Eine Person setzt sich eine Abnehmspritze in den Bauch.

Abnehmspritze: Was hinter dem Hype um Wegovy und Ozempic steckt

Als sogenannte Abnehmspritzen haben die Medikamente Ozempic® und Wegovy® einen regelrechten Hype in den sozialen Medien ausgelöst. Eine Spritze pro Woche – und schon purzeln angeblich die Pfunde. Klingt nach einem praktischen Lifestyle-Produkt.

Promis spritzen sich mal eben für den roten Teppich schlank, auf Instagram finden sich unter den Hashtags #Wegovy oder #Ozempic mehr als 100.000 Beiträge. Auch auf TikTok zeigen tausende Nutzerinnen und Nutzer die Erfolge. Der wohl prominenteste von ihnen: Milliardär Elon Musk. Doch ist Abnehmen per Spritze wirklich so einfach? Welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es? Wir haben bei Experten nachgefragt.

Medizinerinnen und Mediziner sind besorgt. Sie warnen vor dem Missbrauch der Medikamente. „Es ist naheliegend, dass sich die Aufmerksamkeit auch der ansonsten gesunden, aber nicht übergewichtigen Normalbevölkerung auf die neuen Wirkstoffe richtet“, sagt Professor Dr. med. Harald J. Schneider, Sprecher der Sektion Angewandte Endokrinologie der Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie.

Er betont jedoch, die Medikamente seien kein Lifestyle-Produkt für Menschen, die mit ihrem Körpergewicht unzufrieden sind. Sie seien nur für die Behandlung von Diabetes und Adipositas gedacht. Denn: „Die unkontrollierte Anwendung ohne Indikation ist mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden“, so Prof. Schneider. Deshalb gibt es die Medikamente in Deutschland auch nur auf Rezept in der Apotheke.

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Wie funktionieren Wegovy®, Ozempic® und Co.?

Sowohl Wegovy® als auch Ozempic® und Rybelsus® sind Medikamente des dänischen Pharma-Konzerns Novo Nordisk. Alle drei enthalten den Wirkstoff Semaglutid. Dieser Wirkstoff ist ein gentechnisch hergestelltes langwirksames GLP-1-Analogon und gehört zu den sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten. Das heißt, er wirkt so wie das körpereigene Hormon GLP-1. Dieses Hormon stimuliert in der Bauchspeicheldrüse die Ausschüttung von Insulin, senkt die Glucagon-Konzentration, verlangsamt die Magenentleerung und reduziert den Appetit. Semaglutid kann die Funktion des körpereigenen Hormons ergänzen oder ersetzen.

Neben Semaglutid gibt es inzwischen weitere Wirkstoffe, die ähnlich wirken: Sie setzen sich ebenfalls an die GLP-1 Rezeptoren.

Noch wirksamere Abnehm-Medikamente befinden sich bereits in der Zulassungsphase. In den USA wird aktuell etwa ein Medikament getestet, dass einen Gewichtsverlust von bis zu 25 Prozent verspricht.

Wirkstoff Präparate Gewichtsreduktion Anwendungsgebiet

Dulaglutid

Trulicity®

n.n.

Diabetes Typ 2

Exenatid

Bydureon®, Byetta®

n.n.

Diabetes Typ 2

Liraglutid

Saxenda®, Victoza®

6,9 %

Adipositas
Diabetes Typ 2

Semaglutid

Ozempic®, Rybelsus®

bis zu 17 %

Diabetes Typ 2

Semaglutid

Wegovy®

15 %

Adipositas

Tirzepatid

Mounjaro®
(in USA: Zepbound)

21,5 %

Adipositas
Diabetes Typ 2

Wer bekommt die Abnehmspritze?

Egal welcher Wirkstoff und welcher Einsatzzweck: Für diese Produkte gilt in Deutschland die sogenannte Rezeptpflicht, d. h. sie müssen von einer Ärztin oder einem Arzt verschrieben werden.

Wegovy® ist von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA nur zur Behandlung von Menschen, die an Adipositas leiden, zugelassen. Bemessen wird das am BMI, dem Body-Mass-Index. Generell kann nur, wer einen BMI von 30 oder höher hat, die Abnehmspritze verschrieben bekommen. Ausnahmen bilden Menschen mit einem BMI von mindestens 27, die zudem unter gewichtsbedingen Begleiterkrankungen leiden.

Diese Voraussetzungen gelten ebenfalls für Mounjaro®, wenn es zur Gewichtsregulierung verwendet wird. „Adipositas ist als ernstzunehmende Erkrankung zu werten. Insofern begrüßen wir diese wirkungsvolle Behandlungsoption“, sagt DGE-Pressesprecher Professor Dr. med. Stephan Petersenn von der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg.

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Allerdings fallen Arzneimittel zur Gewichtsreduktion unter die sogenannten Lifestyle-Arzneimittel und damit dürfen die Kosten dafür nicht von den Krankenkassen übernommen werden.

Das Medikament wird einmal pro Woche von der zu behandelnden Person selbst unter die Haut gespritzt. Die Dosis wird in den ersten Wochen gesteigert. Die Behandlungszeit ist auf eineinhalb Jahre angesetzt und wird von Ärztinnen oder Ärzten begleitet.

Um die Behandlung nachhaltig zu gestalten, findet sie in Verbindung mit einer Verhaltenstherapie statt. Dazu gehören kalorienreduzierte Diäten und erhöhte körperliche Aktivität. So kann die Gefahr für einen Jo-Jo-Effekt reduziert werden. Denn sobald die Spritzen abgesetzt werden, lässt auch die Wirkung nach.

„Die Prävention von Adipositas muss künftig eine viel größere Rolle spielen, denn die lebenslange Einnahme von Medikamenten ist die deutlich schlechtere Option“, sagt Petersenn.

Die Abnehmspritze sei dagegen ausdrücklich nicht für Menschen gedacht, die damit auf leichtem Wege ein paar Kilos abnehmen möchten. Die Berichte von Tesla-Chef Elon Musk oder Reality-Star Kim Kardashian, die mit der Hilfe von Semaglutid stark abgenommen haben, sendeten da ein ganz falsches Signal.

Unter Medizinerinnen und Medizinern wird das als „Off-Label-Use“ bezeichnet. Das heißt, dass ein Medikament außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete verwendet wird. „Diese Medikamente sollten nur spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschreiben – und auch nur, wenn die medizinische Notwendigkeit besteht und die Anwendung in der Folge sorgfältig überwacht wird“, betont Harald J. Schneider. Auch der Hersteller Novo Nordisk weist darauf hin, Wegovy® nur verantwortungsvoll zu verwenden.

Welche Nebenwirkungen hat die Abnehmspritze?

Der Einsatz von Semaglutid ist – wie bei jedem anderen Wirkstoff – mit Nebenwirkungen verbunden. „Die unkontrollierte Anwendung ohne Indikation ist mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden, etwa Übelkeit und Erbrechen“, sagt Prof. Schneider. Gerade zu Beginn der Therapie treten bei vielen Patientinnen und Patienten häufig Probleme mit dem Verdauungstrakt bis hin zu Durchfall oder Verstopfung auf. Bei den Wirkstoffen Liraglutid und Tirzepatid können ähnliche Nebenwirkungen auftreten. Um diese zu reduzieren, wird die Dosis langsam gesteigert. Viele der mit einem der drei Wirkstoffe behandelten Personen zeigten außerdem Dehydrierungssymptome.

Darüber hinaus hat die Europäische Arzneimittelbehörde auch vor möglichen, schweren Langzeitwirkungen gewarnt. Dabei handelt es sich um Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase. Ergebnisse einer Studie der University of British Columbia deuten darauf hin, dass die Abnehmspritzen mit Magenlähmungen, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse und Darmverschlüssen in Verbindung stehen könnten. „In Tierversuchen fand man zudem ein potenziell erhöhtes Risiko für bestimmte Schilddrüsenkrebsarten“, ergänzt Prof. Schneider.

Da das Mittel erst seit kurzer Zeit auf dem Markt ist, gibt es noch nicht viele Erkenntnisse über die Langzeitfolgen. In den USA scheinen immer mehr Menschen unter drastischen Nebenwirkungen zu leiden. Der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA wurden zudem mehrfach Fälle von Depression bis hin zu Suizidgedanken gemeldet. Der Sicherheitsausschuss der EMA hat deshalb mit der Überprüfung der Abnehm-Medikamente begonnen. Die Sonderprüfung soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Unerwartete Nebenwirkung: Schwanger durch die Abnehmspritze

In den sozialen Medien mehren sich Berichte von Frauen, die während der Behandlung mit Semaglutid-Präparaten (Ozempic, Wegovy) überraschend ungeplant oder trotz Einnahme von Verhütungsmitteln ungewollt schwanger wurden. Das Phänomen hat zwischenzeitlich in den USA zur Folge, dass diese sogenannten „Ozempic-Babies“ in einem speziellen Register erfasst werden, um im Nachhinein mehr Datenklarheit zu erlangen.

Denn eigentlich soll man während der Behandlung mit Semaglutid eine Schwangerschaft vermeiden, da bislang nicht ausreichend geklärt werden konnte, ob es zu Fehlgeburten und Missbildungen des Fötus kommen kann. Studien an Ratten, Kaninchen und Affen legen das nahe, es existieren allerdings bislang keine Untersuchungen an Menschen. Herstellerfirma Novo Nordisk empfiehlt, dass Frauen mindestens zwei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft ihr Medikament absetzen.

Was kostet die Therapie?

Wer die Therapie mit Wegovy® verschrieben bekommt, muss die Kosten selbst tragen. Medikamente zur Gewichtsreduktion sind in Deutschland von der Erstattung durch die Krankenkassen ausgeschlossen.

Die Kosten für die Therapie belaufen sich anfänglich auf rund 175 Euro im Monat. Für die höchste Dosierung mit 2,4 mg Semaglutid beträgt der Monatspreis in Deutschland laut Preisangaben in der Apothekensoftware (Stand 09/23) etwa 300 Euro. Damit liegt der Preis deutlich unterhalb der USA, wo Wegovy® rund 1.350 Dollar im Monat kostet (etwa 1.200 Euro).

Die Therapie bei Mounjaro® ist flexibler, der Preis für einen Monat mit der höchstmöglichen Dosis à 15 mg pro Woche beträgt knapp über 640 Euro. Um die Höchstdosis für einen Monat abzudecken, benötigt man zwei Packungen mit jeweils vier Flaschen mit 7,5 mg Tirzepatid, wobei eine Packung bei rund 320 Euro liegt.

Kostenübernahme von Medikamenten

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Gefälschte Abnehmspritzen

Der Social-Media-Hype einerseits und die hohen Kosten sowie die Rezeptpflicht für Abnehmspritzen und artverwandte Abnehmtabletten andererseits verleiten in vielen Fällen dazu, nach billigen Alternativen im Netz zu suchen. Das ruft zahlreiche Betrüger auf den Plan – beim Kauf ist also Vorsicht geboten! Es besteht die Gefahr, ein gefälschtes Medikament zu erhalten, das entsprechende Gesundheitsrisiken mit sich bringen kann. Wird beispielsweise Insulin in ein Präparat gemischt, kann das nicht nur zu einer Gewichtszunahme, sondern auch zu Unterzuckerung führen. In Folge dieser kann es zu Kreislaufzusammenbrüchen und Bewusstlosigkeit kommen. Darum: Wenn Abnehmspritze, dann ausschließlich mit ärztlicher Verordnung über eine Apotheke Ihres Vertrauens.

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