hoden entfernt und eine Chemotherapie war ebenfalls notwendig gewesen.

Ein Spermiogramm bringt Gewissheit

Um Gewissheit zu erlangen, musste Andrea ihren Mann davon überzeugen, ein Spermiogramm zu machen. Das war nicht so einfach. Schlussendlich aber siegte die Sehnsucht nach einem eigenen Kind und Anfang 2013 wurde das Spermiogramm gemacht. "Es war schnell klar, dass wir auf natürlichem Wege nicht weiter kommen würden", fasst Andrea das ernüchternde Ergebnis der Untersuchung zusammen. Aufgrund der Spermienqualität war auch klar, dass bei dem Paar nur eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion, kurz: ICSI, zum Erfolg führen konnte. Die ICSI ist die häufigste Methode einer künstlichen Befruchtung in Deutschland. Dabei wird zunächst eine Eizelle aus dem Eierstock der Frau entnommen und außerhalb ihres Körpers befruchtet. Hierfür wird eine einzelne Samenzelle mit einer feinen Nadel direkt in die Eizelle injiziert. In einer repräsentativen Online-Befragung der IKK classic im Februar 2019 zum Thema „Kinderwunsch und Kinderbetreuung“, wurden 1.000 Bundesbürger im Alter von 20 bis 50 Jahren dazu befragt, ob für sie eine künstliche Befruchtung in Betracht käme. 51 Prozent würden demnach eine künstliche Befruchtung persönlich in Anspruch nehmen, wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappt. 63 Prozent befürworten die Methode übrigens grundsätzlich und gerade einmal drei Prozent sind strikt dagegen.

Es war schnell klar, dass wir auf natürlichem Wege nicht weiter kommen würden.

Bevor die künstliche Befruchtung stattfinden konnte, musste sich das Paar an die neue Situation gewöhnen. "Es hat gedauert, bis wir soweit waren, wieder einen klaren Gedanken zu fassen", sagt Andrea mit fester Stimme. Für ihren Mann war die Nachricht, dass er auf natürlichem Wege kein Baby zeugen könne, besonders schwer. Beide mussten erst einmal die Meinung, die sie bis dato über künstliche Befruchtung hatten, überdenken. "Der erste Gedanke hierzu war, nein, sicher nicht", gibt Andrea zu. Und auch andere Möglichkeiten zur Erfüllung des Kinderwunsches wurden abgewägt. Eine Adoption war für Andrea zum Beispiel denkbar, für ihren Mann jedoch nicht. Und auch ein Pflegekind war für ihn keine Option. Er wollte ein eigenes Kind. Dann starb auch noch Andreas Vater und so machte das Paar seine erste ICSI erst im Juli 2013.

Da Andrea und ihr Mann zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet waren, mussten sie die kompletten Kosten für die Kinderwunschbehandlung selbst tragen – 10.000 Euro haben die beiden für den Traum vom eigenen Baby aufgebracht. Paare mit Kinderwunsch haben zwar einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ihre Krankenkasse die Hälfte der Kosten für eine künstliche Befruchtung bei bis zu drei Versuchen übernimmt. Es gibt jedoch einige Bedingungen dafür: Das Paar muss verheiratet und älter als 25 Jahre sein. Frauen dürfen das 40. Lebensjahr und Männer das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Es dürfen zudem nur Ei- und Samenzellen der Ehepartner zur künstlichen Befruchtung verwendet werden. Vor allem die Vorraussetzung der Ehe empfinden viele als störend. In der Studie der IKK classic zum Thema Kinderwunsch haben sich 54 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, dass die Regeln zur künstlichen Befruchtung auf unverheiratete heterosexuelle Paare ausgeweitet werden sollen. 45 Prozent meinen, dass auch lesbische Paare darauf Anspruch haben sollten, und 26 Prozent sprechen sich dafür aus, dass sich die Kassen auch an den Behandlungskosten alleinstehender Frauen beteiligen. Am Mindestalter würde die Mehrheit der Befragten festhalten und nahezu jeder Zweite spricht sich dafür aus, dass die Regelung zur Altershöchstgrenze nicht verändert wird.

Künstliche Befruchtung

Die IKK classic unterstützt verheiratete Paare bei unerfülltem Kinderwunsch. Die gesetzliche Leistung für künstliche Befruchtung liegt bei einer fünfzigprozentigen Kostenübernahme. Sind beide Partner bei der IKK versichert, erstatten wir bis zu 500 Euro des zu zahlenden gesetzlichen Eigenanteils pro Versuch. Ist nur ein Partner bei der IKK versichert, werden bis zu 250 Euro pro Behandlung erstattet.

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Der erste "Frischversuch"

Ein Rückblick: Mit Medikamenten wurden in Andreas Körper vermehrt Eizellen gezüchtet, um sie schließlich entnehmen zu können. Die Ausbeute der Eizellen war recht gut und das Paar zuversichtlich. Der erste "Frischversuch" startete. In der Kinderwunschklinik in Berlin wurden Andrea zwei frisch befruchtete Eizellen eingesetzt, während die restlichen entnommenen Eizellen eingefroren wurden. Innerhalb von drei Monaten folgten drei Kryo-Versuche mit jeweils zwei Eiern. Dabei werden der Frau die vormals eingefrorenen befruchteten Eizellen eingesetzt. Diese Methode wird auch von Paaren genutzt, wenn die Karriere mit einer Schwangerschaft nicht vereinbar ist. Beim sogenannten Social Freezing werden die Eizellen der Frau eingefroren, um sie später für eine künstliche Befruchtung zu nutzen. Laut der Ergebnisse der IKK Studie zum Thema Kinderwunsch wäre Social Freezing für 46 Prozent der Frauen und 43 Prozent der Männer eine denkbare Alternative um nach der Karriere doch noch schwanger zu werden.

Andreas Körper hatte soweit alles gut weggesteckt, sie hatte keinerlei Beschwerden. Einzig die Hormone, die sie zwischen Transfer und Bluttest erhielt, brachten die Nebenwirkungen einer Scheinschwangerschaft mit sich. Dennoch scheiterten alle Versuche. Kein Embryo wollte sich in der Gebärmutter einnisten. "Jedes Mal ein negatives Ergebnis, das ging sehr auf meine Psyche", gibt die heutige Mutter von zwei Kindern zu. Wenig hilfreich war da auch die Euphorie der Berliner Kinderwunschklinik. Die hemmungslos positive Stimmungsmache der Klinik war ansteckend. "Ich war mir sicher, ich bin schwanger, ich dachte eigentlich, ich würde Zwillinge bekommen – und dann gar nichts. Der Fall war sehr tief", gibt Andrea zu.

Der Mann einer Freundin sagte, eine künstliche Befruchtung sei total unnatürlich und dass es für ihn nie in Frage käme.

Je mehr Hoffnung man dem Paar machte, desto herber war jeder neue Rückschlag, wenn eine Behandlung mal wieder nicht fruchtete. Auch die Beziehung litt darunter. Im November 2013, nach der letzten Kryo brauchten die beiden dringend eine Pause. "Mein ganzes Leben bestand nur noch aus Schwangerschaftstests, Tees um die Gebärmutterschleimhaut zu verbessern und anderen Präparaten. Außerdem recherchierte ich ständig im Internet, wer was ausprobiert hatte, um schwanger zu werden."

Die Reaktionen aus ihrem Umfeld waren sehr unterschiedlich. Die junge Frau erinnert sich an eine besonders negative: "Der Mann einer Freundin sagte, eine künstliche Befruchtung sei total unnatürlich und dass es für ihn nie in Frage käme. Dazu muss man sagen, er hat vier Kinder gezeugt, teilweise ungewollt und kennt dieses Problem nicht." Aber zum Glück gab und gibt es mehr positive Reaktionen. Am meisten freut sich die Mutter, wenn sie unverhofft auf Frauen trifft, die einen ähnlichen Weg gehen mussten, um schwanger zu werden, egal ob ICSI, IVF oder Insemination.

Alles kann, nichts muss

Nach vier erfolglosen Versuchen in einem Jahr dachte Andrea auch über weitere Alternativen wie eine Samen- oder Eizellenspende nach. "Je höher der Leidensdruck ist, umso mehr kann man sich vorstellen", sagt sie über diese frustrierende Phase ihrer Kinderwunschbehandlung. Sie ging immer sehr offensiv mit dem Thema um, die Familie und engsten Freunde wussten Bescheid. Vor allem mit ihrer Schwester hatte Andrea viel darüber gesprochen und fand bei ihr auch an schwierigen Tagen den nötigen Halt. Vieles hat sie aber auch mit sich selbst ausgemacht: "Ich wollte nur noch schwanger werden und begann dabei, depressiv zu werden. Als Ausgleich habe ich zu dieser Zeit viel Sport gemacht. Meine Energie musste ja irgendwo herkommen." Mit Erfolg: Schließlich gewann das Paar wieder an Lebensfreude und versteifte sich nicht mehr auf den Kinderwunsch. "Alles kann, aber nichts muss", lautete von da an ihre Devise.

Dann zogen die beiden nach Hamburg. Dort suchte sich Andrea eine neue Kinderwunschklinik, um mit neuem Elan, aber weniger verbissen einen erneuten Versuch zu starten. Bei amedes experts Hamburg fanden sie einen Arzt, bei dem sie sich auf Anhieb wohlfühlten. "Er war in keinster Weise so euphorisch wie die Ärzte in Berlin. Ganz im Gegenteil. Er war sehr nüchtern und vorsichtiger mit Versprechungen und Spekulationen über eine Erfüllung unseres Kinderwunsches."

Im März 2014 machte das Paar die erste ICSI im Hamburger Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch.

Keine Frau sollte daraus ein Geheimnis machen oder sich gar dafür schämen müssen, eine künstliche Befruchtung zu machen.

Schwangere knotet sich ein blau-weiß-gestreiftes Hemd unter ihrem Bauch um die Hüften © Stocksy

Der neue Arzt entnahm weniger Eizellen als die Klinik in Berlin und machte zusätzlich eine Gebärmutterspiegelung. "Dabei verletzt man die Gebärmutterschleimhaut, was aber dazu führt, dass bestimmte Enzyme freigesetzt werden und die Gebärmutter sich einmal komplett erneuern muss", erklärt Andrea. Sie ist sich heute sicher, dass dies entscheidend zum Erfolg der Behandlung beitrug. "Eine der beiden Eizellen hat sich schließlich in der Gebärmutter eingenistet, das war einer der schönsten Momente in meinem Leben", erzählt Andrea strahlend. "Ich war mit meinem Mann beim Eishockey-Spiel von der Hamburger Mannschaft und hatte so ein Gefühl. Da war etwas, das hatte ich noch nie zuvor in meinem Leben gespürt." Ihr Mann war zurückhaltender, denn er hatte Angst davor, wieder enttäuscht zu werden.

Am nächsten Tag fuhr er zu einem Geschäftstermin nach Köln. Andrea hatte immer Schwangerschaftstests zuhause gemacht, auch wenn die Ärzte ihren Patientinnen eigentlich empfehlen, auf den Bluttest etwa 15 Tage nach dem Transfer zu warten. So auch an diesem Abend. Er war – wieder – negativ. Frustriert ließ sie das Stäbchen in der Küche liegen. Als sie zwei Stunden später an dem Test vorbeilief, war da plötzlich dieser Strich, auf den sie so lange gewartet hatte. So richtig glauben wollte sie es trotzdem nicht, deshalb kaufte sie am nächsten Morgen einen weiteren Schwangerschaftstest und machte diesen direkt auf der dortigen Damentoilette. Als dieser ebenfalls positiv ausfiel, liefen ihr die Tränen in Strömen über das Gesicht. Im Dezember kam das erste Baby des Paares gesund und munter zur Welt.

Heute freut sich die zweifache Mutter, wenn sie anderen Frauen Mut zusprechen kann, denn: "Keine Frau sollte daraus ein Geheimnis machen oder sich gar dafür schämen müssen, eine künstliche Befruchtung zu machen. Eins von sieben Paaren hat dieses Problem und das ist keine Schande."

Informationsportal Kinderwunsch

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat auf seiner Internetseite die wichtigsten Informationen rund um das Thema Kinderwunsch gebündelt und zeigt Beratungsangebote und Fördermöglichkeiten auf.

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Der Wunsch nach einem Geschwisterkind

2015 beschloss das Paar aus Hamburg, es sei Zeit für ein weiteres Kind. Beim letzten erfolgreichen ICSI Versuch blieben zwei eingefrorene Eizellen übrig, die das Paar schließlich im Februar 2016 für eine weitere Behandlung nutzte. Der Erfolg blieb zunächst aus, und auch nach einem weiteren Versuch im Juli wurde Andrea nicht schwanger. Erst nach einer erneuten Gebärmutterspiegelung und einer ICSI im November fiel der Schwangerschaftstest wieder positiv aus. Das zweite Baby kam im August 2017 auf die Welt. Ob es einen Unterschied macht, wie man schwanger geworden ist? "Ich denke schon. Ich bin sehr demütig und sehr dankbar. Und oft, wenn mich meine Kinder mal wieder nerven, denke ich einfach daran zurück, dass ich fast keine gehabt hätte."

Vorsorge in der Schwangerschaft

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IKK classic

Veröffentlicht am 15.01.2019

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