Leben, um zu arbeiten? Die Gen Z, also die Generation junger Menschen mit Geburtsjahr zwischen 1997 bis 2012, sieht das nicht mehr so. Arbeiten, um zu leben und Freizeit genießen ist ihre Devise. „Der massive Fachkräftemangel in einigen Branchen führt dazu, dass sich viele Berufseinsteigerinnen und -einsteiger ihre Arbeit aussuchen können“, erklärt Oliver Blecken, ehemaliger Manager und Geschäftsführer, heute selbstständiger Coach und Mediator. „Das Machtverhältnis zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden hat sich dadurch verändert. Es sind nun die jungen Menschen, die fragen, was ein Unternehmen ihnen bieten kann.“ Aus dieser Haltung heraus haben sich drei Trends entwickelt, die gerade in den sozialen Medien viral gehen.
Die Generation Z definiert das Arbeitsleben neu. Weniger Überstunden, mehr leben lautet das Motto. Das ist an sich völlig in Ordnung. Trends wie Quiet Quitting, Career Cushioning und Blind Signing werden in den sozialen Medien gerade gefeiert. Warum sie mit Vorsicht zu betrachten sind und welche Alternativen es gibt, erfährst du hier.
Quiet Quitting – Dienst nach Vorschrift
Seit dem TikTok-Video von @zaidleppelin ist es weltweit bekannt: Quiet Quitting. Damit ist nicht eine stille Kündigung gemeint, vielmehr machen Beschäftigte nur noch Dienst nach Vorschrift. Sonderaufgaben und Überstunden? Fehlanzeige!
„Quiet Quitting gab es bereits in der Vergangenheit. Neu ist, dass diese Haltung jetzt von einer ganzen Generation eingenommen wird. Daher denke ich, dass wir es hier nicht mit einem vorübergehenden Trend zu tun haben, sondern mit einem nachhaltigen Wandel in Bezug auf Mentalität und Werte“, so Oliver Blecken. „Ich sehe diese Entwicklung als große Chance, denn sie bedeutet, dass Arbeitnehmende und Arbeitgebende neu aufeinander zugehen und gemeinsam einen Vertrag abschließen können, der die Bedürfnisse und Wünsche beider Seiten mit einbezieht.“
Bedeutet: Arbeitnehmende haben eine ausgewogenere Work-Life-Balance und können mehr Wert auf ihre körperliche und mentale Gesundheit legen. Das kommt wiederum den Unternehmen zugute, die für niedrigere Fehlzeiten und zurückgehende Burn-out-Fälle dankbar sind. Zu beachten ist, dass bei Quiet Quitting zwar nicht mehr unendlich viele Überstunden angehäuft werden. Innerhalb der vorgegebenen Arbeitszeit wird jedoch eine gute Leistung erbracht.
Macht nur das Nötigste wirklich glücklich?
Bedenklich beim Trend Quiet Quitting ist: Wenn du nur noch Dienst nach Vorschrift machst, etwa, weil du mit bestimmten Abläufen im Unternehmen nicht einverstanden bist und deine Aufgaben nicht wirklich magst – dann bekommt das Unternehmen nicht die Möglichkeit, auf Missstände zu reagieren und du verbringst möglicherweise Zeit mit einer Arbeit, die dich nicht erfüllt.
„Ursprung von Quiet Quitting war, dass die Arbeit einen anderen Stellenwert im Leben einnimmt und junge Menschen mehr auf ihre Bedürfnisse und die Bedürfnisse ihres Körpers achten. Entwickelt sich die Haltung jedoch so, dass acht Stunden Arbeit unmotiviert abgesessen werden, dann vergeht mindestens ein Viertel der eigenen Lebenszeit mit etwas, das man nicht mag. Das hat dann mit Selbstfürsorge nur noch wenig zu tun“, gibt Oliver Blecken zu bedenken.
Es ist also in jedem Fall besser, entweder a) Probleme offen anzusprechen, um sie zu lösen oder b) den Job zu wechseln und dir eine Arbeit zu suchen, die dich wirklich erfüllt. Eine Arbeit, bei der auch mal eine Überstunde kein Drama ist, weil du für deine Tätigkeit brennst und am Ende des Tages stolz auf deine Leistung bist. Als Quiet Quitter wird dir dieses Glücksgefühl wohl eher versagt bleiben.
Career Cushioning – immer Plan B parat
Der Begriff leitet sich vom englischen Verb „cushioning“ ab und bedeutet etwa „einen Rückschlag abfedern“. Ursprünglich kommt das Phänomen aus der Dating-Szene und beschreibt, dass jemand sich weitere romantische Optionen offenhält, falls es mit der neuen Beziehung nicht klappt.
In Bezug auf das Berufsleben steht Career Cushioning dafür, einen Plan B für die eigene Karriere zu entwickeln, für den Fall, dass der Arbeitsplatz in Gefahr ist. Mitarbeitende möchten also nicht unbedingt den Job wechseln, sich aber für alle Eventualitäten wappnen. Career Cushioning kann auch bedeuten, dass ein Nebenjob angenommen wird, um Geld dazuzuverdienen. Manche Mitarbeitende bilden sich außerhalb der Arbeitszeiten weiter, um neue Fähigkeiten und Erfahrungen zu erwerben.
Immer auf dem Sprung sein – ist das hilfreich?
Einen Notfallplan zu haben, kann nie schaden. Doch so harmlos und vorsorglich Career Cushioning auch klingt, langfristig ist diese innere Anspannung nicht gut. Ist dein Arbeitsplatz dauerhaft von Krisen und schlechter Stimmung geprägt? Dann solltest du ernsthaft darüber nachdenken, zu einem Unternehmen zu wechseln, das dir mehr Ruhe und Sicherheit bietet.
Dein Arbeitsplatz ist in Ordnung, du möchtest dich aber noch nicht richtig festlegen? Dann kannst du die Situation einmal aufs Dating übertragen und dich fragen, wie viel Chancen eine Beziehung hat, bei der man weiterhin Ausschau nach anderen hält?
Wenn du in einem Beruf weiterkommen und Karriere machen möchtest, dann wird das permanente Schmieden eines Plan B dich daran hindern, mit voller Aufmerksamkeit und Kraft deine aktuelle Tätigkeit auszuüben. Lasse dich also lieber auf das Hier und Jetzt ein, um zu lernen, deine Position zu festigen und dich weiterzuentwickeln.
Blind Signing – „blind“ unterschreiben
Firmeninhaberinnen und -inhaber sind oftmals im Stress. Bei Führungskräften ist es ebenso – und in der Handwerksbranche erst recht. Neue Fachkräfte werden dringend gebraucht und lieber gestern als heute eingestellt. Du startest gerade ins Berufsleben oder in deine Ausbildung und kannst es kaum erwarten, endlich einen guten Vertrag in der Tasche zu haben. Du hast dich ein wenig erkundigt und könntest dir vorstellen, bei einem bestimmten Unternehmen anzufangen – und dann geht alles ganz schnell. Zu schnell vielleicht.
Viele Karriereberaterinnen und Karriereberater erleben in der letzten Zeit den Trend, dass sich Arbeitgebende und Bewerberinnen bzw. Bewerber im ersten Gespräch nicht mehr intensiv genug austauschen und ohne ausreichende Informationen entscheiden. Genau dann kommt es zum sogenannten Blind Signing: Du unterschreibst nach einem kurzen Bewerbungsgespräch vorschnell einen Arbeitsvertrag, ohne wirklich zu wissen, worauf du dich einlässt.
Nach einem Blind Signing lässt der Schrecken oftmals nicht lange auf sich warten. Schnell merkst du, dass das Unternehmen oder die Tätigkeit gar nicht zu dir passt und du unglücklich bist. Die Folge: Du betreibst entweder wie oben beschrieben Quiet Quitting und Career Cushioning – wovon wir dir dringend abraten – oder du kündigst, aufgrund enttäuschter Erwartungen.
Aufgaben definieren und Probetage planen
„Ich halte Blind Signing für einen gefährlichen Trend, weil er für alle Beteiligten zu Frustration führen kann“, sagt Oliver Blecken. „Arbeitgebende investieren viel, um eine neue Kraft einzustellen, die sie dann schnell wieder verlieren. Bei Arbeitnehmenden macht sich ein häufiger, schneller Wechsel schlecht im Lebenslauf und kann sich negativ auf die Zukunftschancen auswirken.“
Unser Tipp: Informiere dich im Vorfeld intensiv über das Unternehmen, bei dem du dich bewirbst. Schreibe dir vor dem Bewerbungsgespräch in Ruhe Fragen zu allen Punkten auf, die dir wichtig sind – denn in der Aufregung des Vorstellungsgesprächs sind sie schnell vergessen. Bespreche gleich zu Beginn, welche Entwicklungsmöglichkeiten du im Betrieb hast. Bitte eventuell um die Möglichkeit, ein paar Tage zur Probearbeit zu kommen. So kannst du schon mal deine neuen Kolleginnen und Kollegen kennenlernen, du erhältst Einblick in die Aufgabenbereiche und kannst die Stimmung in der Firma besser einschätzen.
Fazit: Trends auf TikTok und Co. spiegeln die Entwicklungen in unserer Berufswelt gut wider und können manchmal hilfreich sein. Deinen Weg in ein erfülltes Berufsleben solltest du aber selbstbestimmt gehen, denn nur so kannst du dich wirklich weiterentwickeln und deinen Platz finden.