Medikamentöse Therapien
Erst seit wenigen Jahren sind medikamentöse Therapien zur Behandlung von Spinaler Muskelatrophie verfügbar. Das erste entsprechende Medikament mit dem Namen Spinraza kam 2017 auf den Markt. Es wirkt, indem es den Körper dabei unterstützt, mehr von dem SMN-Protein zu bilden, an dem bei Menschen mit Spinaler Muskelatrophie ein Mangel besteht. Somit reduziert sich der Verlust von Nervenzellen und die Muskelstärke kann verbessert werden. Die Gabe des Medikaments erfolgt über eine Injektion in den unteren Rücken (Lumbalpunktion) und muss aller vier Monate wiederholt werden. „Diese Therapie kann sowohl Säuglingen als auch Erwachsenen verabreicht werden“, so Joachim Sproß.
Die zweite Option wird als Einmalgabe intravenös verabreicht. Das Medikament Zolgensma® wurde zur Behandlung der schwersten Form der angeborenen Muskelatrophie entwickelt. Bei dieser bisher einzigen ursächlichen Therapie wird über eine Infusion eine funktionsfähige Kopie des fehlerhaften Gens in die Nervenzelle eingebracht. Ziel ist, dass das SMN-Protein wieder selbstständig vom Körper produziert werden kann. Zolgensma® wird im Gegensatz zu den anderen zugelassenen Medikamenten nur einmalig angewendet. Die Verabreichung erfolgt von Spezialisten in einer entsprechenden Klinik. Mit einem Preis von mehr als zwei Millionen Euro gilt es als das teuerste Medikament der Welt.
Zolgensma erfuhr eine erhöhte Aufmerksamkeit, als ein Pharmakonzern im Jahr 2020 ankündigte, 100 Dosen des Mittels zu verlosen. „Das war der Situation geschuldet, dass in der Regel Therapien bei der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA schneller zugelassen werden als beim europäischen Pendant, der EMA“, erklärt Joachim Sproß.
Die dritte Medikation wird täglich oral verabreicht, für Kinder ab dem 2. Lebensmonat bis ins Erwachsenenalter. Wie auch Spinraza® führt Evrysdi® über genetische Mechanismen zur Erhöhung der Menge von funktionellem SMN-Protein und somit zur Reduktion der Symptome und Auswirkungen des Mangels.
„Alle Therapien sind hochpreisig, sie unterscheiden sich von der Gabe des Wirkstoffs und vom Wirkmechanismus“, erklärt Joachim Sproß. „Insgesamt haben wir viel zu wenige Patienten, um schnell verlässliche Studien anzufertigen, welches Mittel am besten wirkt“, so der Experte weiter. Nichtsdestotrotz handele es sich bei den neuen Medikamenten um einen sensationellen Erfolg. Schließlich würden viele Kinder ohne Therapie die ersten 24 Lebensmonate nicht überleben.