Natürliche Geburt – Tipps für einen guten Start ins Leben

Redaktion
IKK classic

Wenn ein Kind zur Welt kommt, ist das ein prägender Moment für eine junge Familie. Wie die natürliche Geburt verläuft, was Eltern tun können, um eine unkomplizierte Geburt zu begünstigen und was Schwangeren die Angst davor nimmt, verrät eine Gynäkologin und erfahrene Geburtshelferin.

„Die meisten Geburten in Deutschland, etwa 61 Prozent, sind vaginale Geburten“, erklärt Dr. med. Linda Hertlein, Funktionsoberärztin in der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der LMU München. Die Bedingungen für das fein abgestimmte Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind, Bewegung, Muskulatur und Hormonen, kennt sie gut. Frauen rät sie vor allen Dingen eines: Vertrauen zu haben. Denn die Natur hat für diese Situation gut vorgesorgt.

Was ist eine natürliche Geburt?

Was wir als „natürliche Geburt“ beschreiben, bezeichnen Fachpersonen genauer als „vaginale“ oder auch „spontane“ Geburt. Gemeint ist damit, dass das Baby ohne medizinische Eingriffe durch den Geburtskanal der Mutter geboren wird, also ohne Kaiserschnitt oder andere operative Maßnahmen. 

Nach der natürlichen Geburt erholen sich Mütter oft schnell, Geburtsverletzungen heilen rasch und auch das Immunsystem des Kindes wird durch die vaginale Geburt trainiert, sodass Allergien später seltener auftreten.

Wann ist eine natürliche Geburt möglich?

Sprechen keine Vorerkrankungen der Mutter dagegen, ist ein natürlicher Ablauf im Prinzip bei allen Frauen anatomisch möglich. In einigen Fällen zeigt sich jedoch am Ende der Schwangerschaft oder auch während einer laufenden Geburt, dass ein Kaiserschnitt notwendig wird.

Ist die Frau mit mehreren Kindern schwanger, liegt das Kind quer oder schräg im Bauch oder gibt es andere Einschränkungen, kann ein Kaiserschnitt geplant werden. Ärztinnen und Ärzte beobachten darum die Position von Mutterkuchen und Nabelschnur im Bauch und schätzen die Größe des Babykopfes im Verhältnis zum Becken der Mutter ein.

Auch wenn der natürliche Geburtsvorgang ins Stocken gerät oder das Kind Hilfe braucht, wird die natürliche Geburt mit einer sogenannten „Bauchgeburt“ – also einem Kaiserschnitt – beendet. In Deutschland liegt der Anteil der Kaiserschnitte bei etwa 32 Prozent – regional und zwischen den Kliniken etwas variierend.

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Kaiserschnitt oder "normale" Geburt?

„Wenn wir Frauen zu einem geplanten Kaiserschnitt beraten, müssen wir als Fachpersonen sehr sorgsam abwägen, ob er für die Betroffene sinnvoll ist“, erklärt Dr. Hertlein. Denn der Kaiserschnitt habe auch medizinische Nachteile, besonders für Frauen, die sich nach dem Kaiserschnitt noch ein weiteres Kind wünschen. Der Schnitt in die Gebärmutter, der für die Bauchgeburt notwendig ist, bleibt als Narbe an der Gebärmutter zurück. Die kann für folgende Schwangerschaften und Geburten ein Risiko darstellen.

Für die Notfallsituation spielten solche Erwägungen keine Rolle, so Hertlein, da stünden die Gesundheit von Mutter und Kind an erster Stelle. „Wir sehen keine Auswirkungen des Kaiserschnitts auf die Mutter-Kind-Bindung“, so die Gynäkologin, die selbst Mutter ist. Bindung entstehe ein ganzes Leben lang. 

Wie läuft eine natürliche Geburt ab?

Latenzphase (frühe Eröffnungsphase)

Die Mutter spürt in dieser Phase schon leichte, unregelmäßige Wehen. Der Muttermund öffnet sich jedoch in dieser Zeit nur wenig und die Gebärende kann noch gut zu Hause bleiben. Erst wenn die Frau regelmäßig Wehen spürt oder die Fruchtblase platzt (Blasensprung), sollte sie sich auf den Weg ins Krankenhaus machen.

Eröffnungsphase

Die Wehen werden jetzt regelmäßiger, der Muttermund öffnet sich bis er mit etwa 10 Zentimetern Weite genug Raum für den Körper des Kindes bietet. Hebammen verfolgen diesen Prozess, der bis zu 12 Stunden dauern kann, mit vaginalen Untersuchungen und durch Messungen mit dem CTG, bei dem die Herzfrequenz des Kindes und die Wehentätigkeit aufgezeichnet wird. 

Austreibungsphase

Erst wenn der Muttermund vollständig geöffnet ist, beginnt die Gebärende zu pressen. Nach maximal 30 Minuten kommt das Kind zur Welt. Wenn es dem Kind gut geht, wird es jetzt direkt auf den Bauch der Mutter gelegt.

Nachgeburtphase

Erst wenn sich der Mutterkuchen, die Plazenta, vollständig gelöst hat, ist die Geburt abgeschlossen und die Gebärende zur Wöchnerin geworden. Geburtshelferinnen und -helfer prüfen sorgfältig, ob die Plazenta auch vollständig geboren wurde, und versorgen Geburtsverletzungen der Mutter – etwa Risse an Scheide oder Damm, die dadurch sehr schnell heilen.

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Die Geburt angstfrei erleben

„Was ich Schwangeren empfehlen kann, ist offen und ohne feste Vorsätze in die Geburt zu gehen. Ich halte nichts davon, vorher einen Geburtsplan zu machen“, rät Dr. Hertlein. Dass Frauen zunehmend ihre Vorstellungen frühzeitig an das Personal herantragen, zeigt, dass die Sorge und der Wunsch nach einer selbstbestimmten Geburt bei vielen Frauen groß ist.

Tatsächlich ist es in den meisten Krankenhäusern nicht möglich, Schwangeren durchgehend eine unterstützende Hebamme zur Seite zu stellen – dem Personalmangel geschuldet.

Doch es gibt wirksame Methoden, die helfen, mit Ängsten und Schmerzen umzugehen und die Geburt zumindest selbstwirksam zu beeinflussen. Dazu gehören Atemübungen, die den Umgang mit Wehen erleichtern. Auch Körperwahrnehmungs- und Achtsamkeitsübungen wirken effektiv gegen Stress und Ängste und beeinflussen unser Schmerzempfinden.

Erlernen können Schwangere diese Fähigkeit in guten Geburtsvorbereitungskursen – und sich dort auch mit anderen über Fragen und Sorgen austauschen. Die erübte Belastbarkeit und Stressresilienz ist auch langfristig ein gutes Rüstzeug für Eltern – denn sie trägt genauso durch schlaflose Nächte mit Säugling wie durch Wutanfälle im Kleinkindalter. 

Doch Vorsicht vor Umkehrschlüssen: Wie eine Geburt verläuft, dafür trägt eine Gebärende keine Verantwortung. Denn ein Geburtsprozess wird von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst und nimmt manchmal unvorhersehbare Wendungen.  

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Tiefe Atmung gegen Schmerzen

Die Atmung der Mutter versorgt das Kind mit Sauerstoff und hilft der Gebärenden, in Wehen zu entspannen und sie zu „veratmen“. Sie können diese Atmung schon vor der Geburt üben: 

Machen Sie es sich im Liegen oder Sitzen bequem und nehmen Sie wahr, wo Sie Ihren Atem im Bauchraum und Unterkörper spüren. Wirkt sich die Einatmung in den Flanken aus? Vielleicht zwischen den Sitzbeinhöckern im Bereich des Beckenbodens? Begleiten Sie das Ausatmen mit einem langen Ton auf A oder O. Kiefer und Beckenboden hängen stark zusammen und entspannen durch das „Tönen“ gemeinsam.  

Was eine natürliche Geburt erleichtert

  • Wohlfühl-Umgebung: Gedämpftes Licht, die Lieblingsmusik oder ein vertrauter Duft beeinflussen die Geburt positiv. Kliniken stellen in der Regel die Infrastruktur bereit, damit Eltern ein Stückchen zu Hause in den Kreißsaal mitbringen können.

  • Müsliriegel und Frucht-Smoothies: Schnelle Energiezufuhr und Flüssigkeit sind wichtig, damit der Blutzuckerspiegel von Mutter und Kind nicht zu stark abfällt. 

  • Bewegung: Die Schwerkraft kann Mutter und Kind gute Unterstützung geben. Die Hebamme leitet die Gebärende zu aufrechten Körperhaltungen, hockenden Positionen und anderen Bewegungen an.

  • Vertraute Berührung und Massage: Kuscheln schüttet das Bindungshormon Oxytocin aus und das ist wichtig für die Wehentätigkeit. Darum können der Gebärenden Massagen und Streicheleinheiten durch eine begleitende Partnerin oder einen Partner helfen.

  • Schmerzmittel: Neben alternativen Mitteln wie Akupunktur, Wärme, einem Wannenbad und Homöopathie stehen in Kliniken auch Medikamente oder die “PDA”, eine leichte Betäubung des Unterkörpers, zur Schmerzlinderung zur Verfügung.

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Ein bisschen Pressen fürs Babyglück?

Ein paar Mal pressen, schon ist der glucksende Wonneproppen auf der Welt. Toyah erlebte die Geburt ganz anders. Der Gedanke an die stundenlangen Schmerzen lässt sie immer noch schaudern – und wirklich niedlich fand sie ihr zerknautschtes Baby im ersten Moment auch nicht.

Das Wochenbett nach der Geburt

Nach der Geburt beginnt das achtwöchige Wochenbett. Eltern und Baby haben jetzt Zeit, intensiv zu Kuscheln und sich kennenzulernen. Wichtig ist für die junge Familie viel Ruhe, damit Geburtsverletzungen heilen können, Mutter und Kind sich an das Stillen gewöhnen und auch tagsüber viel Schlaf möglich ist. 

Eine Nachsorge-Hebamme besucht die Familie regelmäßig, behält die Gewichtszunahme des Kindes im Auge, unterstützt beim Stillen oder emotionalen Momenten, und zeigt der Mutter leichte Übungen für die Rückbildung. Damit sich der Beckenboden gut von der Belastung erholen kann, soll die Mutter in dieser Zeit viel liegen und von Hausarbeiten entlastet werden. 

Rückbildung und Heilung nach der Geburt

Auch für den Heilungsprozess hat die Natur gut vorgesorgt: „Geburtsverletzungen sind zwar gerade bei Erstgebärenden sehr häufig, das Gewebe an Scheide und Damm heilt aber unheimlich schnell und gut. Wenn die Frauen zu einer zweiten Geburt zu uns kommen, sind häufig nicht einmal Narben zu erkennen“, berichtet Dr. Hertlein aus ihrer Arbeit.

Lediglich der Beckenboden bleibt für Frauen eine Lebensaufgabe, um späteren Problemen vorzubeugen. Die gute Nachricht: Die überlastete Muskulatur des Beckenbodens kann frau mit Übungen gut entspannen und kräftigen. Übungsprogramme dafür gibt es zahlreich, die die frisch geborene Mutter immer wieder daran erinnern, sich auch um sich selbst zu kümmern.  

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Veröffentlicht am 17.10.2022

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