Den richtigen Beruf zu finden, ist für die meisten gar nicht so einfach – schließlich geht es nicht nur darum, Geld zu verdienen, sondern im besten Fall einen Beruf zu finden, den man ein Leben lang machen möchte und in dem man gut ist. Jugendliche mit Behinderung sehen sich bei der Ausbildungssuche oft vor zusätzliche Herausforderungen gestellt. Unser Experte Raiko Joram, Gesamtschwerbehindertenvertreter der IKK classic, verrät die besten Tipps, wie Jugendliche mit Behinderung die richtige Ausbildung finden.
Die richtige Ausbildung mit Behinderung finden
Das Thema Ausbildung und Beruf ist für viele Jugendliche zentral. Doch gerade für junge Menschen mit Behinderung stellen sich oft weitere Fragen: Welche Berufsausbildung passt am besten zu meiner Lebenssituation? Und welche Möglichkeiten gibt es überhaupt? Wir sprechen mit einem Experten und geben Orientierung für Jugendliche mit Behinderung.
- Ausbildung mit Behinderung – geht das?
- Was ist der Nachteilsausgleich?
- Welche Ausbildung ist die richtige?
- Vorbereitung auf die Bewerbung
- Anlaufstellen und Beratung
- Welche Ausbildungsplätze im Handwerk eignen sich besonders?
- Die Ausbildung an die eigenen Möglichkeiten anpassen
- Schnupper- oder Vor-Praktikum
Ausbildung mit Behinderung – geht das?
Kurz und knapp: Ja, natürlich! Auch mit Behinderung ist eine reguläre Ausbildung möglich. Wenn du aufgrund deiner Einschränkungen und besonderen Bedürfnisse Anpassungen in deiner Ausbildung benötigst, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den richtigen Weg für dich zu finden. Denn: Mit dem sogenannten Nachteilsausgleich kann deine Ausbildung behindertengerecht angepasst werden.
Was ist ein Nachteilsausgleich?
Für Menschen mit Behinderungen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die dabei helfen sollen, Nachteile auszugleichen. Dazu gehören beispielsweise (Steuer-) Vergünstigungen, Parkerleichterungen, Ermäßigungen im öffentlichen Nahverkehr oder Zusatzurlaub und Kündigungsschutz am Arbeitsplatz.
Im Studium und in der Ausbildung umfassen die Nachteilsausgleiche besondere technische Ausstattung und Eingliederungshilfen während der Ausbildung. Besonders bei Prüfungen hilft der Nachteilsausgleich dabei, vergleichbare Voraussetzungen zu schaffen. Das bedeutet zum Beispiel die Anpassungen der Zeit- oder Raumsituation, der Aufgabenstellung und Verwendung von Hilfsmitteln.
Raiko Joram erklärt: „Wichtig ist zu prüfen, ob die Ausbildung an die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten angepasst werden kann. Das heißt: Welche Anforderungen stellt die Ausbildung, welche Voraussetzungen bringe ich mit und welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es durch Leistungsträger?“
Deshalb ist es auf jeden Fall wichtig, dass du dir schon vor der Suche nach einer Ausbildung überlegst, welche Berufsfelder und Arbeitsweisen für dich in Frage kommen.
Welche Ausbildung ist die richtige?
Raiko Joram betont: „Es ist wichtig, dass die jungen Menschen auf sich schauen und sich fragen: Wo liegen meine Interessen, wo meine Stärken? Tendenziell ist es so, dass größere Unternehmen meist bessere Möglichkeiten haben, auf behinderungsbedingte Einschränkungen einzugehen.
Schau doch mal hier vorbei und mach unser Quiz „Welche Ausbildung im Handwerk passt zu dir?“, um ein Gefühl für deine Interessen und Stärken zu bekommen.
Wie bereite ich mich am besten auf eine Bewerbung vor?
Das Wichtigste für eine erfolgreiche Bewerbung ist eine gute Vorbereitung. Überlege dir am besten genau, wie ein Betrieb oder Unternehmen dir entgegenkommen kann, um dir den Arbeitsalltag zu erleichtern. Das zeigt dem Betrieb nicht nur, dass du gut organisiert bist, sondern macht es auch leichter, genau die Unterstützung zu bekommen, die du brauchst.
Aber: Keine Hemmungen bei der Bewerbung! Auch Raiko Joram sagt: „Nicht lange fragen oder zögern, sondern einfach bewerben. Dann besteht die Chance, im Vorstellungsgespräch mit dem potenziellen Arbeitgeber zu besprechen, wie die Ausbildung gestaltet werden kann. Es ist wichtig, Herausforderungen wie z.B. Barrierefreiheit offen anzusprechen. Das empfehle ich jedem Auszubildenden, denn man sollte mit seiner Behinderung wirklich nicht hinter dem Berg halten“.
In jedem Fall gilt, dass du auch trotz Einschränkung mit Selbstvertrauen in ein Bewerbungsgespräch gehen solltest. Raiko Joram stellt fest: „Menschen mit einer Behinderung sind immer eine Bereicherung für ein Unternehmen und tragen mit ihren Erfahrungen und Sichtweisen zum Mehrwert bei."
Welche Ausbildungsplätze im Handwerk eignen sich besonders für Menschen mit Behinderung?
Ob eine Ausbildung im Handwerk für dich in Frage kommt, hängt neben deinen Vorstellungen und Interessen auch von deinen Möglichkeiten ab. Wenn du dich aber für einen bestimmten Handwerksberuf interessierst, gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, mit der Handwerkskammer zu klären, welche Hilfen dir eine reguläre Ausbildung ermöglichen.
Die zweite Möglichkeit ist die so genannte theoriereduzierte Ausbildung. Hier steht die Praxis im Vordergrund und der Berufsschulunterricht fällt etwas leichter. Hier findest du eine Liste der sogenannten Fachpraktiker-Ausbildungen. Diese Ausbildungen sind speziell für Menschen mit Behinderung gemacht. Hier gibt es auch eine Reihe handwerklicher Ausbildungen, wie z.B. Holzverarbeitung oder Metallbau.
Wie kann ich die Ausbildung an die eigenen Möglichkeiten anpassen?
Die Anpassungsmöglichkeiten für eine Ausbildung mit Behinderung sind vielfältig und reichen von der Schaffung einer barrierefreien Umgebung über technische Unterstützung bis hin zu flexiblen Arbeitszeiten. Aber auch alternative Kommunikationsmittel, inklusive Ausbildungsmaterialien oder Mentorenprogramme, die den Arbeitsalltag erleichtern, gehören dazu.
Schnupper- oder Vor-Praktikum
Raiko Joram empfiehlt generell jedem, vor der Ausbildung ein Praktikum zu absolvieren: „Das ist der beste Weg, um herauszufinden: Macht mir das Spaß? Schaffe ich das? Gerade für Menschen mit Behinderung ist es wichtig, sich ein bisschen ausprobieren zu können. So kann man am besten herausfinden, ob die Aufgaben, die einem gestellt werden, erfüllt werden können und welche Anpassungen notwendig sind.“
Auch dein Arbeitgeber profitiert von einem Praktikum, denn gemeinsam könnt ihr Erfahrungen sammeln, wie mit deiner Behinderung im Betrieb am besten umzugehen ist – und du hast die Chance zu zeigen, was du kannst.