Ein Handwerker arbeitet an dem Dach eines Holzhauses mit einem Hammer in der starken Mittagssonne

Hitzefrei auf dem Bau? Ein Experte für Arbeits­schutz klärt auf

Wenn das Thermometer glüht, gibt es Hitzefrei – zumindest in der Schule. Auf dem Bau läuft das anders: Auch bei 30 Grad im Schatten müssen Angestellte ihren schweißtreibenden Job erledigen. Aber ist Arbeiten überhaupt erlaubt, wenn hohe Temperaturen, UV-Strahlen und Ozonbelastung die Baustelle in eine Gefahrenzone verwandeln?

Vorweg die schlechte Nachricht für alle, die auf dem Bau arbeiten: So etwas wie Hitzefrei gibt es hier nicht. Das bedeutet natürlich nicht, dass Betriebe ihre Mitarbeitenden einfach schonungslos der Sonne ausliefern dürfen. Die gesetzlichen Regelungen lassen allerdings ziemlich viel Spielraum. Im Arbeitsschutzgesetz heißt es: "Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird".

Doch was können Bauunternehmen tun, damit ihre Mitarbeitenden im Sommer einen kühlen Kopf behalten? Darüber sprechen wir mit Prof. Dipl.-Ing. Frank Werner. Er ist stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Prävention der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), Leiter des Fachbereichs Persönliche Schutzausrüstungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und stellvertretender Leiter des Fachbereichs Bauwesen der DGUV.

Arbeitsschutzexperte Frank Werner: Rechte und Pflichten im Sommer auf der Baustelle

Gute Planung stellt Hitzefrei in den Schatten

  • Ist so etwas wie "Hitzefrei" auf der Baustelle möglich?

    Nein. Hitzefrei, so wie wir es aus der Schule kennen, gibt es nicht. Aber man kann sich ein gewisses Hitzefrei dadurch verschaffen, dass die Arbeitszeit pfiffig geplant wird. Das heißt, dass die Arbeit beispielsweise in die frühen Morgen- und in die späten Nachmittagsstunden hinein verlegt wird und man dadurch die besonders heißen Stunden um die Mittagszeit ausspart. Die körperlich besonders schwere Arbeit sollte dabei in den kühleren Stunden stattfinden. In südlicheren Ländern ist das gang und gäbe.

    In das Zeitfenster zwischen 11 und 16 Uhr, also wenn es besonders heiß ist, sollte man die Aufgaben legen, die man auch drinnen erledigen kann. Bei einigen Tätigkeiten ist es auch möglich, die Arbeitsabläufe so zu organisieren, dass sie dem Lauf des Schattens folgen.

  • Welchen Belastungen sind Menschen ausgesetzt, die im Hochsommer auf der Baustelle arbeiten?

    Da gibt es zwei wesentliche Belastungen. Zum einen die UV-Strahlung mit ihren UV-A- und UV-B-Strahlen, die bis auf unsere Erde herunterkommen. Die UV-A-Strahlen haben Einfluss auf die Alterung der Haut, während UV-B-Strahlen hauptverantwortlich für Sonnenbrand sind. Sie erhöhen aber auch das Risiko an Hautkrebs oder Horn- und Bindehautentzündungen der Augen zu erkranken.

    Der zweite wichtige Faktor ist die Hitze, die unser Herz-Kreislauf-System entsprechend belastet. Sonnenstich, Hitzeerschöpfung oder auch ein Hitzschlag sind mögliche Folgen für die Beschäftigten. Deshalb kommt es darauf an, dass die Menschen auf dem Bau im Sommer besonders aufmerksam sind und auch auf Symptome bei den Kolleginnen und Kollegen achten.

    Bei der BG BAU haben wir hierfür die Hitzekarte entwickelt: Sie beschreibt mit wenigen Worten die wesentlichen Symptome der Hitzeerkrankungen und zeigt die notwendigen Maßnahmen zur Ersten Hilfe. Die Hitzekarte ist so groß wie eine Postkarte und erinnert optisch an das Erste-Hilfe-Plakat. Sie gehört im Sommer auf jede Baustelle, sodass die Kolleginnen und Kollegen im Notfall sofort wissen, was zu tun ist: In den Schatten bringen, kühlen, dafür sorgen, dass ausreichend zu trinken da ist und sofort auch eine Ärztin und einen Arzt rufen.

Was den Sommer auf der Baustelle so gefährlich macht

Vor allem neue Mitarbeitende, die die Hitze noch nicht gewöhnt sind, und ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko, eine hitzebedingte Erkrankung zu entwickeln. Sie sollten sich langsam an die Belastung gewöhnen.

  • UV-Strahlung

    Von der Sonne gelangt hochenergetisches ultraviolettes Licht, sogenannte UV-A- und UV-B-Strahlung, zu Erde. Schon wenige Minuten intensiver UV-Strahlung können einen Sonnenbrand auslösen – auf Dauer lässt sie die Haut schneller altern, schadet den Augen und erhöht das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken.

  • Sonnenstich

    Trifft zu viel Sonnenstrahlung auf den ungeschützten Kopf, staut sich die Wärme und reizt die Hirnhäute. Betroffene haben häufig einen hochroten Kopf, Kopfschmerzen, leiden unter Übelkeit und müssen erbrechen.

  • Hitzeerkrankungen

    Wenn der Körper schwitzt und gleichzeitig nicht ausreichend neue Flüssigkeit bekommt, kann es zur Überhitzung kommen. Eine Hitzeerschöpfung verursacht unter anderem Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme. Bei starker Überwärmung kann es sogar zu Bewusstlosigkeit und Kreislaufversagen kommen: Beim sogenannten Hitzschlag besteht Lebensgefahr!

  • Ozon

    Ozon ist giftiges Gas in der Atmosphäre, das Entzündungen der Atemwege auslösen kann. Bei bestimmten Wetterlagen steigt die Ozonbelastung so hoch, dass von körperlicher Anstrengung abgeraten wird, um nicht unnötig viel davon einzuatmen.

Sonnenschutz geht alle etwas an

  • Wie können Menschen, die auf der Baustelle arbeiten, akuten und langfristigen Sonnenschäden vorbeugen?

    Im Prinzip so, wie wir das ganz selbstverständlich bei unseren Kindern machen: langärmlige, leichte Baumwollkleidung tragen, Körperstellen, die nicht bedeckt werden können, mit UV-Schutzcreme eincremen und wann immer möglich im Schatten aufhalten. Neben langärmligen Hemden und langen Hosen gibt es für Beschäftigte auf dem Bau zum Beispiel Helme mit Nackentüchern und UV-Schutz-Brillen, die einen sehr wirksamen Schutz bieten. Hier gilt: All das, was man mit Stoff bedecken kann, soll man auch bedecken. Die anderen Stellen sollten mit einer UV-Schutzcreme mit mindestens Lichtschutzfaktor 30 eingecremt werden, noch besser ist aber Lichtschutzfaktor 50 oder höher. Das Ganze mehrfach am Tag auffrischen. Für die heißen Tage empfehlen wir die Verwendung von Kühlwesten.

  • Welche Möglichkeiten gibt es, Beschäftigte zu motivieren, die Maßnahmen einzuhalten?

    Eine Möglichkeit ist, das richtige Verhalten vorzuleben und zum Beispiel als Bauleiterin oder Bauleiter die entsprechende Kleidung selbst konsequent zu verwenden. Ebenso wichtig ist es aber auch, den Beschäftigten zu erläutern, warum der Schutz vor UV-Strahlen und Hitze so wichtig ist. Es muss allen klar sein, dass die Menschen langfristig ihre Haut schädigen und sich der Gefahr aussetzen, Hautkrebs zu erleiden.

    Wichtig ist, dass die notwendigen Maßnahmen zur Verfügung stehen, wenn die Sommersaison beginnt und dass die Maßnahmen durch die Beschäftigten nicht als zusätzliche Belastung empfunden werden. So kann man UV-Schutzkleidung bereitstellen, die gleichzeitig die Funktion der Warnkleidung gewährleistet. Der Bauarbeiter, der mit nacktem Oberkörper auf der Baustelle tätig ist, verschwindet langsam, aber noch immer zu langsam, aus dem Bild der Öffentlichkeit. Das bedurfte einer Menge Aufklärungsarbeit und wir sind noch längst nicht am Ziel.

    Bösartige Nebenbildungen der Haut oder Krankheiten der Haut und Unterhaut als Folge von starker Sonneneinstrahlung sind im Jahr 2015 in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden. Es konnte wissenschaftlich bewiesen werden, dass Beschäftigte, die überproportional stark der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, erheblich häufiger an weißem Hautkrebs erkranken als Beschäftigte, die sich weniger in der Sonne aufhalten.

Hautkrebs-Screening

Hauttumore ausgelöst durch UV-Strahlen gehören zu den häufigsten angezeigten Berufskrankheiten bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft. Ein regelmäßiges Hautkrebs-Screening hilft dabei, bösartige Veränderungen rechtzeitig zu erkennen. Mehr erfahren

TeleClinic: Skin Checker

Die TeleClinic bringt die Arztpraxis in Ihr Wohnzimmer. Per Foto-Diagnose können Sie sogar auffällige Hautveränderungen checken lassen – und so zum Beispiel Hautkrebs vorbeugen. Mehr erfahren

Hitzeschutz statt Hitzefrei: Maßnahmen für die Sommerarbeit

Die technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen sorgen dafür, dass auf der Baustelle niemand überhitzt.

  • Sonnenschutz aufstellen

    Sonnenschirme oder Sonnensegel spenden kühlenden Schatten. Auf einigen Baustellen kann die Arbeit auch so geplant werden, dass sie dem Schatten umliegender Gebäude folgt.

  • Räume und Fahrerkabinen klimatisieren

    Kurze Erholungspausen von der Hitze entlasten den Körper. Auch für den Außenbereich gibt es Ventilatoren, die durch eine frische Brise kühlen.

  • Maschinen und Hilfsmittel einsetzen

    Alles, was die körperliche Arbeit erleichtert, sollte bei Hitze zum Einsatz kommen.

  • Wasser, Sonnencreme und Schutzkleidung bereitstellen

    Mitarbeitende sollten ausreichend Sonnencreme verwenden und zuätzlich UV-undurchlässige Kleidung und eine Kopfbedeckung tragen. Schutzhelme können zusätzlich mit Nackentüchern ausgestattet werden. Auch wichtig: ausreichend Wasser trinken – aber nur leicht gekühlt, da der Körper durch eisgekühlte Flüssigkeit paradoxerweise noch mehr aufheizt.

  • Arbeitszeiten verlagern

    Wenn die Arbeitszeit um 6:00 Uhr beginnt, ist bei extremer Hitze am frühen Nachmittag Schluss. Oder die Arbeitszeit wird über die Woche so verteilt, dass der Großteil an kühleren Tagen erledigt wird. Dabei gelten jedoch die Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes und entsprechender Vereinbarungen in Tarifverträgen. Achtung: Die Zeit zwischen 23 und 6 Uhr zählt als Nachtarbeit und unterliegt besonderen Bestimmungen.

  • Arbeitszeiten reduzieren

    Wenn Betriebe an sehr heißen Tagen früher den Feierabend einläuten, können die Stunden dafür an einem anderen Tag nachgearbeitet werden. 

  • Schwere Arbeit möglichst zu anderen Zeiten einplanen

    Bei extremen Temperaturen sollte die körperliche Anstrengung möglichst reduziert werden. Während der besonders heißen Stunden können dafür Tätigkeiten eingeplant werden, die sich in Innenräumen erledigen lassen.

     

IKK BGM-Angebote für Betriebe

Das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) hilft Ihnen dabei, mögliche Gefahrenquellen für Ihre Beschäftigten zu erkennen und die Arbeit langfristig gesünder zu gestalten.

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IKK classic und BG BAU – starke Partner im Kampf gegen Sonnenschäden

  • Drohen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Konsequenzen, wenn sie keine Angebote für den Hitzeschutz schaffen?

    Die erste Konsequenz ist, dass die Beschäftigten erkranken und für die Arbeit in den Unternehmen fehlen. Aber natürlich schränkt die Erkrankung selbst auch die Lebensqualität der Betroffenen ein. Unsere Aufsichtspersonen prüfen, ob die im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten ausreichen und in der Praxis umgesetzt werden. Ist dies nicht der Fall, wird eine Anpassung eingefordert. Oft genügt ein Hinweis. In einigen Fällen müssen die Maßnahmen auch angeordnet werden. Klappt auch das nicht, droht ein Bußgeld. Damit kann man sich aber nicht freikaufen, die Maßnahmen müssen trotzdem umgesetzt werden.

    Ein Faktor, den man nicht vergessen sollte, sind die Behandlungskosten. Zwar übernimmt die Berufsgenossenschaft diese Kosten für die Heilbehandlung, aber die Unternehmen finanzieren diese durch ihre Beiträge. Und wenn dauerhaft mehr Berufskrankheiten behandelt werden müssen, können im Zweifel auch die Beiträge steigen.

  • Wo bekommen Unternehmen Hilfe bei der Planung und Umsetzung?

    Die BG BAU stellt auf ihrer Homepage neben zahlreichen Informationen sowohl für die Unternehmen als auch für die Beschäftigten weitere Materialien wie zum Beispiel Poster zu verschiedenen Themen bereit. Wir haben aber auch eine nützliche Wetter-App. Diese zeigt an, wie hoch der UV-Index am Baustellenort gerade ist und empfiehlt dann auch Maßnahmen.

    Im Rahmen unserer Arbeitsschutzprämien unterstützen wir die Mitgliedsunternehmen der BG BAU bei der Anschaffung bestimmter Produkte zum Hitze- und UV-Schutz. Hierzu gehören beispielsweise Wetterschutzzelte, die Schatten spenden und vor UV-Einstrahlung schützen, UV-Schutzkleidung, Kühlwesten, Helmen mit Nackentuch oder UV-Schutzbrillen und vieles mehr.

    Wir sind darüber hinaus mit den UV-Aktionstagen „Rette Deine Haut!“ unterwegs und gehen direkt in die Ausbildungszentren der Bauwirtschaft hinein. Dort bieten wir das Thema UV-Schutz sozusagen zum Anfassen an. Die jungen Auszubildenden können dort alles einfach mal ausprobieren und sich informieren: Was habe ich für einen Hauttyp? Welche Arten von UV-Schutz-Cremes gibt es? Oder wie gut creme ich mich ein? Das können wir mit einer speziellen Kamera sehen. In Kooperation mit der IKK classic entsteht daraus die UV-Roadshow, die sich in ähnlicher Art und Weise an die Beschäftigten richtet. Die Kolleginnen und Kollegen der Krankenkasse setzen vor Ort in den Betrieben die UV-Roadshow als Workshop beziehungsweise Unterweisungshilfe zum Thema UV-Schutz um. Die so informierten Auszubildenden und Beschäftigten sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die innerhalb der Unternehmen bei der Umsetzung von Sonnen- und Hitzeschutzmaßnahmen unterstützen können.  

  • Wie stark arbeiten die IKK classic und die BG BAU beim Thema UV-Schutz zusammen?

    Sowohl die IKK classic als auch die BG BAU setzen sich für die Sicherheit und Gesundheit der Menschen ein. In Zukunft wollen wir bei vielen Themen – nicht nur beim UV-Schutz – noch enger zusammenarbeiten. Dafür unterzeichnen beide demnächst eine neue Kooperationspartnerschaft. Dadurch sollen die Angebote für den Arbeitsschutz und die Gesundheitsförderung in den Betrieben besser abgestimmt werden. Zugleich profitieren wir von der Expertise des Anderen. Die UV-Roadshow ist ein schönes Beispiel dafür. 

     

Hitzevorhersage per App

Nur wer zu erwartende Hitze richtig einschätzt, kann rechtzeitig Gegenmaßnahmen treffen. Dabei helfen digitale Angebote: Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) hat eine Bauwetter-App entwickelt. Sie zeigt anhand des Standortes oder der Postleitzahl die gefühlte Temperatur, Luftfeuchte und den Wind für die kommenden zwei Tage an.

Basierend darauf gibt die App außerdem Empfehlungen, welche Arbeitsschutzmaßnahmen notwendig sind, um die Hitzebelastung so gering wie möglich zu halten.

Bauwetter-App runterladen
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