FSJ, FÖJ, Bufdi: Möglichkeiten für das Gap Year in der Corona-Krise

Work & Travel, Au-pair, Tischler-Ausbildung – für viele Schulabsolventen war bereits klar, was sie nach dem Abschluss machen werden. Dann kam die Corona-Krise. Jetzt stehen sie vor neuen Fragen: Was ist mit meinem Ausbildungsplatz? Werde ich ins Ausland reisen dürfen? Wir zeigen dir, welche Möglichkeiten es gibt, in Corona-Zeiten den Gap zwischen Schulabschluss und Berufsstart sinnvoll zu nutzen.

Das Gap Year, übersetzt Lückenjahr, ist für viele junge Menschen mittlerweile selbstverständlich. Gemeint ist mit diesem Begriff eine Auszeit zwischen zwei Lebensabschnitten, die oft direkt nach Schul- oder Studienabschluss genommen wird. In dieser Zeit gehen die Jugendlichen auf Reisen und sammeln Arbeits- und Lebenserfahrungen verschiedenster Art. Doch wie sieht es mit einem Gap Year in Zeiten der Corona-Pandemie aus? Ist die Auszeit im Jahr 2020 beziehungsweise 2021 überhaupt möglich?

Das Auswärtige Amt warnt vor nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland – vorerst bis einschließlich 14. Juni 2020. Ab wann touristische Reisen wieder problemlos möglich sein werden, ist derzeit kaum abzusehen. Viele junge Menschen fragen sich nun: „Warte ich ab, ob ich in absehbarer Zeit wieder ins Ausland reisen kann, engagiere ich mich in Deutschland oder beginne ich direkt zu studieren?“ 

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Gründe für ein Gap Year

Die wohl wichtigste Überlegung bei dieser Entscheidung ist, warum ein junger Mensch ein Gap Year machen möchte, wie Karrierecoach Dr. Claudia Sorg-Barth erklärt. Man sollte sich die Frage stellen: „Weiß ich, was ich will oder will ich das während der Auszeit herausfinden?“, sagt Sorg-Barth. Ein Gap Year kann in beiden Fällen sinnvoll sein. Denn es bringt neben der Möglichkeit, „an einer Weggabelung im Leben einen Reflexionsschritt einzulegen“, auch viele Vorteile für die persönliche Entwicklung. „Durch die Auseinandersetzung mit anderen Lebensmodellen und Kulturen, neuen Aufgaben und dem sozialen Umgang mit anderen Menschen kann ein persönlicher Reifungsprozess angestoßen werden“, so Sorg-Barth weiter. 

Vorteile eines Gap Years

  • Entwicklung einer eigenen Perspektive, eigener Werte und einer eigenen Meinung

  • Anstoßen eines persönlichen Reifungsprozesses

  • Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und Lebensmodellen

  • Orientierung für die berufliche Zukunft

„Viele Freiwillige überbrücken Wartezeiten auch mit ihrem Engagement in einer gemeinnützigen Einrichtung oder bereiten sich mit ihrem Dienst auf eine Ausbildung oder ein Studium vor“, sagt Antje Mäder, Pressesprecherin des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Besonders für junge Leute, die in diesem Jahr aufgrund der Corona-Krise womöglich keinen Ausbildungsplatz bekommen, kann ein Gap Year eine sinnvolle Möglichkeit zur Überbrückung zwischen Schule und dem Einstieg in den Beruf sein. 

Gap Year in Deutschland

Doch welche Möglichkeiten bieten sich für Schulabsolventen, wenn Programme wie Work and Travel in Neuseeland, ein Au-pair-Aufenthalt in den USA oder eine Sprachreise nach Kanada aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich sind? „Wer nicht gleich mit dem Studium oder einer Ausbildung starten möchte oder kann, findet in einem Freiwilligendienst eine sinnvolle Alternative“, so Mäder. „Egal, ob im Krankenhaus oder in einem Naturschutzgebiet, in einer Altentagesstätte oder im Jugendzentrum, in einem Kulturprojekt oder in einer Bildungseinrichtung – es ist für jeden etwas dabei. Als gesetzlich geregelte Freiwilligendienstformate stehen in Deutschland neben dem Bundesfreiwilligendienst (BFD) auch das Freiwillige Soziale und Ökologische Jahr (FSJ/FÖJ) zur Verfügung. Möglich ist ein freiwilliger Dienst in allen anerkannten gemeinwohlorientierten Einrichtungen.“

  • Bundesfreiwilligendienst und Bufdi

    Im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) können sich Frauen und Männer außerhalb von Beruf und Schule für das gesellschaftliche Wohl engagieren. Der Einsatz ist im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich möglich. Der BFD kann auch im Sport, zur Unterstützung im Bereich der Integration oder im Zivil- und Katastrophenschutz geleistet werden.

    Ein Bundesfreiwilliger wird Bufdi genannt. Jeder, der die Vollzeitschulpflicht erfüllt hat, kann den BFD absolvieren. In der Regel dauert der Bundesfreiwilligendienst zwölf Monate, ein Bufdi muss allerdings mindestens sechs und darf höchstens 18 Monate zum Einsatz kommen. Nur in Ausnahmefällen sind bis zu 24 Monate möglich.

    Beim Bundesfreiwilligendienst handelt es sich grundsätzlich um einen ganztägigen Dienst. Für Freiwillige über 27 Jahren ist auch ein Teilzeitdienst ab 20 Stunden wöchentlich möglich. Für Bufdis unter 27 geht das nur, wenn sie vorweisen können, dass sie nicht in Vollzeit arbeiten können, weil sie zum Beispiel einen Angehörigen betreuen müssen oder gesundheitlich beeinträchtigt sind.  

  • Freiwilliges Soziales Jahr

    In einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) können sich junge Leute engagieren, die die Vollschulzeit erfüllt haben und jünger als 27 Jahre sind. Der Freiwilligendienst dauert mindestens sechs und höchstens 18 Monate. In Ausnahmefällen kann er auf 24 Monate verlängert werden. Das FSJ wird von einem zugelassenen Träger durchgeführt, das können zum Beispiel der Bund, die Bundesländer, Gemeinden, Religionsgemeinschaften oder Wohlfahrtsverbände sein.

    Der Einsatz kann im sozialen Bereich, in Bereichen der Kultur, des Sports, der Politik, der Denkmalpflege (FJD) oder an einer Schule geleistet werden. Den Freiwilligen stehen bei einem Einsatz von zwölf Monaten gesetzlich 25 Bildungstage zu.

  • Freiwilliges Ökologisches Jahr

    Ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ), auch Freiwilliges Umweltjahr (FUJ) genannt, ist für Freiwillige zwischen 16 und 26 Jahren möglich. Es dauert regulär ein ganzes Jahr, kann aber auch auf sechs oder 18 Monate verkürzt beziehungsweise verlängert werden. Mögliche Einsatzstellen sind gemeinnützige Einrichtungen, die in ihrer Arbeit ökologische Grundsätze fokussieren.

    Der Tätigkeitsschwerpunkt der Einsatzstellen liegt in der Regel im Natur- und Umweltschutz, der Umweltbildung und Umweltforschung. FÖJ-ler können sich zum Beispiel in der Landwirtschaft, im Gartenbau oder in Naturschutzzentren engagieren. 

Möglichkeiten in Deutschland nutzen und ausbauen

Dr. Claudia Sorg-Barth plädiert dafür, dass Jugendliche für ein Gap Year auch die Angebote in der näheren Umgebung in Betracht ziehen, die genauso attraktiv wie ein Auslandsaufenthalt sein können. Sie ist der Meinung, „dass es auch in Deutschland die Möglichkeit gibt, eine andere Region kennenzulernen und dort soziale Projekte zu unterstützen oder einen anderen Job zu übernehmen. Klassische Ferienjobs können auf mehrere Monate ausgeweitet werden und zu einer Bereicherung und Orientierungshilfe werden.“ 

Sorg-Barth sieht auch etwas Positives in der Corona-Krise: „Weil es dieses Jahr keine große Möglichkeit für Fernreisen gibt, wird die Herausforderung darin bestehen, in Deutschland oder Europa eine interessante Aufgabe und Entwicklungsmöglichkeit zu finden. Dies ist eine Chance für alle, auch für die Organisationen in Deutschland, auf diesen neuen Bedarf mit attraktiven Angeboten und Ideen zu reagieren. Denn wer etwas erfahren und erleben will, muss nicht zwangsläufig in die Ferne reisen.“ 

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Auslandsaufenthalt während Ausbildung oder Studium

Wer auf eine Auslandserfahrung nicht verzichten möchte, kann diese auch später noch während der Ausbildung oder des Studiums beziehungsweise danach einlegen. So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, auf die Walz zu gehen. Die Wanderschaft dürfen Auszubildende antreten, wenn sie die Gesellenprüfung bestanden haben, zudem müssen sie unverheiratet, kinderlos, schuldenfrei und unter 30 Jahre alt sein. Außerdem bieten viele Handwerks- (HWK) sowie Industrie- und Handelskammern (IHK) Exchange Programme für Azubis an. Egal ob während der Ausbildung ein berufliches Praktikum, ein Ausbildungsabschnitt oder eine Weiterbildungsmaßnahme im Ausland absolviert werden soll – bei den Kammern erhalten Interessierte Informationen zu infrage kommenden Auslandsaufenthalten und Finanzierungsmöglichkeiten.

Studenten können neben einem Auslandssemester, bei dem ein Teil des Studiums an einer ausländischen Einrichtung absolviert wird, zum Beispiel ein Urlaubssemester beantragen. Diese halbjährige Studienpause kann etwa für ein Praktikum in einem fremden Land oder für eine längere Auslandsreise genutzt werden. Studierende und Auszubildende stoßen damit nicht nur einen persönlichen Reifungsprozess an, sondern können auch inhaltlich viel dazulernen. „Ein Medizin- oder Psychologie-Student, der für ein halbes Jahr in Afrika arbeitet, wird von dieser Erfahrung sowohl persönlich als auch beruflich profitieren“, sagt Dr. Claudia Sorg-Barth, die auch als Dozentin an der Fresenius Hochschule in München tätig ist.  

„Dennoch ist die Entscheidung für ein Gap Year eine sehr individuelle", betont Sorg-Barth: „Es hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass ein Abiturient unbedingt in die große weite Welt gehen muss, bevor er studiert. Das halte ich persönlich für zu pauschal.“ Wichtig sei es, sich als junger Mensch zu fragen, was man in diesem Jahr erlernen oder erleben will – und dafür könne es sehr unterschiedliche Antworten geben. „Das kann, aber muss kein Jahr Reisen in Australien sein.“ Sinnvolle und spannende Möglichkeiten gibt es auch im näheren Umfeld. 

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