Körperdysmorphe Störung (KDS): Symptome und Behandlung

Redaktion
IKK classic

Nur noch kurz einen Blick in den Spiegel werfen – wer kennt das nicht? Für manche Menschen kann das jedoch zum Problem werden. Wenn das eigene Aussehen oder vermeintliche Makel am Körper ständig im Fokus stehen, kann das eine ernsthafte psychische Erkrankung sein.

Eine krumme Nase, unreine Haut oder abstehende Ohren: Fast jeder Mensch hat etwas an seinem Körper auszusetzen. Für die meisten ist das nicht weiter tragisch. Manche macht das jedoch psychisch krank. Sie empfinden sich bereits wegen vermeintlich kleiner Makel als so hässlich, dass sie Probleme damit haben, das Haus zu verlassen. Im schlimmsten Fall bringt es sie sogar dazu, sich selbst dafür zu hassen.

Diese Menschen leiden unter einer körperdysmorphen Störung. Eine psychologische Erkrankung, über die bisher wenig bekannt ist, obwohl vergleichsweise viele darunter leiden. Auch Prominente wie Robbie Williams oder Megan Fox. Die Schauspielerin, die unter anderem Anfang der 2000er Jahre von einem Magazin zur schönsten Frau der Welt gewählt wurde, sagte in einem Interview mit der Sports Illustrated: „Ich habe Dysmorphophobie. Ich sehe mich nie so, wie andere mich sehen. Es gab nie einen Punkt in meinem Leben, an dem ich meinen Körper geliebt habe.“

Der Druck durch die perfekten Bilder in den Sozialen Medien kann das sogar noch verstärken. Die Filter auf Instagram, Snapchat oder TikTok lassen Makel problemlos mit einem Klick verschwinden. Damit können alle eine glatte und reine Haut oder die gewünschte Augenfarbe haben. Alles nur für ein paar Likes. Auch, wenn die Person auf dem Foto am Ende gar nicht mehr so aussieht, wie du selbst.

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Vorbilder in den Sozialen Medien

Jugendliche durchlaufen in der Pubertät viele körperliche Veränderungen. Gleichzeitig ist es eine Phase, in der sie sich neue Vorbilder suchen. Oft finden sie diese in den sozialen Medien. Doch ist das wirklich hilfreich und gesund?

Was ist eine körperdysmorphe Störung?

Menschen mit einer körperdysmorphen Störung, auch Dysmorphophobie oder kurz KDS genannt, haben eine gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers. Sie sehen sich selbst anders als andere.

Betroffene empfinden sich wegen vermeintlich kleiner Makel als hässlich oder abartig. Obwohl es dafür keinen objektiven Grund gibt. Betroffene nehmen das jedoch ganz anders wahr und fühlen sich derart entstellt, dass es psychisch krank macht.

Der Blick richtet sich dabei meist auf bestimmte Stellen des Körpers oder ein bestimmtes Körperteil. Am häufigsten bezieht sich das auf Merkmale im Gesicht: beispielsweise eine krumme oder große Nase, Hautunreinheiten, abstehende Ohren oder schiefe Zähne.

Es können jedoch auch andere Körperregionen betroffen sein. Bei Frauen sind das typischerweise Brust, Beine oder Hüfte. Bei Männern sind es eher zu wenig stark ausgeprägte Muskeln oder die Körperbehaarung.

Das kann weitreichende Folgen für das Leben der Betroffenen haben: Sie ziehen sich immer stärker zurück, sagen Verabredungen ab. „Häufig können sie das Haus nicht verlassen, ohne gewisse Sicherheitsrituale oder Vorkehrungen getroffen zu haben“, erklärt Psychologin Anja Grocholewski. Damit sollen die Makel kaschiert werden. Beispielsweise durch Make-up, Mützen, Schals oder besonders ausgeschnittene oder körperformende Kleidung.

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Was sind die Symptome einer Dysmorphophobie?

Die Symptome einer Dysmorphophobie sind sehr ähnlich wie bei einer Zwangsstörung. Betroffene verbringen sehr viel Zeit mit Verhaltensmustern, die sich auf das Aussehen beziehen. Dennoch ist es wichtig zu verstehen, dass nicht jeder Mensch, der sich viel mit seinem Äußeren oder auch seinen Makeln beschäftigt, unter einer körperdysmorphen Störung leidet. „Selbst, wenn jemand drei Stunden täglich vor dem Spiegel steht, muss das noch nichts heißen“, betont Anja Grocholewski. „Man muss es vielmehr an den Gedanken festmachen, die die Person in solchen Momenten hat.“

Das äußerst sich meist in Schamgefühlen oder Ängsten. Diese können so stark sein, dass sie depressive Episoden auslösen. So stark, dass manche Betroffenen das Gefühl haben, mit ihrem Aussehen nicht mehr weiterleben zu können. „Die Quote an suizidgefährdeten Personen ist bei Menschen mit KDS hoch.“

Auf diese Symptome solltest du achten:

  • Deine Gedanken drehen sich ständig nur darum, wie du gerade aussiehst. Das beginnt bereits morgens nach dem Aufstehen.

  • Du kannst an keinem Spiegel vorbeilaufen, ohne dich ausführlich zu betrachten – oder du vermeidest Spiegel zwanghaft.

  • Du vergleichst dich häufig mit dem Aussehen anderer.

  • Du fragst andere Leute ständig danach, ob du gut aussiehst.

  • Du fühlst dich unwohl, wenn du unvorbereitet andere Menschen triffst.

  • Du kannst das Haus nicht verlassen, ohne gewisse Vorbereitungsmaßnahmen getroffen zu haben, die deine Makel überdecken.

  • Du denkst ständig darüber nach, wie du dein Aussehen verbessern kannst.

  • Du hast den Drang, ständig deine Problemstellen anzufassen.

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Welchen Einfluss haben Soziale Medien?

Der regelmäßige Vergleich mit scheinbar perfekten Menschen kann eine körperdysmorphe Störung auslösen. In den Sozialen Medien werden Nutzerinnen und Nutzer ständig mit perfekt inszenierten Bildern oder Videos von scheinbar makellosen Menschen konfrontiert. Das kann das Verhältnis zum eigenen Körper nachhaltig verändern. „Genau wie bei Essstörungen gibt es bereits erste wissenschaftliche Hinweise darauf, dass der Druck durch Soziale Medien Einfluss darauf nehmen kann“, erklärt die Psychologin.

Doch auch hier ist es wichtig zu verstehen, dass das nur einer von vielen Faktoren – oder Auslösern – ist. „Die Sozialen Medien allein machen erst einmal nichts“, betont sie. „Psychische Störungen haben immer mehrere Ursachen.“ Doch besonders die Menschen, die ohnehin anfällig sind, vergleichen sich häufig mit anderen – auch besonders gerne mit Bildern in den Sozialen Medien. „Und das kann problematisch werden, wenn jemand ohnehin vulnerabel ist.“

Wie wird eine Dysmorphophobie diagnostiziert?

„Das Problem ist natürlich, dass wir Menschen unsere Gedanken nicht vor dem Kopf hertragen“, sagt die Psychologin. Sie forscht bereits seit über 20 Jahren an der körperdysmorphen Störung und hat gemeinsam mit anderen Expertinnen das KDS-NET gegründet, um über das Störungsbild aufzuklären. Dort gibt es unter anderem einen Dysmorphophobie-Selbsttest. Dieser kann hilfreich sein und Anzeichen liefern, ersetzt jedoch auf keinen Fall die Diagnose einer Expertin oder eines Experten.

„Häufig bleibt die körperdysmorphe Störung zunächst auch unerkannt“, erklärt Anja Grocholewski. Das könne zum einen daran liegen, dass die Krankheit nach wie vor sehr unbekannt und wenig erforscht sei. Jedoch auch daran, dass sie selbst von Psychologinnen und Psychologen gerne mit einer Depression oder Angststörung verwechselt wird.

Viele Betroffene finden zudem häufig erst spät den Weg zu einer Therapeutin oder einem Therapeuten. „Sie haben ja das Gefühl, äußerliche Makel zu haben. Also suchen sie häufig zunächst eher Dermatologen oder plastische Chirurgen auf.“ Das Ergebnis sind häufig mehrere Schönheitsoperationen. Diese werden jedoch im Nachhinein nicht als Verbesserung empfunden, sondern verstärken das Gefühl, hässlich oder entstellt zu sein, sogar noch. Denn das eigentliche Problem wird damit nicht behoben. 

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Was sind die Ursachen einer körperdysmorphen Störung?

Eine spezifische Ursache für Körperdysmorphophobie gibt es nicht. In vielen Fällen beginnt die Störung in der Pubertät. „Das muss jedoch nicht so sein“, betont die Expertin. Jedoch hängt sie meist mit Phasen, in denen sich das Aussehen verändert, zusammen. „Davon gibt es bekanntlich viele im Leben“, sagt Anja Grocholewski.

Beispielsweise die als Midlife-Crisis bekannte Sinnkrise in der Mitte des Lebens. Typisch bei Männern sei zudem die Zeit, in der die Haare anfangen grau zu werden oder ausfallen. „Klassische Alterserscheinungen eben.“ Bei Frauen sind das eher Falten oder hängende Brüste.

Wie häufig tritt Dysmorphophobie auf?

Die Störung kommt häufiger vor, als man denkt, sagt Anja Grocholewski: Etwa 2 bis 3 Prozent der Allgemeinbevölkerung leiden unter Dysmophophobie. „Für eine psychische Erkrankung ist das alles andere als wenig“, betont die Psychologin. Damit kommt die Störung beispielsweise häufiger vor als die Anorexia Nervosa, die sogenannte Magersucht.

Wie wird eine körperdysmorphe Störung behandelt?

Betroffene machen ihren Selbstwert häufig nur am Aussehen fest. Deshalb geht es bei der Therapie vereinfacht gesagt darum, dass sie erkennen, dass das Äußere nicht so wichtig ist, wie sie denken. „Sie müssen verstehen, dass das nicht das Einzige ist, was zählt“, erklärt die Psychologin. Niemand muss perfekt aussehen, um von anderen geliebt zu werden. „Sie müssen lernen, sich und ihren Körper zu akzeptieren.“

Um das zu schaffen, eignet sich eine kognitive Verhaltenstherapie. Ein Teil davon sind beispielsweise Verhaltensexperimente. Dabei werden Betroffene fremden Menschen gegenübergestellt, um zu zeigen, wie diese auf das Aussehen reagieren. „Sozusagen als Beweis dafür, dass das meist keine große Rolle spielt.“ Bei der Spiegelexposition werden sie dagegen selbst mit dem eigenen Körper konfrontiert und lernen so Schritt für Schritt, sich selbst anders zu sehen.

Das kann mitunter ein ganz schön langer Prozess sein. „Deshalb ist die Motivation sehr wichtig.“ Denn es gehe ähnlich wie bei einer Zwangsstörung darum, die Verhaltensmuster zu durchbrechen. „Vieles basiert auf Ritualen.“

Bei besonders schweren Störungen wird die Therapie zu Beginn durch Medikamente unterstützt. Langfristigen Erfolg verspricht jedoch nur eine Verhaltenstherapie. „Damit lässt sich das wirklich gut in den Griff bekommen“, betont die Expertin.

Hier findest du Hilfe

Telefonseelsorge der Caritas

Bei Sorgen oder Stress kannst du dich hier vertrauensvoll an eine Beraterin oder einen Berater wenden – das geht auch ganz unkompliziert online.

Nummer gegen Kummer

Wenn du Sorgen, Ängste oder Depressionen hast, bekommst du hier kostenlos und anonym Hilfe von qualifizierten Beraterinnen und Beratern.

Patientenservice 116 117

Das Patienten-Navi hilft, passende Behandlungsmöglichkeiten in der unmittelbaren Umgebung zu finden. Du kannst auch gleich online einen Termin vereinbaren.

Jugend Notmail

Ob Bulimie, Homosexualität, Mobbing oder Dysmorphophobie – bei dieser kostenlosen und anonymen Online-Beratung kannst du 24/7 über deine Probleme sprechen.

KDS-NET

Expertinnen erklären alles rund um die körperdysmorphe Störung – für Betroffene und Angehörige. Es gibt auch einen Selbsttest zur Orientierung.

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Veröffentlicht am 29.11.2023

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