Nudging: Kleine Anstöße für gesünderes Verhalten am Arbeitsplatz

Redaktion
IKK classic

Haben Sie schon einmal von Nudging gehört? Das sind kleine Anstöße, mit denen das Verhalten von Menschen in eine bestimmte Richtung gelenkt werden kann – zum Beispiel, wenn es um die Gesundheit oder Sicherheit von Mitarbeitenden geht. Das ist meist deutlich effektiver als der erhobene Zeigefinger.

Wir alle wissen, welche Folgen es haben kann, wenn ein Schutzhelm „nur mal kurz“ nicht getragen wird. Doch im Arbeitsalltag können Regeln oder Gebote ab und zu untergehen. Insbesondere dann, wenn es laut und hektisch zugeht.

Dabei kann es ganz einfach sein, Vorgaben einzuhalten: mit kleinen, gezielten Anstößen in die richtige Richtung. Denn manchmal sind es die kleinsten Veränderungen, die den größten Einfluss haben.

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Was ist Nudging?

Genau hier kommt „Nudging“ ins Spiel. Auf Deutsch bedeutet es etwa so viel wie „Anstupsen“. Das Prinzip ist ganz leicht: Durch kleine, subtile Hinweise werden Menschen zu einem bestimmten Verhalten angeregt. Sie sollen dazu bewegt werden, sich „richtig“ zu verhalten, ohne Zwang oder Verbote.

Das Konzept kommt aus der Verhaltensökonomie. Es geht auf den amerikanischen Wissenschaftler Richard Thaler und den Rechtswissenschaftler Cass Sunstein zurück. Sie haben 2008 darüber ein Buch geschrieben: „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt”. Darin schreibt Thaler zusammenfassend: „Unter Nudge verstehen wir alle Maßnahmen, mit denen Entscheidungsarchitekten das Verhalten von Menschen in vorhersagbarer Weise verändern können, ohne irgendwelche Optionen auszuschließen oder wirtschaftliche Anreize stark zu verändern.“

Beispiele für Nudging aus dem Alltag

Das mag auf den ersten Blick recht kompliziert klingen, ist es jedoch gar nicht. Jeder von uns ist im Alltag schon häufiger sogenannten „Nudges“ begegnet.

Ein bekanntes Beispiel ist die Fliege in Urinalen. Sie soll Männer dazu motivieren, beim Urinieren auf die Fliege zu zielen – und damit in die Toilette zu treffen. Die Idee, die auf den Amsterdamer Flughafen zurückgeht, war ein voller Erfolg: Diese simple Maßnahme funktionierte. Die Verschmutzung der Herrentoiletten ging um 80 Prozent zurück. Einen solchen Effekt hätte ein Verbotsschild wohl nie erreicht. Deshalb kleben die Fliegen mittlerweile in fast allen Pissoirs auf der Welt.

Ein spätestens seit der Corona-Pandemie ebenfalls sehr bekanntes Beispiel sind die an Eingängen prominent platzierten Desinfektionsspender. Sie erinnern uns daran, regelmäßig die Hände zu desinfizieren. Eine Methode, die in Krankenhäusern oder Arztpraxen schon vor Corona sehr weit verbreitet war.

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Warum funktioniert Nudging aus psychologischer Sicht?

Psychologen gehen davon aus, dass sich Menschen typischerweise rational verhalten, es ihnen aber schwer fällt, Entscheidungen zu treffen. Beim Treffen von Entscheidungen lassen wir uns gerne von Emotionen, Intuition und Gewohnheiten leiten. Das führt dazu, dass wir häufig auch unkluge oder irrationale Entscheidungen treffen.

Mit Nudges sollen deshalb Anreize gesetzt werden, die dabei helfen, kluge Entscheidungen zu treffen oder eine bestimmte Handlung auszuführen. Um das Verhalten zu optimieren oder alte Gewohnheiten zu durchbrechen, reichen oftmals schon kleine Veränderungen der Umgebung aus. 

Einige bezeichnen Nudging als Manipulation. Doch das ist nicht ganz korrekt, denn es wird nur nahegelegt, etwas zu tun. Die Grenze der freien Entscheidungsfindung darf nicht überschritten werden. Am Ende muss die Person immer die freie Wahl haben. Vorgaben, Regeln oder Verbote haben mit Nudging nichts zu tun. Ganz im Gegenteil: Die Wissenschaft belegt, dass gut umgesetztes Nudging sogar deutlich effektiver ist als Vorgaben.

Wie Unternehmen von Nudging profitieren können

Nudging wird in vielen Unternehmen dazu eingesetzt, um die Gesundheit der Mitarbeitenden nachhaltig zu fördern oder die Arbeitssicherheit zu erhöhen. Typisch für das Handwerk sind beispielsweise viele Muskel- und Skeletterkrankungen. Darauf gingen rund 30 Prozent der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Jahr 2023 zurück.

Viele Unfälle können durch das Tragen einer Schutzausrüstung verhindert werden. „Vielen Verletzungen und Erkrankungen kann man auch durch ausreichend Bewegung oder Sport vorbeugen“, erklärt Frank Klingler, bei der IKK classic zuständig für die Betriebliche Gesundheitsförderung. Im Handwerk bewegen sich die Menschen im Vergleich zu Büroarbeitenden generell zwar ausreichend. „Es fehlt jedoch oft die ausgleichende Bewegung.“ Ebenso wichtig ist eine ergonomische Arbeitsweise.

Genau hier setzt unser Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) an. Dabei werden passgenaue Maßnahmen für Unternehmen entwickelt, um die Arbeitsbedingungen gesundheitsförderlicher zu gestalten.

Das Problem dabei: Vorgaben, die von Führungskräften mit dem erhobenen Zeigefinger umgesetzt werden sollen, bewirken meist genau das Gegenteil: Ablehnung und Unverständnis. „In diese Richtung funktioniert das erfahrungsgemäß häufig überhaupt nicht“, sagt Klingler. Und sie sind in einem modernen Unternehmen auch nicht mehr zeitgemäß. Sein Tipp deshalb: „Die Mitarbeitenden immer mit ins Boot nehmen.“ So können gemeinsam Ideen und Lösungen erarbeitet werden.

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Beispiele für erfolgreiches Nudging im Unternehmen

„Auch Nudging kann in vielen Fällen eine sinnvolle Methode sein, um Verhaltensänderungen zu erzeugen“, sagt der Experte. Häufige Beispiele aus dem Berufsalltag sind etwa:

  • Fußspuren auf dem Boden, die zur Treppe führen. Das soll dazu anregen, die Treppe zu gehen, anstatt den Aufzug zu nehmen. Auch im Fahrstuhl angebrachte Hinweise, die darauf hindeuten, dass es gesünder wäre, die Treppe zu nehmen, gibt es häufig.

  • Obstkisten so aufstellen, dass sie für alle Mitarbeitenden leicht zugänglich sind. Süßigkeiten und ungesunde Lebensmittel dagegen im Schrank aufbewahren. So greifen die Mitarbeitenden für den kleinen Snack zwischendurch häufiger zur gesunden Alternative.

  • Mineralwasser leicht zugänglich bereitstellen: Damit wird gleich doppelt vorgesorgt. Die Angestellten werden daran erinnert, regelmäßig zu trinken – und verzichten gleichzeitig auf ungesunde Softdrinks.

  • Gehörschutz, Schutzbrillen oder -helme dort platzieren, wo sie auch gebraucht werden. Dann können sie nicht „vergessen werden“.

  • Markierungen wie Fußabdrücke oder Leitlinien auf dem Boden – zum Beispiel in einer Lagerhalle oder an Rettungswegen – lenken Menschen auf den Fußweg und machen den Verkehrsweg frei.

  • Erinnerungen platzieren – beispielsweise an Heizkörpern oder Lichtschaltern. Diese machen darauf aufmerksam, diese spätestens am Abend auszuschalten. Das spart Geld und ist gleichzeitig nachhaltig.

Es gibt jedoch auch ausgefallenere Beispiele, die den IKK Gesundheitsmanagerinnen und -managern im Rahmen von BGM-Maßnahmen begegnet sind. Wie diese beiden Beispiele aus einem Friseurbetrieb:

  • Terminzeiten, die überschritten wurden und lange Wartezeiten von Kundinnen und Kunden bedeuten, gibt es bei Friseurbetrieben immer wieder. Um daran erinnert zu werden, sich an die Zeitvorgaben zu halten, wurde ein Motivationsspruch gut sichtbar an den Wänden platziert. Seither werden die Termine besser eingehalten. Die Kundinnen und Kunden sitzen nicht mehr ungeduldig herum und warten. Was gleichzeitig den Stress der Mitarbeitenden reduziert.

  • Nach jedem Haarschnitt wird in der Regel der Arbeitsplatz mit einem Besen gereinigt. Damit jedoch auch Tisch und Stühle gesäubert werden, wurde an einem Besenstil zusätzlich ein Reinigungstuch mit einer Kette befestigt. So ist das Tuch immer gleichzeitig griffbereit. 

All diese Beispiele zeigen, welche Rolle Nudging im Betriebsalltag spielen kann und wie clevere Nudges für mehr Arbeitssicherheit oder Gesundheit sorgen können. Dennoch betont der Experte: Nudging ist nur eine Methode, die im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements zur Prävention und Verbesserung des Arbeitsplatzes eingesetzt wird. „Meist sind es mehrere Methoden, die im Zusammenspiel den Berufsalltag verbessern können.“ 

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IKK classic

Veröffentlicht am 22.12.2023

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