Ein Glas Rotwein, geräucherter Schinken, ein Stück reifer Gouda – was für so manchen Genießer nach einem kulinarischen Fest klingen mag, führt bei einigen Menschen zu gesundheitlichen Problemen: Diese können von Juckreiz über Magen-Darm-Beschwerden, Asthma und Schwindel bis hin zu Herz-Kreislauf-Problemen oder Migräne reichen. Auf die Betroffenen wirkt sich Histaminintoleranz ähnlich aus wie eine Allergie und kann eine deutliche Einbuße an Lebensqualität bedeuten – vor allem durch selbst auferlegte Diäten nach Recherchen im Internet. Eine Ernährungsberatung zur Diagnose und Therapie ist darum unerlässlich.
Histaminintoleranz – Was ist dran am Erkrankungsbild?
Histaminhaltige Nahrungsmittel können bei einigen Menschen Hautrötungen, Übelkeit oder Juckreiz auslösen. Was sollten Betroffene tun, wenn sie hinter ihren Beschwerden eine Histaminintoleranz vermuten? Allzu oft lautet die Lösung Verzicht. Doch das kann gefährlich werden. Eine Expertin klärt auf.
Gefühlt schon jeder Zweite: Wie häufig ist Histaminintoleranz wirklich?
Über die Zahl der tatsächlich Betroffenen gibt es nur Schätzungen. Von knapp einer bis über zwei Millionen Menschen ist die Rede, davon überwiegend Frauen im mittleren Alter. Das Problem: Wissenschaftliche Erklärungen, wie die Symptome zustande kommen, gibt es kaum. Und weil die Symptome so vielfältig und bisweilen unspezifisch sind, kommen als Ursache oft auch andere, unentdeckte Erkrankungen in Frage. Erschwerend kommt hinzu: Proben aus Urin, Stuhl und Blut, die auf den Histaminspiegel überprüft werden, sind laut Dipl.oec. troph. Sonja Lämmel, Ernährungsexpertin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund, nicht aussagekräftig: „Diese Test sind nicht zur Diagnose geeignet und können eine Histaminintoleranz weder belegen noch ausschließen.“
Histamine sind sogenannte biogene Amine, die unser Körper selbst bildet und in Lebensmitteln in unterschiedlich hoher Konzentration vorkommen. In zu großen Mengen können sie bei Menschen mit Histaminintoleranz verschiedene Beschwerden hervorrufen. Ein Erklärungsansatz für die Beschwerden: Betroffenen fehlen Diaminoxidase-Enzyme (DAO) im Dünndarm, die bei gesunden Menschen freigesetztes Histamin verarbeiten. Das kann genetische Ursachen haben, aber auch von Medikamenten, Alkohol oder anderen biogenen Aminen ausgelöst werden.
Ursachen der Beschwerden: Zu viel Histamin in Nahrungsmitteln
Je mehr Histamin über die Nahrung aufgenommen wird, desto stärker treten normalerweise auch die Beschwerden auf. Besonders histaminreich sind Alkohol wie Rotwein und tierische Nahrungsmittel, die durch Reifung, Fermentation, Lagerung oder Verarbeitung (auch Pökeln, Einlegen und Räuchern) haltbar gemacht werden. Frische pflanzliche Zutaten, aber auch frische Fleisch-, Fisch-, und Milchprodukte sind mit wenigen Ausnahmen arm an Histaminen.
Wieviel Histamin in einem Nahrungsmittel steckt, hängt vom Frischegrad des Lebensmittels ab. Ein „junger“ Gouda kann unbedenklich sein, ein „mittelalter“ Gouda schon Beschwerden verursachen. Das macht es schwierig, Histamin konsequent zu umgehen – und es ist auch nicht notwendig. Die Frage ist eher, wann es zu viel Histamin wird. Da Betroffene sehr unterschiedlich reagieren, müssen sie individuell ausprobieren, wo die eigenen Grenzen liegen – am besten unter professioneller Anleitung während einer Ernährungstherapie.
Expertin Sonja Lämmel beobachtet allzu oft, wie gefährlich Selbstdiagnose und -behandlung per Internetrecherche werden kann: „Patienten finden lange Symptomlisten, streichen immer mehr Lebensmittel aus ihrem Speiseplan und geraten regelrecht in eine Spirale der Verschlechterung hinein“, warnt die Ernährungstherapeutin (siehe Interview unten). Dass bestimmte Beschwerden andere Ursachen haben können, wird mitunter ausgeblendet. „Von Histaminintoleranz sind deutlich weniger Menschen wirklich betroffen, als es die mediale Berichterstattung vermuten lässt.“
Diagnose und Behandlung der Histaminintoleranz
In einem ersten Schritt klären Ärztinnen und Ärzte, um welche Symptome es geht und welche anderen Erkrankungen dahinterstecken könnten.
Sind diese ausgeschlossen und Ihre Ärztin oder Ihr Arzt vermutet ebenfalls eine Histaminintoleranz, erhalten Sie eine entsprechende Empfehlung für eine Ernährungsberatung. In dieser leiten Ernährungstherapeutinnen und -therapeuten durch eine Diät, bei der alle stark belasteten Lebensmittel für kurze Zeit weggelassen werden. Unterstützen kann dabei ein Ernährungstagebuch, so Lämmel. Gehen die Beschwerden dann zurück, wird die Nahrungsmittelauswahl nach und nach erweitert und so getestet, wieviel Histamin Betroffene vertragen. Das Ziel dieser Behandlung ist es, sich nicht dauerhaft stark einschränken zu müssen, damit es nicht zu einem Nährstoffmangel oder einer Essstörung kommt. Denn das kann gefährlich werden.