BMI und BMI-Alternativen: Bedeutet dick gleich ungesund?

Redaktion
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Wer laut Body-Mass-Index zu viel auf die Waage bringt, soll ein höheres Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Doch heißt übergewichtig wirklich gleich ungesund? Wie viel Aussagekraft der BMI tatsächlich hat, weiß Ernährungsexpertin Silke Restemeyer.

Rund zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen in Deutschland sind übergewichtig – zumindest, wenn man nach ihrem Body-Mass-Index, kurz BMI, geht. Errechnet wird er, indem man das Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat teilt. Anhand dieses Quotienten will man abschätzen, ob der Körperfettanteil im gesunden Bereich liegt. Dabei berücksichtig der BMI allerdings nicht das Verhältnis von Muskeln zu Fettmasse. Durchs Raster fallen etwa sehr schlanke, aber untrainierte Menschen, auch „skinny fat“ genannt: Sie befinden sich laut BMI meist im Normalgewicht, trotz eines hohen Körperfettanteils. Sehr muskulösen Menschen attestiert der BMI dagegen Übergewicht.

Was kann die Formel also tatsächlich leisten? Und lebt man mit ein paar Kilos mehr auf den Hüften wirklich ungesünder? Darüber sprechen wir mit Silke Restemeyer, Diplom-Oecotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

BMI-Rechner für Erwachsene

Sie wollen wissen, ob Ihr Gewicht im Normalbereich liegt – beziehungsweise darüber oder darunter? Der Body-Mass-Index (BMI) liefert Ihnen einen guten Richtwert. BMI berechnen

Ernährungsexpertin im Interview: So aussagekräftig ist der BMI

BMI als Orientierungshilfe

  • Welche Aussagekraft hat der BMI bezüglich des Gesundheitszustands einer Person?

    Grundsätzlich gibt der BMI immer nur einen Richtwert an. Er dient der Orientierung und soll Menschen dafür sensibilisieren, gegebenenfalls den Lebensstil und die Ernährungsgewohnheiten der Gesundheit zuliebe zu ändern. Die untere Grenze des Normalgewichts – ein BMI von 18,5 – sollte auf Dauer nicht unterschritten werden, da hier aufgrund einer relativ niedrigen Energiezufuhr möglicherweise eine dauerhafte Unterversorgung mit Nährstoffen vorliegt.

    Bei einem Wert von 25 bis 29,9 spricht man dagegen von Übergewicht. Diese Spanne wird gemäß einer WHO-Definition auch als Präadipositas bezeichnet. Bei vorhandenen ernährungsmitbedingten Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen wäre hier eine langsame Gewichtsabnahme empfehlenswert.

  • Frau Restemeyer, was genau wird mit dem BMI-Wert bestimmt?

    Der Body-Mass-Index hat sich als international gültiges Referenzmaß durchgesetzt, um das optimale Körpergewicht eines Menschen zu bestimmen. Ein Wert zwischen 18,5 und 24,9 gilt als Normalgewicht. In diesem Bereich ist das Risiko für ernährungsmitbedingte Begleiterkrankungen am geringsten.

  • Der BMI steht als Indikator für Übergewicht allerdings in der Kritik. Weshalb?

    Tatsächlich hat der BMI seine Grenzen, denn er unterscheidet nicht zwischen Fett- und Muskelmasse. Wer viele Muskelkilos auf die Waage bringt, etwa durch Body Building, Gewichtheben oder Schwerstarbeit auf dem Bau, kann laut BMI übergewichtig sein – selbst, wenn er oder sie kein Gramm Fett zu viel am Körper hat. Beeinträchtigungen bei der Bewertung gibt es zudem bei Personen, die von Haus aus einen schweren Knochenbau haben. Oder bei Patientinnen und Patienten mit Ödemen: Sie lagern mehr Wasser im Körper ein und bringen deshalb mehr Gewicht auf die Waage.

    Auch zur Beurteilung des Ernährungszustandes von Kindern eignet sich der BMI nicht. Er sollte daher nicht als alleiniger Faktor zur Beurteilung des Körpergewichtes herangezogen werden. Es kommt immer auf eine individuelle Betrachtung an, zum Beispiel der Lebensumstände, des Geschlechts oder des Alters.

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Äpfel nicht mit Birnen vergleichen

  • Welche weiteren Faktoren beeinflussen, ob das eigene Gewicht ein Gesundheitsrisiko darstellt?

    Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist für die Gesundheit nicht nur die absolute Höhe des Körpergewichts von Bedeutung: Vor allem wie sich das Fettgewebe im Körper verteilt, beeinflusst das metabolische und kardiovaskulare Gesundheitsrisiko – also das Risiko, an Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Krankheiten zu erkranken. Die Körperfettverteilung ist genetisch bedingt: Frauen neigen eher zu Fettansatz an Hüften, Po und Oberschenkeln, also einer Körperform vom Typ Birne. Bei Männern dagegen sitzt das Fettgewebe vor allem am Bauch und an der Taille. Man spricht hier von einer Apfelform.

    Bei letzterer sammelt sich auch vermehrt viszerales Fett an, das sich in der Bauchhöhle um die Organe legt. Im Gegensatz zum relativ unkritischen subkutanen (also Unterhaut-)Fett gilt Viszeralfett als gefährlich, denn: Die dort gebildeten Botenstoffe lösen im Körper Entzündungsprozesse aus und können Bluthochdruck sowie eine Insulinresistenz begünstigen. Deshalb haben „Apfeltypen“ im Vergleich zum „Birnentyp“ ein höheres Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislaufkrankheiten wie Arterienverkalkung, Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. Schon allein deshalb sollten „Apfeltypen“ vorsorglich ihr Gewicht reduzieren.

     

  • Wie findet man heraus, welcher Fettverteilungstyp man ist?

    Dazu braucht es im Prinzip nur ein Maßband. Gemessen wird der Taillenumfang in der Mitte zwischen Beckenkamm und Unterrand des Rippenbogens – und zwar morgens vor dem Essen und Trinken. Bei Frauen sollte der Taillenumfang nicht über 80 Zentimeter liegen, bei Männern nicht über 94, ansonsten gehören sie zu den „Apfeltypen“. Liegt der Taillenumfang bei Frauen über 88 cm und bei Männern über 102 cm, ist ihr Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselkrankheiten stark erhöht.

    Wie sich das eigene Körperfett verteilt, lässt sich aber auch mithilfe des sogenannten Taillen-Hüft-Quotienten ermitteln.

Schlank bedeutet nicht automatisch gesund und dick nicht krank.

Silke Restemeyer

Taille-Hüft-Quotient: der bessere BMI?

  • Eine weitere mathematische Formel also?

    Über das Verhältnis von Taillen- zu Hüftumfang kann man ein eventuelles Gesundheitsrisiko durch eine ungünstige Körperfettverteilung noch genauer ermitteln. Hierzu wird der Taillenumfang durch den Hüftumfang in Zentimetern dividiert. Je höher der Quotient, desto größer ist der Anteil des Bauchfetts. Laut WHO geht ein Taillen-Hüft-Quotient bei Frauen von über 0,85 und bei Männern von mehr als 0,9 mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko einher.

  • Bedeutet dick immer auch gleich ungesund?

    Ab einem gewissen Grad an Übergewicht, nämlich einem BMI über 30, sollten sowohl „Apfeltypen“ als auch „Birnentypen“ versuchen abzunehmen. Es gilt zu bedenken: Übergewichtige laufen immer Gefahr, weiter zuzunehmen und adipös zu werden. Von Adipositas Grad 1 spricht man bei einem BMI von 30,0-34,9. Das Risiko für Gesundheitsstörungen ist bereits erhöht – auch bei „Noch-Gesunden“. Dann sollte man unbedingt eine geeignete Maßnahme zur Gewichtsabnahme ergreifen, in Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt und einer qualifizierten Fachkraft. Ab einem BMI von 35, also Adipositas Grad II, besteht ein hohes Risiko und ab 40 und darüber ein sehr hohes Risiko für Gesundheitsstörungen. In diesem Fall bedarf es dringend ärztlicher Hilfe, um das Gewicht zu reduzieren.

    Insgesamt gilt aber: Schlank bedeutet nicht automatisch gesund und dick nicht krank. Nicht jeder, der laut BMI Übergewicht hat, muss also abnehmen. Die überschüssigen Fettpolster werden erst dann zum Problem, wenn sie dem Menschen schaden. Eine regelmäßige ärztliche Kontrolle des Blutdruckes sowie der Blutzucker-, Fett-, Cholesterin- und Harnsäurewerte ist deshalb ratsam.

Body-Mass-Index oder Taille-Hüft-Quotient?

Sowohl der BMI als auch der Taille-Hüft-Quotient (THQ) sollen Auskunft darüber geben, ob jemand aus gesundheitlicher Sicht zu dick oder zu dünn ist. Was unterscheidet die beiden Werte?

BMI

  • Formel: Körpergewicht [kg] / (Körpergröße [m])²
  • Rechenbeispiel: Eine Person wiegt 65 kg und ist 1,62 m groß.
    65 kg / (1,62 m)² = 24,8, also Normalbereich
  • Soll den Körperfettanteil abschätzen
  • Fettverteilung und das Verhältnis von Fett- und Muskelmasse werden nicht berücksichtigt

THQ

  • Formel: Taillenumfang [cm] / Hüftumfang [cm]
  • Rechenbeispiel: Eine Person hat einenTaillenumfang von 75 cm und einen Hüftumfang von 100 cm.
    70 cm / 100 cm = 0,75, also Normalbereich
  • Soll den Anteil des viszeralen Bauchfetts abschätzen
  • Berücksichtigt das Fettverteilungsmuster
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IKK classic

Veröffentlicht am 29.09.2021

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