Frau liegt unter der Bettdecke und nur ihre Unterarme schauen raus

Hilft Melatonin gegen
Schlaf- störungen?

Produkte mit Melatonin sind im Trend: Sie werden in Form von Tabletten, Kaugummis oder Sprays als Wundermittel für einen tiefen und erholsamen Schlaf beworben. Doch halten diese Produkte wirklich, was die Hersteller versprechen? Und wie wirkt Melatonin im menschlichen Körper?

Sie sind allgegenwärtig: Im Internet, auf Plakatwänden, in Zeitschriften oder Werbespots werden Produkte, die Melatonin enthalten, stark beworben. Es gibt sie als Spray, als Kapseln, Tabletten, Kaugummis, Tees und sogar als Gummibärchen. Die Hersteller preisen Melatonin als „Schlafhormon“ an. Mit ihren Produkten versprechen sie schnelles Einschlafen und das Ende von Schlafstörungen.

Woher kommt der Hype um Melatonin?

Für viele Menschen klingt das wie ein Traum. Fast die Hälfte der Deutschen leidet unter schlechtem Schlaf. Das zeigt eine Auswertung des Statistischen Bundesamts. Deshalb ist es für Experten wie Dr. Matthias Berger, Ärztlicher Leiter des Kompetenzzentrums für Schlafmedizin am Städtischen Klinikum Karlsruhe, auch keine Überraschung, dass sich Produkte mit Melatonin so gut verkaufen. „Wir sind eine Gesellschaft der Schlaflosen“, sagt er.

Wer regelmäßig schlecht schläft, weiß, wie zermürbend das sein kann. „Das macht den Reiz dieser Produkte aus“, sagt der Experte. „Es wird eine einfache Lösung für das sehr komplexe Thema Schlaf suggeriert. Die Präparate sind leicht zugänglich und relativ kostengünstig.“

Deshalb sind Melatonin-Produkte so gefragt wie nie zuvor. Statistiken aus den USA zeigen, dass sich der Umsatz von 2017 bis 2020 auf mehr als 800 Millionen US-Dollar verdoppelt hat. Für den deutschen Markt liegen bisher keine belastbaren Zahlen vor, da der Trend hierzulande noch zu jung ist. „In den USA gibt es diese Produkte schon seit den 90er Jahren. Etwa 20 Jahre später sind sie auch bei uns angekommen.“

Kursangebote

Onlinekurse Entspannung und Stressbewältigung

Stress fördert Schlaflosigkeit und das beste Mittel gegen Stress ist Entspannung. In unseren Onlinekursen lernen Sie, wie Sie Stress nachhaltig bekämpfen. Jetzt anmelden!

Was ist Melatonin?

Schlafforschende und Mediziner wie Dr. Matthias Berger zweifeln stark daran, dass diese Melatonin-Produkte wirklich als Einschlafhilfe funktionieren. Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das in der Zirbeldrüse im Gehirn gebildet wird. Es sorgt dafür, dass die Körpertemperatur sinkt und der Energieverbrauch gedrosselt wird. Also dafür, dass wir müde werden. Das Hormon wird stark ausgeschüttet, wenn es dunkel wird.

Am Tag produziert der Körper bis zu zwölfmal weniger Melatonin als in der Nacht. Sobald das Auge mit Licht in Berührung kommt, wird die Produktion heruntergefahren. Melatonin als Schlafhormon zu bezeichnen, ist deshalb nicht ganz richtig. Es steuert viel mehr den Tag-Nacht-Rhythmus eines Menschen.

Der Gegenspieler von Melatonin ist das Hormon Cortisol. Das wird tagsüber ausgeschüttet und hält uns aufmerksam und wach. Deshalb wird es auch „Stresshormon“ genannt.

Welche Wirkung haben Melatonin-Medikamente?

Dr. Matthias Berger erklärt die Wirkung von Melatonin mit einem Extrembeispiel: Der Körper eines vollblinden Menschen hat kein Lichtempfinden. Deshalb weiß der Körper nicht, wann er welches Hormon produzieren soll. Der Tag-Nach-Rhythmus ist gestört. „Bei solchen Menschen verwenden wir Medikamente mit Melatonin, um den Rhythmus zu steuern.“

Seit 2007 ist Melatonin zwar als Arzneimittel zur Behandlung von Schlafstörungen zugelassen. In der Praxis werden sie laut dem Experten jedoch äußerst selten verwendet. Denn wie viel Melatonin ein Mensch braucht, ist sehr individuell. Deshalb sei Melatonin zur Behandlung von akuten Schlafstörungen im Vergleich zu anderen Medikamenten wenig effektiv.

Kostenübernahme von Medikamenten

Damit Sie schnell wieder gesund werden, übernimmt die IKK classic die Kosten für alle apothekenpflichtigen Arzneimittel, wenn diese notwendig und verordnungsfähig sind. Ihr Arzt entscheidet, welches Medikament für Sie am besten geeignet ist. Mehr zur Kostenübernahme

Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel

Die Produkte aus der Werbung sind nämlich keine echten Medikamente. Diverse Produkte von Sprays bis Gummibärchen laufen als Nahrungsergänzungsmittel. Deshalb können sie in der Apotheke oder Drogerie auch ohne Rezept gekauft werden. Dafür darf die Dosis pro Tablette oder Spraystoß nicht höher sein als 1 Milligramm Melatonin.

 „Die Wahrscheinlichkeit, dass eine so geringe Dosis wirklich eine Wirkung entfaltet, ist eigentlich kaum möglich“, erklärt der Experte. „Auch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass diese Mittelchen keine Wirkung erzielen.“ Gleichzeitig betont er: „Ich möchte jedoch niemandem seine Erfolgserlebnisse absprechen.“ Das lässt sich meist jedoch mit dem Placebo-Effekt erklären.

Melatonin kann bei Jetlag helfen

Wobei diese Melatonin-Produkte jedoch helfen können, ist den Schlaf-Wach-Rhythmus in Ordnung zu bringen: zum Beispiel bei Schichtarbeit oder Jetlag.

In Deutschland arbeiten rund sechs Millionen Angestellte im Schichtbetrieb. Viele davon sind im Handwerk tätig, wie zum Beispiel in Bäckereien oder der Metallverarbeitung. Wer nachts arbeitet, bringt seinen Tag-Nacht-Rhythmus durcheinander. Deshalb leiden viele Menschen, die in Schichten arbeiten, an Schlafstörungen. Diese können häufig tatsächlich mit einem niedrigen Melatonin-Spiegel zusammenhängen und somit durch die Einnahme von Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln ausgeglichen werden.

Auch in den Wechseljahren gehören Schlafstörungen neben Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen zu den häufigsten Begleiterscheinungen. Auch das hängt mit der hormonellen Veränderung zusammen. Auch hier kann Melatonin hilfreich sein.

„Meist liegen die Ursachen der Schlafstörungen jedoch woanders.“ Deshalb sei es wichtig, diesen Problemen auf den Grund zu gehen.

Melatonin-Spiegel auf natürliche Weise regulieren

Die Produktion von Melatonin kann im Körper auch auf natürliche Weise angeregt werden. Wichtig dafür sind eine gute Schlafhygiene und eine ausgewogene Ernährung.

  • Ausreichend lange schlafen: Der Experte rät zu mindestens sieben Stunden Schlaf pro Nacht.

  • Künstliche Lichtquellen im Schlafzimmer vermeiden: Dazu gehören auch TV-Geräte oder Smartphones.

  • Das Schlafzimmer möglichst vollständig abdunkeln.

  • Auf koffeinhaltige oder alkoholische Getränke verzichten.

  • Eine regelmäßige Schlafroutine einhalten.

  • Es gibt Lebensmittel, die Melatonin enthalten, jedoch nur in äußerst geringer Dosis. Dazu gehören beispielsweise Pistazien, Cranberrys oder Kirschen.

  • Wer viel Gemüse isst, schläft besser. Zucker hat dagegen eine schädliche Wirkung auf das Einschlafen.

Berechnen Sie Ihren Body-Mass-Index

Der sogenannte Body-Mass-Index (BMI) gibt Orientierung, ob Sie mit Ihrem derzeitigen Gewicht im Normalbereich liegen. Der Online BMI-Rechner der IKK classic hilft Ihnen dabei, Ihr Idealgewicht zu bestimmen. Zum BMI-Rechner

Wie viel Melatonin ist gefährlich?

Da der Körper Melatonin sehr schnell abbaut und die Dosierung in den freiverkäuflichen Produkten sehr niederig ist, ist die Gefahr einer Überdosierung gering. Auch abgesehen davon, seien diese Nahrungsergänzungsmittel relativ unbedenklich. Sie können nicht süchtig oder abhängig machen.

Welche Nebenwirkungen haben Melatonin-Produkte?

Dennoch können auch diese Präparate Nebenwirkungen haben. Das gilt insbesondere für Menschen, die mehrmals pro Nacht Melatonin einnehmen. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) rät zudem, Melatonin auf gar keinen Fall als Einschlafhilfe für Kinder anzuwenden.

Zu den bekannten Nebenwirkungen zählen:

  • Übelkeit und Kopfschmerzen

  • Verdauungsstörungen

  • Hautausschlag

  • Verringertes Sexualbedürfnis

  • Emotionsschwankungen

  • Bei Männern: Verschlechterung der Samenqualität

  • Bei falscher Anwendung: Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus

Schlafstörungen auf den Grund gehen

Für den Experten ist klar: Wenn Melatonin beim Einschlafen hilft, dann könne man auch regelmäßig auf die Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen. Das gilt genau wie bei pflanzlichen Alternativen wie Lavendel oder der als Schlafbeere bekannten Ashwaganda.

„Wenn diese Mittel jedoch nicht die gewünschte Wirkung erzielen, man weiterhin Schlafstörungen oder Probleme beim Einschlafen hat, sollte man sie lieber weglassen und sich untersuchen lassen.“ Denn auch, wenn die Nahrungsergänzungsmittel nicht allzu teuer sind: „Am Ende profitiert vom Kauf vor allem der Hersteller.“

Mehr zum Thema

  • Mann schläft im Bett

    Tipps

    Schlafhygiene: 11 Bewährte Regeln für gesunden Schlaf

    Für den optimalen Schlaf spielen neben der Matratze und ausreichend Bewegung einige weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Artikel lesen

  • Gähnender Mann und Frau sitzen auf dem Bett

    Leben

    Schlaf­störungen: 12 Tipps zum Einschlafen

    Während manche Menschen scheinbar überall und jederzeit schlafen können, haben Sie Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen? Die gute Nachricht: Damit sind Sie nicht allein. Artikel lesen

  • Frau sitzt auf dem Bett und trinkt Wasser

    Leben

    Morgenroutine: 10 Tipps, wie du besser in den Tag startest

    Wir verraten dir die besten Tipps, wie du mit regelmäßig ausgeführten Tätigkeiten – deiner Morgenroutine – energiegeladener in den Tag startest. Artikel lesen