Vordenker der Lerntypen: Frederic Vester
Erforscht hat dieses Phänomen der im Jahr 2003 verstorbene deutsche Wissenschaftler Frederic Vester, der mit seinem Buch "Denken, Lernen, Vergessen" der Ursache verschiedener Lernpräferenzen auf den Grund gegangen ist. Vester ging davon aus, dass jeder Mensch Informationen anders aufnimmt und das Wissen auf verschiedene Weise verarbeitet. Der Wissenschaftler identifizierte vier verschiedene Lerntypen: den auditiven, visuellen, motorischen und kommunikativen Typ.
Das Buch erschien bereits 1975 – doch es nimmt auch heute noch Einfluss auf die Praxis vieler Pädagoginnen und Pädagogen. Kritische Stimmen bemängeln, dass das Konzept beispielsweise nicht alle Dimensionen abbilde und weiterentwickelt werden müsse. Es gebe außerdem keine Garantie, dass Schülerinnen und Schüler bessere Leistungen erzielen, wenn sie sich auf die Lernmethoden eines Typs konzentrieren. Als erster Anhaltspunkt, die eigenen Lernmethoden zu überdenken und etwas neues auszuprobieren, kann es dennoch hilfreich sein.
Ein weiterer Kritikpunkt: Der "kommunikative Lerntyp" passe nicht in die Reihe. Da dieser Typ Vester zufolge durch das aktive Hinterfragen am besten lernt, muss er vorher das Wissen vermittelt bekommen haben – es gehe also vielmehr um einen Verarbeitungsprozess. Allerdings prägen sich viele Menschen Informationen gerade in der kritischen Auseinandersetzung oder Anwendung besonders gut ein.
Deswegen ein grundsätzlicher Tipp, wenn du erfolgreich lernen willst: Versuche mit allen Sinnesorganen Wissen aufzunehmen, wende es an und entwickle eigene Beispiele für abstrakte Theorien. Auch wenn du weißt, dass du zum Beispiel im Gespräch am besten lernst und so zum kommunikativen Typ zählst, heißt das nicht, dass andere Lernmethoden für dich nicht infrage kommen. Denn in der Realität treten die Typen nicht isoliert, sondern als Mischformen auf: Zum Beispiel kannst du sowohl eher dem motorischen als auch dem kommunikativen Lerntyp zugeordnet werden, manche finden sich vielleicht sogar in noch mehr Lerntypen wieder. Beschränkst du dich auf eine Kategorie, droht die Gefahr des "Stille Post"-Prinzips: Menschen hören etwas, verstehen eine Silbe falsch und geben es verfälscht weiter.
Das gilt ebenso für die Unterrichtsmethoden. Wenn eine Lehrerin oder ein Lehrer nur Vorträge hält, heißt das nicht, dass die Lehrmethode ausschließlich auditiv ist. Womöglich zeichnet die Lehrkraft ein Schaubild an die Tafel und unterrichtet somit auditiv-visuell. Die Lerntypen-Theorie kann also auch eine Inspiration für Pädagoginnen und Pädagogen sein, damit sie im Blick haben, welche unterschiedlichen Veranlagungen es in einer Klasse geben kann und sie entsprechend mit verschiedenen Methoden arbeiten, um einzelne Schülerinnen und Schüler nicht zu benachteiligen.