Sex nach der Geburt: Was tun, wenn die Lust fehlt?

Redaktion
IKK classic

Endlich ist das Wunschkind da. Doch auf einmal vermissen die frisch gebackenen Eltern etwas anderes: die Lust auf Sex. Wie kehrt die Leidenschaft zurück? Eine Sexualtherapeutin gibt Tipps.

Es ist ein Gefühl, das sich mit Worten kaum beschreiben lässt: Sein Kind zum ersten Mal in den Armen zu halten. Für viele Paare geht damit ein lang ersehnter Wunsch in Erfüllung. Doch zurück aus der Klinik, ergeben sich ganz neue Herausforderungen: Nun muss der Alltag mit Kind neu organisiert werden. 

Klar, dass das neue Familienmitglied die Welt seiner Eltern ganz schön auf den Kopf stellt: Stillen, spielen, wickeln, umziehen, beruhigen – das kann ganz schön an die Substanz gehen. Hinzu kommt der chronische Schlafmangel, wenn das Kleine nachts alle zwei Stunden schreit und herumgetragen werden möchte. 

Keine Lust auf Sex nach der Geburt

Eine herausfordernde Zeit für jedes Paar. Zumal nach der Geburt eines Kindes auch die Zweisamkeit oft zu kurz kommt – und damit auch die Romantik. Besonders Frauen fehlt nach der langen Zeit der Schwangerschaft und der Geburt oft die Lust auf Sex und Intimität mit dem Partner. Viele Männer haben allerdings ähnliche Probleme, sich in ihre neuen Aufgaben als Väter hineinzufinden und sind weniger an Sex interessiert, besonders in den ersten Wochen nach der Geburt.

Und plötzlich steht da eine Angst im Raum: War es das jetzt mit uns als Liebespaar? Viele frischgebackene Eltern haben große Sorge, dass die Lustlosigkeit zur dauerhaften Begleiterin wird. Doch wann kehrt die Leidenschaft zurück? Wie finden Paare trotz stressigen Alltags mit Baby auch in Sachen Sex wieder zueinander? Und gibt es eigentlich auch medizinische Gründe, nach der Geburt erstmal enthaltsam zu bleiben?

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Besser keinen Sex während des Wochenflusses

Die letzte Frage ist aus medizinischer Sicht schnell beantwortet: Vaginalen Geschlechtsverkehr sollten Paare erst dann wieder haben, wenn der sogenannte Wochenfluss versiegt ist. Diese postnatalen Blutungen dauern im Schnitt sechs bis acht Wochen. Bei einer Spontangeburt meist etwas länger als nach einem Kaiserschnitt. 

Der erste Sex sollte erst dann stattfinden, wenn die Wunden an der Gebärmutter verheilt sind, da sonst für die Frau eine – wenn auch geringe – Infektionsgefahr besteht. Paare, die dennoch den Wunsch nach Intimität verspüren und noch während des Wochenflusses Geschlechtsverkehr haben möchten, sollten ein Kondom benutzen und auf ausreichende Hygiene achten.

Vorsicht bei Sex nach Kaiserschnitt oder Dammriss

Gar nicht so selten kommt es auch vor, dass der Damm, also das Gewebe zwischen Vagina und After, bei der Geburt einreißt oder bei der Geburt ein Dammschnitt gesetzt werden muss. Auch diese Wunde sollte erst ausgeheilt sein, bevor es im Bett wieder zur Sache geht. Zumal Sex unter Schmerzen wohl keiner frisch gebackenen Mama gefallen dürfte. 

Vorsicht ist auch bei einer Kaiserschnittnarbe geboten. Nach etwa zwei Wochen ist der Schnitt in der Regel verschlossen und der Wundschorf löst sich. Dennoch empfiehlt es sich, vorerst noch behutsam zu sein. Aber das sind aus Sicht der Medizin auch die einzigen Punkte, die junge Eltern beachten sollten.

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Die Lust kehrt im Schnitt nach etwa drei Monaten zurück

  • Dennoch sorgen sich nach der Geburt eines Kindes viele Paare um ihr Liebesleben. Denn auch, wenn alle Wunden verheilt sind, ist noch lange nicht alles wie vorher, als man noch zu zweit war. Vor allem die intimen Momente bleiben häufig auf der Strecke. Doch wann kommt die Lust auf Sex zurück? Antworten gibt die Frankfurter Diplom-Psychologin Christine Backhaus.

  • Frau Backhaus, Sie begleiten seit über 20 Jahren Paare, die aus ganz unterschiedlichen Gründen an ihrer Beziehung arbeiten möchten. Darunter sind auch sehr viele junge Eltern, die sich Sorgen um ihr Liebesleben machen. Wann haben Paare nach der Geburt eines Kindes durchschnittlich das erste Mal wieder Sex? Wann kehrt die Lust zurück?

    Das ist natürlich bei jedem Paar anders und hängt von ganz unterschiedlichen Parametern ab. Im Schnitt vergehen drei Monate, bis ein Paar wieder sexuell aktiv wird. Die Geburt eines Kindes ist ein sogenanntes "Life Event", das heißt, ein einschneidendes Ereignis im Leben, das mit gravierenden Umstellungen in sämtlichen Lebensbereichen einhergeht. Das kann auch die Paarbeziehung durcheinanderbringen. 

  • Es sind vor allem die Frauen, denen nach Schwangerschaft und Geburt die Lust auf Sex fehlt. Was sind die häufigsten Gründe dafür?

    Dazu muss man wissen, dass 83 Prozent der Frauen nach der Geburt sexuelle Irritationen haben. Hormonbedingt leiden beispielsweise sehr viele Frauen unter vaginaler Trockenheit, was zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen kann. Bei Müttern, die stillen, sorgt das milchfördernde Hormon Prolaktin dafür, dass das sexuelle Verlangen gehemmt ist. Durch die hormonelle Umstellung empfinden viele Frauen auch eine Traurigkeit und Leere. Häufig wird solch eine Wochenbettdepression aber gar nicht erkannt, was zusätzlich verunsichern kann. Und auch der chronische Schlafmangel durch das häufige nächtliche Aufstehen ist nicht gerade förderlich für das Sexualleben.

Eine neue Rollenverteilung nach der Schwangerschaft

  • Welche Rolle spielen psychische Faktoren?

    Viele Frauen nehmen ihren Körper nach der Geburt anders wahr oder fühlen sich darin unwohl. Sie schämen sich vor ihrem Partner für ihre Baby-Kilos oder dafür, dass sie zuhause nun ständig mit Still-BH herumlaufen oder die Brust ausläuft und denken, als Frau nun nicht mehr attraktiv für ihn zu sein. Viele machen sich auch Sorgen, dass ihre Vagina nach der Geburt zu weit sein könnte. Doch diese Angst ist unbegründet, da sich das Gewebe nach einiger Zeit wieder zurückbildet. 

  • Haben nur Frauen weniger Lust oder auch Männer?

    Das hängt davon ab, wie involviert ein Mann bei der Versorgung des Neugeborenen ist und er seine Partnerin unterstützt. Ob er zum Beispiel auch nachts aufsteht, wenn das Baby schreit, es wickelt, füttert. Bis sich alles eingespielt hat, steht ihm der Sinn sicher auch erst einmal mehr nach schlafen statt nach Sex.

    Viele junge Väter verspüren außerdem einen großen Druck, nun als Alleinverdiener für die finanzielle Versorgung der Familie verantwortlich zu sein. Und diese Sorgen beeinflussen auch die Libido. Oft sind es aber die Männer, die als erstes wieder Lust auf Intimität haben.

  • Die neue Aufgabenverteilung führt häufig auch zu Konflikten. Zum Beispiel, wenn die vorher beruflich ebenso erfolgreiche Frau nun zuhause beim Kind bleibt, sich für den Mann aus Muttersicht aber kaum etwas ändert. Sind Gefühle wie Wut und Neid Libido-Killer?

    Die Karten werden durch ein Kind nochmal neu gemischt, und das kann zu einer Krise führen, die sicher auch das sexuelle Verlangen beeinflusst. Nicht nur Frauen fühlen sich benachteiligt. Viele Männer leiden darunter, dass sie praktisch keine emotionale Rolle mehr spielen. Sie fühlen sich vernachlässigt, sind gekränkt und frustriert, dass es sich den ganzen Tag nur ums Baby dreht.

    Es ist aber völlig normal, dass junge Eltern in ihrer jeweiligen neuen Rolle erst einmal unzufrieden sind. Mit dem Life Event "Baby" stoßen viele junge Paare an ihre eigenen Themen und Probleme. Nehmen wir zum Beispiel den Hang zum Perfektionismus. Männer erleben ihre Partnerin, die früher vielleicht perfekt gestylt und organisiert war, nun in einer neuen Ganzheitlichkeit: Als ängstlich, unsicher und müde. Sie haben Angst, ihre Superwoman zu verlieren. Gleichzeitig erlebt sich die Superwoman selbst ebenfalls als unperfekt. 

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Tipps, um die sexuelle Lust wieder zu entdecken

  • Was können frisch gebackene Eltern tun, um auch als Paar wieder zueinander – und zum Sex zurück – zu finden?

    Durch ein gutes Erwartungsmanagement. Damit meine ich, dass beide Partner schon vor der Geburt über ihr Rollenbild und die neue Aufgabenverteilung sprechen. Und auch Regeln aufstellen, wie es sexuell weitergehen kann, was sich beide wünschen. Das nimmt den Erwartungsdruck.

  • Wie könnten solche Regeln aussehen?

    Ein Paar könnte zum Beispiel festlegen, dass in den ersten drei Monaten nach der Geburt im Bett erst einmal nichts läuft. Oder dass man für eine bestimmte Zeit auf Penetration verzichtet und sich mehr manuell befriedigt, Oralverkehr hat oder sich einfach streichelt. Weil man wegen des Babys zeitlich auch nicht mehr so flexibel ist, könnte man auch vereinbaren, dass der Sex nicht wie bisher kurz vor Mitternacht stattfindet, und situationsbedingt vielleicht auch gar nicht im Bett.

    Paare sollten sich fragen, was Sex eigentlich für Sie bedeutet: Muss es unbedingt vaginaler Sex sein? Muss es immer zum Orgasmus kommen? Oder kann der Sex vielleicht auch kreativer und spielerischer sein? Das ist eine gute Gelegenheit, auch mal Neues auszuprobieren. 

  • Manche Männer sind verunsichert, welche Stellungen oder Praktiken ihre Partnerin nach der Geburt mag und ziehen sich lieber zurück als womöglich etwas falsch zu machen. Wie kann da eine Lösung aussehen?

    Hier sind die Frauen gefragt. Sie sollten dem Partner klare Anleitung geben, an welchen Stellen des Körpers sie berührt werden wollen und wo erst einmal nicht. Natürlich auf eine liebevolle Art. Genaue, klare Formulierungen sind wichtig, nur so ist der Sex für beide Partner schön und erfüllend.

  • Was, wenn der eine Sex will, und der andere nicht?

    Paare sollten auf jeden Fall über ihre jeweiligen Bedürfnisse sprechen und sich auch Zeit zugestehen. Nur so lässt sich verhindern, dass die Unzufriedenheit des Partners, der sich nach Sex sehnt, so zunimmt, dass es auch zu Fehltritten kommen kann. Durch eine gute Kommunikation lässt sich einem Seitensprung aber vorbeugen. Ändert sich an der Situation jedoch nichts, rate ich, professionelle Hilfe in Form einer Paarberatung in Anspruch zu nehmen. Sollte einer der Partner dazu nicht bereit sein, kann oft auch schon ein Einzelgespräch weiterhelfen. 

5 Experten-Tipps für mehr Erotik im Baby-Alltag

Machen Sie sich bewusst, was Sie gemeinsam als Paar schon alles geschafft haben. Das hilft Ihnen dabei, positiv zu bleiben, dass Sie es auch schaffen, zu einem erfüllten Sexualleben zurückzukommen. Zudem können Sie folgende Tipps berücksichtigen:

  • Sex planen: Verabreden Sie sich zum Sex. Machen Sie den Sex zu Ihrem Herzensprojekt

  • Sprechen Sie schon vor der Geburt über Ihre Wünsche, Erwartungen, aber auch Ängste in Bezug auf den Sex

  • Es muss nicht immer Kerzenschein und großes Tamtam sein: Bleiben Sie flexibel und schieben Sie, wenn das Baby schläft, zwischen Home Office und Wäsche machen hin und wieder einen Quickie ein.

  • Vermeiden Sie es, "Mutti" und "Vati" zueinander zu sagen. Das reduziert Sie beide auf die Elternrolle und trägt dazu bei, dass das erotische Knistern zwischen Ihnen und Ihrem Partner eher weniger wird statt mehr.

  • Vertrauen Sie darauf, dass Sie die Krise meistern werden und dass es wieder bergauf geht.

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Veröffentlicht am 24.01.2022

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