Wie ein Arzt an mehreren Fronten gegen das Virus kämpft: ein Corona-Erfahrungs­bericht

Corona hat den Alltag der Deutschen grundlegend verändert. Doch nicht viele Menschen dürften das heimtückische Virus aus so vielen Perspektiven erlebt haben wie der Arzt Dr. med. Herman Colmsee.

Der 32-Jährige Internist einer Fachklinik in München hat nicht nur regelmäßig Kontakt mit infizierten Patienten, er war auch selbst daran erkrankt. Wie viele andere Menschen, haben die Sicherheitsmaßnahmen der Regierung auch ihn getroffen: Seine ebenfalls berufstätige Frau arbeitet im Homeoffice, ihre zwei kleinen Kinder können nicht mehr in die Tagesstätte.

Als Arzt erzählt er im Folgenden von seinem Arbeitsalltag mit dem Virus, als Familienvater von den Erfahrungen im Privaten. Und als Corona-Patient von seinen Symptomen und davon, wie die Krankheit bei ihm verlief. 

Die Corona-Infektion: Von ungewöhnlichem Husten bis zur Quarantäne

Die ersten Auswirkungen des Virus hat der 32-Jährige an seinem Arbeitsplatz gespürt: "Es gab bereits im Vorfeld der ersten Fälle diverse Vorbereitungen und Vorkehrungen, da klar war, dass die Zahl der Infektionen zunehmen würde", erklärt Colmsee. Während einiger freier Tage und einer kurzen Fortbildungsreise plagte ihn plötzlich ein Husten, den er so nicht kannte. 

"Der Husten war nicht produktiv, also nicht mit Sekret verbunden. Das war ein Reizhusten, der aus den tieferen Atemwegen kam." Auch beim Sport spürte er Veränderungen, es ging alles schwerer als gewohnt. Da sich diese Symptome mit einigen von COVID-19 deckten, wandte er sich an seine Kollegen.

Zunächst hatte er sich bei seiner Arbeitsstätte rückversichert, ob in der Klinik womöglich viele Corona-Patienten hinzugekommen seien, bei denen er sich hätte anstecken können. Doch zu dem Zeitpunkt gab es dort nur vereinzelte Fälle, mit denen er zudem nicht in Kontakt stand. Schließlich stellte sich heraus: Auch ein Kollege hatte sich mit dem Coronavirus infiziert. Dann ging alles ganz schnell: Test, positives Ergebnis, Quarantäne.

Doch bei Herman Colmsee verlief die Krankheit glücklicherweise vergleichsweise mild. Bis auf den Husten hatte er keine Symptome: weder Geschmacksveränderungen, noch Fieber oder Müdigkeit plagten ihn. "Der Husten dauerte circa vier Tage", und bereits kurz nachdem er das Testergebnis erhalten hatte, waren die Beschwerden wieder vorbei.  

Es wurden zügig alle getestet, die in direktem Kontakt zu mir oder den anderen ‚Positiven‘ standen.

Wenn alle Zuhause bleiben: Homeoffice und Kinderbetreuung

Colmsee gehört damit zu jenen Menschen in Deutschland, die recht früh an Corona erkrankten. Kurz nach seiner Infektion legte die Bundesregierung strikte Richtlinien fest, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Mitte März wurden die ersten Ausgangsbeschränkungen erlassen. Unter dem Motto "Wir bleiben Zuhause" wurde dafür sensibilisiert, die eigenen vier Wände möglichst nicht zu verlassen. Arbeitsstätten schickten ihre Mitarbeiter ins Homeoffice, Kindertagesstätten machten dicht. Auch der Arzt Colmsee und seine Familie standen wie viele andere Menschen in Deutschland plötzlich vor einer großen organisatorischen Herausforderung.

Colmsee erzählt: "Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich den ganzen Tag im Krankenhaus arbeiten und meine Frau sich derweil allein um die zwei Kinder kümmern und gleichzeitig im Homeoffice arbeiten muss." Doch Zuhause erfüllten sich die schlimmsten Befürchtungen nicht. Ironischerweise kam ihm seine Virusinfektion sogar entgegen.

Denn durch die Quarantäne konnte er die Familie unterstützen: Er war nicht schwer krank, die Symptome nicht mehr akut und als er nicht mehr ansteckend war, konnte er sich um den Nachwuchs kümmern. Trotzdem wurden ihm und seiner Familie noch deutlicher bewusst, wie wichtig und unersetzlich Betreuungseinrichtungen wie Kindertagesstätten sind.  

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Sind Erkrankte nach der Genesung immun gegen das Coronavirus?

Glücklicherweise hatte sich das Virus nicht in der Belegschaft ausgebreitet, wie der Internist es eigentlich erwartet hatte. "Es wurden zügig alle getestet, die in direktem Kontakt zu mir oder den wenigen anderen ‚Positiven‘ standen." 

Und wie steht es um seine Immunisierung? "Das ist noch unklar", hält der Internist fest. Einem Test zufolge ist seine Immunität nicht gesichert. Ein Grund dafür könnte der milde Krankheitsverlauf gewesen sein. Doch auch das ist nicht sicher. Es gebe schlicht noch zu wenige Fallzahlen, die untersucht wurden, sagt Colmsee. 

"Flatten the Curve": Die Maßnahmen funktionieren

Ob das Verbot von Großveranstaltungen, Ausgangsbeschränkungen oder die Abstandsregel von 1,5 Metern: Die Maßnahmen der Regierung sollen verhindern, dass die Zahl der Neuinfektionen stetig oder gar exponentiell steigt. Und sie zeigen Wirkung. In dem Krankenhaus, in dem Colmsee arbeitet, ist die Corona-Krise nicht eskaliert. Die Welle ist nie bedrohlich geworden. "Tatsächlich", so der Mediziner, "gab es insgesamt sogar etwas weniger Arbeit als zuvor." 

Der Grund: Die planbaren Eingriffe und Untersuchungen wurden reduziert und die dadurch entstandenen Kapazitäten für Corona-Patienten freigemacht. Chirurgen und Anästhesisten wurden zum Beispiel für den Dienst im internistischen Bereich eingesetzt. Doch die Masse an Patienten blieb aus und die Kapazitäten mussten nicht in Anspruch genommen werden.

Das habe auch an den politischen Rahmenbedingungen gelegen, die in Deutschland getroffen wurden, ist Colmsee überzeugt: "Zumindest in meinem Umfeld hat seit Beginn der Vorsichtsmaßnahmen die Zahl der Patienten stetig abgenommen." Die Sensibilisierung im Umgang mit dem neuartigen Virus hat also Früchte getragen. Und wenn sich weiterhin alle an die Maßnahmen halten, bleibt das hoffentlich auch so.

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Die Behandlung von COVID-19-Patienten bleibt aufwändig

Und doch ist die Situation immer noch eine besondere Belastung, im medizinischen Bereich vor allem für die Ärzte und Pflegekräfte. Das Virus ist ständig präsent und spielt im Umgang mit Patienten und im Umfeld der Familien weiter eine große Rolle. 

Für die Behandlung als solche gibt es noch "keine kausale Therapie, wie zum Beispiel die Antibiotika bei bakteriellen Infekten, mit denen die Virus-Erkrankung behandelt werden kann", sagt Colmsee. Darüber hinaus sei der Behandlungsverlauf jedoch "nicht viel anders als bei anderen infektiösen Lungenkrankheiten." Entscheidende Änderungen bei der Arbeit haben sich durch das Bewusstsein der Pandemie ergeben: "Aktuell gilt, dass alle Patienten mit Atemnotsymptomatik oder unklarem Fieber als potentielle COVID-19-Patienten gelten und damit strenge Isolationsmaßnahmen erfordern."

Bis das Testergebnis vorliegt, darf der Patient nur von Personal in voller Schutzmontur behandelt werden. "Da geht man rein, Schutzanzug an, Maske an, Haube, Handschuhe, nach fünf Minuten wieder raus, alles ausziehen und desinfizieren. Danach kann man im Zweifel auch die normale Dienstkleidung wechseln, weil alles durchgeschwitzt ist." Im Extremfall kann das alle zehn Minuten vorkommen: "Da wurden in einer Nacht schon mal 50 Masken verbraucht."

Daran hat sich nur wenig geändert – doch zumindest konnte das Testverfahren beschleunigt werden. Jetzt werden die Erreger auch am Wochenende in den Laboren getestet, das ist zumindest eine Entlastung. "Im Optimalfall bekommen wir ein Testergebnis nach wenigen Stunden. Zuvor musste man mitunter das ganze Wochenende darauf warten." Das war eine enorme Belastung für das Krankenhauspersonal, weil in der Zwischenzeit die strikten Isolationsmaßnahmen für jeden einzelnen Verdachtsfall eingehalten werden mussten – die möglicherweise gar nicht notwendig gewesen wären. 

Was können wir aus der Corona-Krise lernen?

Was erhofft sich der Mediziner mit Blick in die Zukunft? Hier hat Colmsee besonders die Pflegekräfte im Blick: "Das Pflegepersonal freut sich, dass sie momentan im Fokus stehen. Aber eine langfristige Aufwertung, sozial und finanziell, wäre viel wichtiger." 

Der 32-jährige Arzt hat großen Respekt vor diesen Berufen: "Das könnte ich selbst nicht", stellt er fest und ergänzt: "Die körperliche und emotionale Nähe zu den unterschiedlichen Patienten ist in der Pflege in der Regel deutlich intensiver. Zudem wird stets ständige Handlungsfähigkeit im Kopf und mit den Händen erwartet und am Ende geht es meist um nicht weniger als ein Menschenleben. Das muss man erst mal aushalten.“

Pflegekräfte sollten die Anerkennung bekommen, die sie verdienen – auch nach der Corona-Krise.

Welches Fazit zieht Colmsee persönlich aus der Krise? Für ihn ist die Erfahrung eine besondere  – wie für uns alle. Ihm ist bewusst geworden, wie viel Glück Deutschland angesichts der international vergleichsweise geringen Todesfälle hatte. "Seit ich lebe, wurden wir von existenziellen Krisen verschont. Dass dies für meine Generation außergewöhnlich ist, vergessen wir sehr leicht. Die Pandemie erinnert mich daran, dass politische, wirtschaftliche und gesundheitliche Stabilität weniger selbstverständlich ist als angenommen.“ Der 32-jährige Arzt hält fest: „Sich dieser Gefahr bewusst zu werden, ist sehr lehrreich."

Dass die Krise trotz allmählicher Lockerungen bereits überwunden ist, glaubt Colmsee nicht. Und doch ist er optimistisch, dass die Deutschen die notwendigen Hygienemaßnahmen in ihren Alltag integrieren und so die Ausbreitung des Coronavirus weiter eingedämmt werden kann: "Ich glaube schon, dass es gelingen kann, durch konsequente Vorsicht, die Ansteckungsrate bis zur Entwicklung eines Impfstoffs gering zu halten."

Also: Weiterhin vorsichtig sein, Hygienemaßnahmen beachten und den Empfehlungen der Mediziner nachkommen. Dann bleibt die Kurve weiterhin flach.

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