Präkrastination und Beschäftigungs­sucht: Der Drang zur ständigen Überforderung

Redaktion
IKK classic

Es gibt Menschen, die ihre Aufgaben am liebsten bis kurz vor knapp aufschieben – und es gibt solche, die zwanghaft alles auf der Stelle erledigen. Nicht nur die Prokrastination, sondern auch ihr Gegenteil, die sogenannte Präkrastination, hat ihre Tücken. Wir gehen dem in der Psychologie noch jungen Phänomen auf den Grund.

Wer häufig To-do-Listen schreibt, kennt folgende Situation aus seinem Alltag: Bevor man auch nur eine Aufgabe abgehakt hat, sind bereits wieder zwei neue dazugekommen. Anders formuliert: Wir können unsere Arbeit noch so schnell erledigen, es wird immer etwas Wichtiges oder Dringendes zu tun geben, was unter keinen Umständen warten kann.

Nun gibt es zwei Extreme, wie man auf dieses Problem reagieren kann: die Lösung bis zum wirklich allerletzten Moment aufschieben oder einfach mal wild drauf loslegen. Kleiner Tipp am Rande: Sowohl Prokrastination als auch Präkrastination führen zu mehr Stress.

Was war nochmal Prokrastination?

Prokrastination, auch bekannt als Aufschieberitis, führt zu einem kurzweiligen guten Gefühl, indem unangenehme Aufgaben auf später verschoben werden. Ganz nach dem Motto: Vielleicht erledigt sich das Problem von alleine. Personen, die zum Prokrastinieren neigen, nutzen jede sich bietende Gelegenheit, ihre Arbeit an einem Thema zu unterbrechen. Um in unserem Beispiel vom Anfang zu bleiben: Statt auch nur einen Punkt auf der Liste anzupacken, checken sie auf dem Smartphone lieber fünfmal ihre Nachrichten oder schauen nach, was noch so im Kühlschrank ist.

Am Ende dauert es ewig, bis eine Aufgabe erledigt ist. Bis dahin plagt sie ein schlechtes Gewissen, sie sind durchgängig gestresst. An einen Flow-Zustand, in dem einem alles leicht von der Hand geht und die Zeit wie im Flug zu vergehen scheint, ist nicht zu denken.

Flow – zwischen Boreout und Burnout

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Und wann spricht man von Präkrastination?

Es gibt aber auch das genaue Gegenteil: Manche Menschen scheint es regelrecht anzuspornen, wenn sie eine lange Liste innerhalb eines kurzen Zeitfensters abarbeiten sollen. Mehr noch, sie können es kaum erwarten, dass es endlich losgeht.

Was auf den ersten Blick nach hoher Motivation und Produktivität klingt, hat bei näherem Hinsehen eine Kehrseite. Viele Betroffene stürzen sich nämlich auf die erste Aufgabe – und denken vor lauter Euphorie nicht darüber nach, welche Aufgabe auf der Liste Priorität hat. Anders formuliert: Wer unter dem Drang, alles sofort zu erledigen, leidet, nimmt seine Aufgaben zwar in Rekordtempo in Angriff, erzielt dabei aber nicht zwingend die besten Ergebnisse. Dieser – teilweise kopflose – Aktionismus hat einen Namen: Präkrastination.

Ursachen der Präkrastination

Das präkrastinierende Verhalten kommt meist nicht von ungefähr und sitzt tief verwurzelt in der eigenen Psyche. Es kann verschiedene Ursachen haben:

  • Kindheit

    Kindheit: Oft liegen die Ursachen von Präkrastination in der Kindheit. Manche Menschen haben nämlich bereits in der Kindheit verinnerlicht, sich mehr auf Wünsche und Bedürfnisse anderer zu konzentrieren als auf die eigenen. Demnach wird im Erwachsenenalter weiterhin darauf geachtet, zuerst andere zufrieden zu stellen. Wer bereits in der Kindheit hohem Leistungsdruck ausgesetzt war – sei es in der Schule oder von den Eltern – möchte meist Aufgaben schnellstmöglich erledigen, um Strafen oder Kritik zu vermeiden.

  • Perfektionismus: Aufgaben werden häufig nicht weiter delegiert, weil man diese am liebsten selbst erledigt zur eigenen Zufriedenheit. Mit dieser Strategie möchte man Fehler und Kritik vermeiden, erreicht aber manchmal durch die Präkrastination das Gegenteil.

  • Mentale Entlastung: Offene Baustellen und Deadlines bedeuten für Präkrastinierende extremen mentalen Stress. Daher werden alle Aufgaben, die diesen Stress verursachen, schnellstmöglich erledigt.

Zu wissen, dass wir etwas noch erledigen müssen, stresst uns häufig.

David Rosenbaum, Psychologe

Das Eimer-Experiment

Die Präkrastination entdeckt, beziehungsweise als erster näher beschrieben, hat der US-Psychologe David Rosenbaum. Der Forscher der staatlichen Universität in Pennsylvania ließ für eine Studie Studenten einen Eimer von A nach B tragen, genauer gesagt: bis zum Ende eines langen Gangs und ohne ihn abzusetzen. Einer stand links, einer rechts von den Probanden, wobei in den meisten Fällen ein Eimer näher am Ziel platziert wurde.

Obwohl die Studenten es sich so einfach wie möglich machen sollten, wählte die große Mehrheit den Eimer, der näher bei ihnen stand – zum Erstaunen der Forscher.

Sie waren also bereit, größere (körperliche) Anstrengungen in Kauf zu nehmen, wenn sie nur früher mit der Tätigkeit beginnen konnten. Dieses Verhalten änderte sich auch nicht, als Rosenbaum und sein Team die Eimer am Anfang des Gangs mit mehreren Kilogramm Münzen füllten. Nichts war für die Studenten besser, als das gute Gefühl, eine Aufgabe möglichst gleich abzuhaken.

Nicht nur übertriebene Anstrengungen, sondern auch unnötige Risiken können mit der Entscheidung für ein Sofort-Erledigen von Aufgaben einhergehen. Wer permanent den Turbo einlegt, kann einfach nicht mehr jede Entscheidung wohlüberlebt treffen und tendiert dazu, sich zu übernehmen. Auf Dauer kann einen dieses Verhalten ausbrennen.

Diagnose Burnout

Am anfälligsten für ein Burnout sind dabei laut einer Statista-Umfrage Angestellte. Sie schätzen ihr Risiko, auszubrennen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen wie Team- oder Abteilungsleitern, aber auch Selbstständigen und Freiberuflern, um ein vielfaches höher ein. Außerdem geben sie mit großem Abstand am häufigsten an, sich gestresst zu fühlen. Die Schuld daran geben sie übrigens zu gleichen Teilen sich selbst und ihrem Umfeld. Es lohnt sich also sehr wohl, sein eigenes Verhalten regelmäßig zu hinterfragen.

Was aber steckt nun hinter dem Phänomen der Präkrastination: Fällt es uns heute schwerer, Prioritäten zu setzen? Oder haben wir einfach nur Angst davor, dass sich Aufgaben auftürmen, wenn wir nur kurz unaufmerksam und nicht fleißig sind? Die Ursachen dafür können sehr unterschiedlich sein. Und genauso individuell sollte man sie auch behandeln.

Prioritäten setzen: So geht's

Mit diesen Tipps fällt es Ihnen in Zukunft leichter, zu entscheiden, welche Aufgabe Sie als erstes erledigen sollten.

  • 1. Verschaffen Sie sich einen Überblick

    Bevor Sie entscheiden, womit Sie beginnen möchten, sollte Ihre Liste vollständig sein. Nehmen Sie sich ein paar Minuten zu Beginn des Tages, um alle anstehenden Aufgaben aufzuschreiben. Sortieren können Sie später.

  • 2. Unterscheiden Sie, was wichtig und was dringend ist

    Haben Sie schon mal etwas von der Eisenhower-Methode gehört? Dabei werden Aufgaben in ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit unterschieden. Diese Kategorisierung in A, B, C und D hilft Ihnen dabei, die richtige Entscheidung zu finden.

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  • 3. Starten Sie mit den wichtigen Aufgaben

    Gibt es eine Aufgabe, die für das Erreichen Ihres Projekts enorm wichtig ist? Dann starten Sie damit.

  • 4. Aktualisieren Sie Ihre Liste zwischendurch

    Kommen im Laufe des Tages neue Aufgaben hinzu, notieren Sie sich diese. Sobald Sie eine Aufgabe abgeschlossen haben, können Sie dann neu entscheiden, womit Sie weitermachen. Es gilt weiterhin: wichtig vor dringlich.

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IKK classic

Veröffentlicht am 23.09.2019

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