Hyposensibilisierung – wie hilft die Allergie-Therapie?

Redaktion
IKK classic

Die Nase tropft, das Auge juckt: Allergien plagen Betroffene nicht nur mit lästigen Beschwerden, sie können auch lebensbedrohlich werden. Wem eine Hyposensibilisierung hilft, wie sie abläuft und wie lange sie dauert, erklärt eine Allergologin.

Wer von Pollenallergie betroffen ist, der wartet im Frühjahr mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf Sonne und Wärme. Denn neben Frühlingsgefühlen bescheren frisches Grün und erste Blüten Allergikerinnen und Allergikern auch mehr oder weniger ausgeprägte Krankheitssymptome.

Nahrungsmittel wie Erdnüsse oder das Gift der Wespe oder Biene stellen für einige Menschen sogar ganzjährig eine Gefahr dar. Und Nusskuchen und Co. sind verführerische Fallen für von Nussallergie betroffene Kinder.

Doch glücklicherweise gibt es Abhilfe. Denn wenn Sie etwas Geduld mitbringen, können Sie Ihr Immunsystem trainieren wie einen Muskel und ihm nach und nach beibringen, auf harmlose Alltagsreize nicht mehr mit Abwehr zu reagieren.

Was ist Hyposensibilisierung?

Bei einer Allergie reagiert das Immunsystem überempfindlich auf bestimmte Reize aus der Umgebung, auf sogenannte Allergene. Verantwortlich dafür sind Immunglobolin-E-Antikörper (IgE) im Blut, die nach Kontakt mit dem Allergen Entzündungsbotenstoffe (Histamine) ausschütten und Beschwerden auslösen.

Die Hyposensibilisierung macht sich zu Nutze, dass kleinste Mengen von Allergenen meistens keine Beschwerden verursachen. Sehr geringe Dosen eines Allergens machen das Immunsystem sogar zunehmend unempfindlich, weil der Körper lernt, anders mit den Reizen umzugehen.

Diese Behandlung ist aufwändig. Warum sie dennoch in vielen Fällen sinnvoll ist, wird klar, wenn man das große Ganze vor Augen hat: „Als Ärztinnen und Ärzte wollen wir vor allem verhindern, dass sich Allergien bei Betroffenen auf immer mehr Allergene ausweiten oder schlussendlich sogar von den oberen Atemwegen und den Bindehäuten auf die Lunge ausbreiten. Denn wenn es zu einem allergischen Asthma kommt, hat dies weitreichende gesundheitliche Konsequenzen und die Prognose verschlechtert sich erheblich“, sagt die niedergelassene HNO-Ärztin Dr. Ines Weinzierl aus Nürnberg.

Welche Allergien können behandelt werden?

Die Hyposensibilisierung wird gegen folgende Allergene eingesetzt. Klassisch und vielfach bewährt ist die Behandlung gegen Pollen.

  • Gräser-, Getreide- und Kräuterpollen

  • Baumpollen

  • Hausstaubmilben

  • Bienen- und Wespengift

  • Bestimmte Nüsse wie Erdnüsse

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Für wen ist Hyposensibilisierung sinnvoll?

Nicht alle Allergene können Betroffene im Alltag zuverlässig vermeiden – etwa Nüsse oder das Gift der Wespe oder der Biene. Wenn eine Allergiereaktion zu Atemnot führt, kann das eine große Gefahr darstellen. Dann gilt es abzuwägen, ob eine aufwändige Behandlung, die auch Risiken birgt, Erleichterung bringen kann. „Je stärker eine Patientin oder ein Patient von Symptomen betroffen ist, je höher der Leidensdruck, desto mehr profitieren sie von der Hyposensibilisierung. Daher müssen wir gut auswählen, für wen die Therapie sinnvoll ist“, so die Expertin.

Als Faustregel gilt: Wer mehr als vier Wochen im Jahr an mehr als vier Tagen starke Beschwerden hat, für den kommt eine Behandlung in Frage. Pollenallergikerinnen und -allergiker können sich nach abgeschlossener Hyposensibilisierung meist über eine unbeschwertere Frühlingszeit mit deutlich reduzierten Symptomen freuen.

Im Folgenden erfahren Sie mehr über die verschiedenen Verfahren sowie über deren Vor- und Nachteile:

Das Immunsystem trainieren – diese Verfahren gibt es

  • Die subkutane Immuntherapie (SCIT)

    Hier werden die Allergene unter die Haut (subkutan) gebracht. Das bedeutet, sie werden gespritzt und zwar relativ häufig: Alle drei Tage bis zwei Wochen, später in größeren Abständen, erfolgt der Piks, der das Immunsystem mit dem Allergentröpfchen bekannt macht – immer überwacht in einer Arztpraxis.

  • Die sublinguale Immuntherapie (SLIT)

    Hier werden die Allergene unter die Zunge (sublingual) gebracht. Betroffene legen eine Tablette unter die Zunge oder Tropfen das Allergenextrakt dorthin, und schlucken es nach kurzer Zeit. Nur die erste Anwendung findet in der Praxis statt, dann kann die Therapie selbstständig zu Hause erfolgen – in der Regel muss täglich daran gedacht werden.

  • Die orale Immuntherapie (OIT)

    Bei der oralen Therapie wird das Allergen beispielsweise ins Essen eingerührt. Die Behandlungsform ist relativ neu. Seit Ende 2020 ist sie bei Kindern und Jugendlichen ab 4 Jahren zugelassen, die an Erdnussallergie leiden. Sie senkt das Risiko auf schwere allergische Reaktionen bei zufälliger Aufnahme von Spuren der Erdnuss, heilt aber nicht vollständig.

Welches Verfahren für wen?

Auf den ersten Blick erscheint eine Behandlung, die selbständig zu Hause durchführbar ist und ohne Piks auskommt, als die bessere Wahl. Doch laut Expertin Dr. Weinzierl kann dieser Schein trügen: „Wir sehen bei der sublingualen Immuntherapie höhere Abbrecherquoten, als bei der klassischen Therapie mit Injektionen, die in der Praxis stattfindet. Denn in Eigenregie konsequent jeden Tag Tabletten oder Tropfen einzunehmen, ist nicht jedermanns Sache.“ Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen funktioniere das selten.

Wenn dann auch noch mehrere unterschiedliche Allergene behandelt werden müssen, wird die Einnahme zu Hause richtig kompliziert. Beraten Sie sich daher gut mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, welches Verfahren für Sie geeignet ist.

Wie läuft die klassische Hyposensibilisierung ab und wie lange dauert sie?

  • 1. Testphase: Die Behandlung wird in der Regel in einer Fachpraxis mit der Zusatzbezeichnung „Allergologie“ durchgeführt. Hier wird zunächst getestet, auf welche Allergene Sie allergisch reagieren. Bluttest oder Allergietests auf der Haut helfen, die Allergien einzugrenzen und zu diagnostizieren.

  • 2. Anfangsbehandlung: Dann erhalten Sie Schritt für Schritt kleine Dosen der Allergene. Dabei wird die Maximaldosis je nach Behandlung unterschiedlich schnell erreicht. Bei der subkutanen Behandlung nach mehreren wöchentlichen Spritzen in der Arztpraxis, bei den anderen Verfahren schon nach wenigen Tagen. Typischerweise sollte man damit zwei Monate vor Beginn der Allergie-Saison starten.

  • 3. Erhaltungstherapie: Haben Sie die Anfangsbehandlung ohne Nebenwirkungen überstanden, beginnt die Erhaltungstherapie. Nun wird das Immunsystem nur noch einmal pro Monat an das Allergen erinnert. Die meisten Behandlungen laufen über drei Jahre

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Die Kurzzeittherapie oder präsaisonale Immuntherapie

Wer es kurz und knapp mag, kann sich für eine Kurzzeittherapie, auch „präsaisonale“ Immuntherapie, entscheiden. Hier werden nur wenige Spritzen vor der Pollenflugsaison verabreicht. Doch auch hier muss die Behandlung in drei aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt werden.

„Wir sehen, dass der Erfolg mit regelmäßigen, konstanten Dosen nachhaltiger ist als bei der Behandlung in Intervallen wie bei der prä-saisonalen Therapie“, sagt Expertin Dr. Weinzierl. Hier ist es eine Herausforderung für die Betroffenen, vier Monate im Jahr eine Therapie einzuhalten und dann acht Monate Pause zu machen. Denn schließlich muss man dann auch wieder rechtzeitig damit beginnen – und das über drei Jahre. Für Menschen mit sehr wenig Zeit kann es jedoch eine gute Kompromisslösung darstellen.

Welche Risiken der Hyposensibilisierung gibt es?

In sehr seltenen Fällen können schwerwiegende Immunreaktionen eintreten. Starker Juckreiz, Übelkeit, Atem- und Kreislaufbeschwerden, die auch als anaphylaktischer Schock bezeichnet werden, müssen dann sofort ärztlich behandelt werden. Dies tritt aber bei gesunden Menschen sehr selten auf – Studienergebnissen zufolge nur bei 1 von 1.000 Behandlungen. Vorsorglich bleiben Patientinnen und Patienten darum nach der Allergen-Gabe noch 30 Minuten zur Überwachung in der Praxis.

Bei Menschen mit Vorerkrankungen, wie Asthma, und Menschen, die Betablocker zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einnehmen, gilt besondere Vorsicht. Besprechen Sie sich ggf. mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.

Was muss ich nach der Behandlung beachten?

  • Schonen Sie sich am Tag der Behandlung.

  • Vermeiden Sie schwere körperliche Arbeit und anstrengenden Sport.

  • Trinken Sie vor und nach der Behandlung keinen Alkohol.

  • Vermeiden Sie schwer verdauliche Mahlzeiten.

  • Planen Sie zur Überwachung der Allergiereaktionen 30 Minuten Zeit in der Praxis ein.

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Häufigere Nebenwirkungen der Hyposensibilisierung

Leichte Nebenwirkungen treten bei über der Hälfte der Behandelten auf. Diese sind:

  • Leichter Hautausschlag an der Einstichstelle

  • Allergische Reaktion wie Niesen, tränende Augen oder leichtes Asthma

  • Juckreiz und Schwellungen im Mund

  • Müdigkeit und Kopfschmerzen

Wie sind die Erfolgsaussichten einer Hyposensibilisierung?

Wer über drei Jahre so viel persönlichen Einsatz zeigt, hat natürlich auch große Hoffnungen und Erwartungen an seine Behandlung. Nachdem sie viele Betroffene begleitet hat, beurteilt die HNO-Ärztin Dr. Weinzierl die Erfolgsaussichten so: „Patientinnen und Patienten profitieren von der Behandlung durch viele Jahre an deutlich gemilderten Symptomen. Zusätzlich können wir verhindern, dass sich die Allergie ausbreitet. Das eine oder andere Nasenkribbeln und Augenjucken bei einem Frühlingsausflug, lässt sich mit der Behandlung aber nicht zu 100 Prozent ausschließen.“

Umso wichtiger ist es also, dass Sie sich zusammen mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über Ihre Beschwerden und Heilungsaussichten klar werden, bevor Sie die Behandlung beginnen.

Wirkt Hyposensibilisierung gegen Kreuzallergien?

Leider werden Pollenallergiker gelegentlich in mehrfacher Hinsicht von ihren Beschwerden geplagt: Wenn beim herzhaften Biss in einen Apfel der Gaumen kribbelt, dann kann das auch ein Symptom einer sogenannten Kreuzallergie gegen bestimmte Obst- oder Gemüsesorten sein (pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien).

Doch ob sich die Behandlung doppelt lohnt, ist nicht belegt: Studien von 2019 kamen zu dem Ergebnis, dass sich durch die Behandlung nur bei einem Teil der Behandelten Allergie und Kreuzallergie besserten. Es wird daher empfohlen, die Behandlung nur dann zu beginnen, wenn die Allergiebeschwerden der Atemwege bereits eine Behandlung nahelegen. 

Expertin Dr. Weinzierl kann Betroffenen jedoch Hoffnung machen: Sie beobachtet, dass sich häufig beide Allergien bessern.

Hyposensibilisierung bei Kindern – was ist zu beachten?

Besonders gut muss die Behandlung bei Kindern abgewogen werden. Denn auch, wenn Allergien gegen Lebensmittel wie Nüsse und Wespen- oder Bienengifte das Sicherheitsgefühl von Eltern stark belasten: Hyposensibilisierungen gegen diese Allergene sind mit hohen Risiken verbunden und müssen zum Teil daher sogar im Krankenhaus durchgeführt werden. „Bei Kindern lohnt es sich aus meiner Erfahrung, ein bis zwei Jahre abzuwarten und die Symptome zu beobachten. Denn Allergien können sich auch wieder verwachsen und es bedarf mindestens mittelschwere Symptome, also einen entsprechenden Leidensdruck der Kinder, um die dreijährige Behandlung mit Erfolg durchzuziehen“, meint Dr. Weinzierl. Wichtig ist die gute Aufklärung der Eltern. Mit Notfallsets und der Einführung in Erste-Hilfe-Maßnahmen kann das Risiko einer starken Allergiereaktion minimiert werden.

Ab einem Alter von fünf Jahren ist eine Therapie gegen die Pollen bei Kindern wirksam. Grundsätzlich sei die Hyposensibilisierung bei Kindern und Jugendlichen sehr erfolgversprechend, so Dr. Weinzierl.

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Veröffentlicht am 04.04.2023

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