Mythos Multitasking: So arbeiten Sie wirklich effektiv

Redaktion
IKK classic

Multitasking gilt vielen als Königsdisziplin des effizienten Arbeitens. Schließlich könne man so mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen und eine Menge Zeit sparen. Doch ist das wirklich so? Wie geht Multitasking richtig und kann man das mit Multitasking-Übungen lernen?

Gleichzeitig das Baby füttern und E-Mails beantworten, während des Trainings die Geschäftsnotizen ins Smartphone diktieren oder direkt im Meeting schon das nächste Projekt planen – mit Multitasking lässt sich auf den ersten Blick eine Menge Zeit sparen. Immerhin schafft man in der gleichen Zeitspanne zwei unterschiedliche Dinge. Doch eigentlich ist Multitasking nur im Ausnahmefall wirklich effizient.

Können Menschen viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen?

Multitasking oder die etwas sperrigere deutsche Übersetzung "Mehrfachaufgabenperformanz" bedeutet, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten, die voneinander unabhängig sind. Der Begriff kommt auch in der Computertechnik vor: Das Betriebssystem eines Rechners führt mehrere Prozesse nach Priorität sortiert durch, was je nach System entweder in einem schnellen Wechsel oder tatsächlich zeitgleich geschehen kann. So kommt es an keiner Stelle zu Inaktivität oder ungenutztem Rechenpotenzial – eine Idealnutzung der vorhandenen Rechenleistung. 

Doch lässt sich das auch auf den Menschen übertragen? Nur bedingt. Besonders bei anspruchsvollen Aufgaben müssen sich Menschen mit höchster Konzentration auf eine Tätigkeit fokussieren, andernfalls kann es zu Fehlern oder sogar Unfällen kommen. Allerdings spielt auch die Erfahrung einer Person eine Rolle: Wer mit absoluter Routine bestimmte Tätigkeiten nahezu automatisch ausführen kann, schafft es womöglich, gleichzeitig noch andere Dinge zu erledigen. 

Doch wie lassen sich trotzdem mehrere Aufgaben effizient erledigen? Welche Lebensbereiche eignen sich fürs Multitasking – und welche nicht?

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Mythos Multitasking: Nacheinander und abwechselnd statt zeitgleich

Im Gegensatz zu Computern mit Multiprozessoren können Menschen genau genommen verschiedene Aufgaben nicht wirklich zeitgleich erledigen. In Wahrheit springen wir in kürzesten Abständen von einer zur anderen Aufgabe und wieder zurück.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) schreibt in einer Ratgeberbroschüre zum Thema Multitasking: "Was wirkt, als geschehe es gleichzeitig, ist es im Grunde nicht. Wir wechseln vielmehr bewusst oder unbewusst die Aufgaben. Dieses Hin- und Herschalten läuft rasch im Millisekundenbereich ab und wird daher als zusammenhängend wahrgenommen. Tatsächlich werden die Entscheidungen aber nacheinander getroffen. Die Aufmerksamkeit ist immer nur auf einen Arbeitsschritt gerichtet."

Dahinter steckt die Funktionsweise unseres Arbeitsgedächtnisses. In diesem Teil des Erinnerungsvermögens lassen sich kurzfristig Informationen speichern und abrufen. Es ist zum Beispiel wichtig, um einen Text zu verstehen: Im Arbeitsgedächtnis bleibt der Beginn eines Satzes gespeichert, während man dessen Ende gerade liest. Wird nach dem Lesen keine Verknüpfung zum Langzeitgedächtnis hergestellt, ist der Satz danach schnell wieder vergessen.

Bei einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) ist das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt. Oft vergessen Betroffene, was sie gerade gelesen haben, weil sie sich nicht auf das Gelesene konzentrieren, also von außen kommende Reize nicht filtern können. Auch die Weitergabe an das Langzeitgedächtnis kann somit nicht stattfinden.

Das Arbeitsgedächtnis ist auch dann aktiv, wenn man sich zum Beispiel einen Einkaufszettel merken möchte. Man wiederholt die Proukte immer und immer wieder in Gedanken. Schweifen diese allerdings ab, weil zum Beispiel das Telefon unerwartet klingelt und der Fokus auf dem Gespräch liegt, ist schnell der ein oder andere Punkt auf dem Einkaufszettel vergessen.

Multitasking kann Leistung verschlechtern

Mehrere Studien haben das Phänomen Multitasking bereits untersucht. So fanden beispielsweise die beiden Pariser Wissenschaftler Sylvain Charron und Etienne Koechlin 2010 heraus, dass sich das Gehirn auf eine, maximal zwei komplexe, zusammenhängende Aufgaben gleichzeitig konzentrieren kann. Kommt eine dritte hinzu, setzt das Gehirn Prioritäten und blendet eine bis zwei der Aufgaben aus.

Eine Studie, die 2009 an der Universität von Stanford durchgeführt wurde, ergab sogar, dass Multitasking – oder der Versuch dazu – zu einem Leistungsabfall führt: Menschen, die im Beruf oder im Alltag oft multitasken müssen, haben demnach größere Probleme, relevante von nicht relevanten Informationen zu trennen. 

Übrigens: Dass Frauen bessere Multitasker als Männer sind, wurde in einer aktuellen Studie widerlegt. Die Autoren der RWTH Aachen haben herausgefunden, dass beide Geschlechter beim Multitasking langsamer und ungenauer arbeiten. Zwar kommen frühere Studien auf andere Ergebnisse: Mal schneiden Frauen, mal Männer als bessere Multitasker ab. Allerdings sei das der Studie zufolge auf die Auswahl der Aufgaben zurückzuführen, die verschiedene kognitive Fähigkeiten beanspruchen, nicht auf das Multitasking selbst.

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Wo Multitasking funktioniert: Automatisierte Aufgaben

Bei aller Kritik an Multitasking ist eines sicher: Grundsätzlich lässt sich die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns trainieren – und damit auch jene Tätigkeiten, die als automatisiert ins Arbeitsgedächtnis übergehen.

Ein Beispiel: Fahranfänger haben noch große Probleme damit, den richtigen Gang beim Fahren zu finden und gleichzeitig auf den Verkehr zu achten. Erst mit der Übung wird dieser Prozess automatisiert. Das ist wichtig: Denn ist das Schalten automatisiert, können sich Autofahrer auf den Verkehr konzentrieren und auf etwaige Gefahrenlagen reagieren.

Wer also Multitasking-Übungen durchführen möchte, sollte üben, die Handgriffe einer Routinearbeit zu erlernen. Es hilft schon, eine bestimmte Tätigkeit so oft zu wiederholen, dass das Gehirn sie als automatisierte Aufgabe abspeichert. Dafür sollte man sich allerdings auf diese Aufgabe konzentrieren – und zum Beispiel beim Autofahren anfangs auf das Radio verzichten.

Grenzen von Multitasking: Ähnliche und komplexe Aufgaben

Multitasking funktioniert also dann, wenn man eine Tätigkeit eingeübt hat und routiniert ausüben kann und um eine weitere ergänzt. Es geht also zuerst um Übung: Wer es gewohnt ist, ein Auto zu fahren, kann womöglich sogar Radiolieder mitsingen und hat trotzdem kaum Probleme damit, auf den Verkehr zu reagieren. Doch Vorsicht: Ein gewisser Verlust der Aufmerksamkeit lässt sich nicht ausschließen. Wer zum Beispiel beim Autofahren telefoniert, ist einer Studie der Universität Utah zufolge in etwa so reaktionsschnell wie ein Betrunkener mit 0,8 Promille.

Es kommt auch darauf an, ob sich die Aufgaben ähneln. Wer liest und nebenbei Musik hört, kann sich womöglich auf das Buch konzentrieren. Läuft anstelle der Musik ein Hörspiel, kann das schnell überfordern. Eine weitere Dimension ist die Schwierigkeit der Aufgaben, die dem Multitasking Grenzen setzt: Sobald hohe Konzentration gefragt ist, müssen die Dinge nacheinander bearbeitet werden. Wer versucht, wichtige Dinge gleichzeitig zu erledigen, gerät unter Stress.

Und unter Stress stellt sich schnell das Gefühl ein, alles nur ein wenig und nichts mit ganzer Konzentration erledigen zu können. Das ist nicht nur unbefriedigend, sondern auch ein idealer Nährboden für Fehler. Statt also durch Multitasking unter Druck zu geraten, sollten Aufgaben durchdacht angegangen werden, um effizient zu arbeiten.

5 Tipps für effizientes Arbeiten an mehreren Aufgaben

Unsere Tipps zum Zeitmanagement können bei der Organisation von Aufgaben ebenfalls helfen.

Weitere Zeitmanagement-Tipps
  • 1. Aufgaben priorisieren

    Ordnen Sie Ihre Aufgaben von "sehr wichtig" beziehungsweise "komplex" bis "weniger wichtig" oder "weniger komplex" und beginnen Sie mit der Aufgabe, die die meiste Konzentration fordert. Wie beim Sport hilft es vor allem mit Blick auf die Motivation, mit dem harten Teil anzufangen, bevor man zu den leichteren Aufgaben kommt.

  • 2. Vorab einen Zeitplan aufstellen

    Neben der Priorisierung wahrscheinlich das wichtigste Kriterium für effizientes Arbeiten: Schätzen Sie ab, welche Aufgabe wieviel Zeit in Anspruch nehmen wird. Setzen Sie das Timing dabei ruhig etwas enger an, damit Sie beim Arbeiten selbst nicht so leicht ins Trödeln geraten.

  • 3. Nicht zwischen den Aufgaben springen

    Selbst, wenn der Impuls aufkommt: Erledigen Sie immer zuerst die eine Aufgabe, bevor Sie die nächste in Angriff nehmen. Sollten sich Ihre Aufgaben überschneiden, unterteilen Sie nicht die einzelnen Aufgaben, sondern Themenfelder und arbeiten diese Stück für Stück ab.

  • 4. Auf regelmäßige Pausen achten

    Vor allem, wenn man im Stress ist, scheint es wahnsinnig, regelmäßige Pausen einzulegen. Dabei ist längst erwiesen: Ein ausgeruhter Geist denkt besser. Stellen Sie sich einen Wecker und stehen Sie nach jeder Stunde Arbeit auf, atmen Sie durch und strecken sich. Fünf bis zehn Minuten sind vollkommen ausreichend.

  • 5. Den Arbeitsplatz sauber halten

    Ein aufgeräumter Schreibtisch bietet weniger Ablenkung und fördert die Konzentration. Was zusätzlich hilft: regelmäßiges Lüften und die eine oder andere Pflanze in Sicht.

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Veröffentlicht am 08.10.2020

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