Künstliche Intelligenz: Wie sie unserer Gesundheit helfen und wo sie schaden kann

Redaktion
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Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt uns in immer mehr Bereichen unseres Lebens – auch das Gesundheitswesen profitiert durch neue Möglichkeiten bei Diagnosestellung, Datenauswertung und Verwaltung. Wir klären auf, wie uns KI helfen kann, gesünder zu leben und warum man vorsichtig sein sollte, wenn man Tools wie Chat-Bots zur Selbstdiagnose einsetzt.

Künstliche Intelligenz und Digitalisierung

Die Digitalisierung verändert unsere Lebenswelt wie keine andere Entwicklung der letzten Jahre. Wichtiger Treiber: KI, kurz für Künstliche Intelligenz. Sie ist eine der entscheidenden Schlüsseltechnologien. Damit sind nicht nur Roboter gemeint, die nahezu menschlich handeln. KI durchdringt schon jetzt unseren Alltag.

Auch die deutsche Wirtschaft kann in absehbarer Zeit noch stärker davon profitieren: Laut der Initiative Intelligente Vernetzung soll der Markt für KI jedes Jahr um 25 Prozent wachsen. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll sich demzufolge allein durch Künstliche Intelligenz bis zum Jahr 2030 um 160 Milliarden Euro erhöhen – das wäre eine Steigerung um 4 Prozent. Und das ist noch eine der bescheideneren Prognosen.

Die neueste Bitkom-Studie aus 2023 zeigt, dass die Erwartungen an KI hoch sind, da bereits heute viele Menschen KI im Alltag nutzen. Die jüngste Innovation sind generative Chat-Bots wie ChatGPT. Dank riesiger Datenbank mit Milliarden von Wörtern und Parametern haben sie auf jede Frage in Sekundenschnelle eine passende Antwort.

Chancen und Risiken von KI im Gesundheits-wesen

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde und transformiert nahezu jeden Lebensbereich – spätestens seit ChatGPT und Co. auf dem Markt sind. Im Gesundheitswesen wird KI schon großflächig eingesetzt. In welchen Bereichen der Medizin KI bereits wertvolle Arbeit leistet, welche Potenziale, aber auch Risiken sich für Patientinnen und Patienten daraus ergeben, verraten die beiden KI-Experten Aljoscha Burchardt und Frank Stratmann im Video. 

Thumbail zu dem Video KI im Gesundheitswesen.
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Künstliche Intelligenz in der Medizin

Auch im Gesundheitswesen hat sich Künstliche Intelligenz zu einem nützlichen Instrument entwickelt. KI wird zwar in naher Zukunft keine Ärzte ersetzen, aber die Technologie kann die Experten unterstützen. KI-Systeme unterstützen heute schon in manchen Kliniken bei der medizinischen Diagnose.

KI-Systeme helfen bei der Diagnostik

Eine Krankheit umfassend diagnostizieren, kann ein KI-System bisher nicht – aber dem Arzt helfen, Krankheitsbilder auszumachen, auf Basis dessen er sie interpretieren kann. „Bei der Diagnose von Krankheiten kann Künstliche Intelligenz durch Mustererkennung von Röntgen- und Ultraschallbildern sowie Laborwerten schnell Vergleiche anstellen und Ergebnisse liefern, für die ein Mensch deutlich mehr Zeit und Kapazitäten aufwenden müsste“, erklärt Aljoscha Burchardt, stellvertretender Standortsprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Berlin.

KI-Systeme in der Medizin können auch dabei helfen, Tumore zu entdecken, das Risiko eines Herztodes mithilfe von Daten aus Elektrokardiogrammen einzuschätzen oder anhand von Hautbildern bestimmte Läsionen zu erkennen, indem sie Verletzungen und Unregelmäßigkeiten markieren, die auf eine Erkrankung hindeuten.

Im eHealth-Bereich werden bereits viele digitale Anwendungen durch Künstlicher Intelligenz unterstützt. „Diese Anwendungen – unter anderem in Form von Smartphone-Apps – können beispielsweise Leberflecke anhand eines selbstgemachten Fotos als gefährlich oder ungefährlich einstufen, indem dieses im Hintergrund mit einer Vielzahl eingespeister Daten verglichen wird“, so Frank Stratmann, Berater im Gesundheitswesen, der sich mit der Transformation von KI in der Medizin beschäftigt.

Sogar bei Notrufen kommen KI-Systeme schon zum Einsatz: In Dänemark "hört" ein Programm bei einem Notruf mit. Diese Künstliche Intelligenz analysiert Worte, Tonfall und Hintergrundgeräusche und kann beurteilen, ob ein Anrufer Herzprobleme hat. Das Programm lernt durch jeden Anrufer dazu und wird so immer genauer. 

Mit KI die richtige Behandlung finden

Daneben unterstützt KI-Technologien bei der Suche nach der richtigen Behandlung von Patientinnen und Patienten. Die gleiche Behandlung kann bei unterschiedlichen Personen zu anderen Reaktionen führen. Herauszufinden, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, ist enorm aufwendig. Werden allerdings diese Daten in ein KI-System eingepflegt, kann ein Arzt schneller herausfinden, welche Behandlung die richtige ist.  

Denn durch Machine Learning, also das Einspeisen einer Vielzahl von Daten unterschiedlicher Patienten und Behandlungsmethoden, erkennt ein KI-System Muster und kann diese auf jeden Einzelfall übertragen. Bei Erfolg oder Misserfolg der Behandlung bekommt die KI dann wieder neue Daten – und kann noch genauer bestimmen, welche Merkmale ein Patient für eine bestimmte Behandlung erfüllen sollte, damit diese erfolgreich verläuft. 

Wie KI in der Verwaltung unterstützt

„Außerdem hilft KI-Software bei der Planung und Organisation von Gesundheitseinrichtungen“, so Burchhardt. Zum Beispiel bei der Belegung und Verlegung von Krankenbetten oder der Planung von Operationsterminen. Ob die maschinelle Transkription von Behandlungsprotokollen,  die Analyse von Abrechnungsdaten oder die Personalplanung – übernimmt das alles die Maschine, bleibt dem Arzt mehr Zeit für den Patienten.

Laut einer Studie aus dem Jahre 2020 konnten europaweit 1,15 Millionen Stunden durch KI-Technologien im Gesundheitswesen eingespart werden.

Wünschen Sie sich eine verpflichtende Zweitmeinung von KI bei ärztlichen Diagnosen?

Umfrage des Bundesverband Digitale Wirtschaft

  • Ja: 57 Prozent

  • Nein: 22 Prozent

  • Weiß nicht: 21 Prozent

Gesünder leben mit digitaler Hilfe

Der Einsatz von eHealth, also digitaler Technologien im Gesundheitswesen, ist die eine Seite der Medaille. Welche Möglichkeiten smarte Lösungen für Ihre Gesundheitsvorsorge bereithalten, steht auf einem anderen Blatt.

Digitale Medien werden oft für die Recherche von Krankheitsbildern genutzt oder um Diagnosen besser verstehen zu können. Einer Studie des deutschen Digitalverbands Bitkom zufolge informieren sich vier von zehn Patienten vor dem Arztbesuch online. Und nach einem Arztbesuch surft sogar jeder Zweite im Netz, auf der Suche nach alternativen Behandlungsmethoden oder Medikamenten.

Wie häufig holen Sie sich vor einem Arztbesuch Informationen online ein?

Umfrage des Digitalverbands Bitkom

  • Regelmäßig: 11 Prozent

  • Manchmal: 14 Prozent

  • Selten: 17 Prozent

  • Nie: 56 Prozent

  • Weiß nicht: 3 Prozent

Selbstdiagnose mit ChatGPT: Kann das funktionieren?

Doch im Gegensatz zu Google und Co. sind generative Chat-Bots wie ChatGPT keine Suchmaschinen. Während Suchmaschinen auf Anfrage bzw. bei Texteingabe nach passenden Ergebnissen suchen und vorschlagen, kommunizieren Benutzerinnen und Benutzer bei ChatGPT über die Texteingabe mit dem Computer – ähnlich wie in einem Chat.

Vorteile der Selbstdiagnose mit ChatGPT

„Im Endeffekt hat ChatGPT bei allgemeinen Gesundheitsfragen Vorteile, da der Mensch noch einmal einen anderen Zugang zur allgemeinen Gesundheitsinformation erhält“, erklärt Frank Stratmann.

Zudem hat die Selbstdiagnose über Künstliche Intelligenz das Potenzial, bei weniger ernsthaften und selbstheilenden Erkrankungen wie Schnupfen oder Grippe schnell Ratschläge wie Hausmittel-Tipps für die Genesung zu erhalten. Das könnte somit auch einen eventuell verzichtbaren Gang zur Arztpraxis erübrigen. Beim Verdacht auf ernsthaftere Erkrankungen sollte man aber unbedingt ärztlichen Rat einholen.

Nachteile der Selbstdiagnose mit ChatGPT

Ein KI-Chat-Bot liefert nur die statistisch wahrscheinlichsten Gesundheitsinformationen und antwortet meist allgemein in Stichpunkten. Diese müssen nicht unbedingt falsch sein, aber passen in jedem Fall niemals umfänglich zum individuellen Krankheitsbild, da Chat-Bots auch Desinformationen in ihren Antworten streuen können.

Wenn ein Chat-Bot wie ChatGPT auf eine Gesundheitsfrage eine Antwort gibt, kann diese zwar als nützlich empfunden werden, allerdings könnten die Hinweise auch irritieren, sodass mehr Informationen oder eine zusätzliche Expertise zum Krankheitsbild benötigt werden.

Schließlich fehlt die menschliche Instanz, die sich ein Gesamtbild über die Lebensweise und den Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten macht und somit eine geeignete Therapieform wählt.

Tipps

So finden Sie verlässliche Gesundheitsinfos im Netz

Wenn ihre Gesundheit beeinträchtigt ist, haben viele Menschen das Bedürfnis, sich im Internet genauer über Krankheiten zu informieren. Wer dabei keinen Fehlinformationen aufliegen möchte, sollte einiges beachten. Artikel lesen

4 Tipps, wie Sie richtige Fakten von Desinformationen unterscheiden

  • 1. Kritisch hinterfragen

    Überprüfen Sie die Antwort des Chat-Bots immer hinsichtlich möglicher Widersprüche. Wie bereits erwähnt, ist ChatGPT mit einem großen Bestand an Daten aus dem Internet gefüttert – auch mit fehlerhaften oder nutzergenerierten Informationen aus Foren oder sozialen Netzwerken, die nicht ausreichend geprüft wurden. Doch präsentiert wird immer eine allgemeine Formulierung, die dennoch menschlich und emotional anmutet.

  • 2. Faktenchecks nutzen

    Normalerweise können verlinkte Quellen Hinweise darüber geben, wie verlässlich eine Information ist. Jedoch verweisen generative Chat-Bots auf keine Quellen. Um eine Information zu prüfen, können Sie parallel Ihre Frage zu Ihren Symptomen bei einer Suchmaschine mit dem Schlagwort „Faktencheck“ eingeben.

    Seriöse Quellen bei medizinischen Anliegen und Gesundheitsfragen sind beispielsweise das Robert Koch-Institut (RKI), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA).

  • 3. Quellen vergleichen

    Lieber nochmal selbst recherchieren und einen Faktencheck durchführen: Wer sich mithilfe von Sprachmodell-Kommunikationswerkzeugen über eine Krankheit informiert, betritt eine Art virtuelle Bibliothek, deren Struktur und Sortierung nicht einsehbar ist. Somit ist eine Antwort von generativen Chat-Bots immer vage, zu allgemein und kann mitunter fälschlich sein.

  • 4. Ausführliches Prompten

    Je konkreter und zielgerichteter eine Frage „gepromptet“, also formuliert und vom Chat-Bot angefordert wird, desto genauer kann die Künstliche Intelligenz darauf antworten. Doch auch hier ist äußerste Vorsicht geboten: KI denkt nicht, sondern plappert auf Basis von Wahrscheinlichkeiten wie ein stochastischer Papagei nach, was es gemäß der jeweiligen Häufigkeiten zu Ihrem gesundheitlichen Anliegen finden kann. Fragen Sie im besten Fall immer Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, wenn Sie bei Symptomen oder Ihrem Krankheitsbild auf Nummer sicher gehen möchten.

KI ist kein Ersatz für einen Arzt

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Künstliche Intelligenz das Gesundheitswesen entlasten kann, indem sie Arbeiten übernimmt, die die Auswertung von Datensätzen und Mustern beinhalten. Das spart beispielsweise Kosten in der Forschung, bei der Diagnostik oder der Verwaltung, die in der menschlichen Betreuung neue Ressourcen bieten.

Klar ist auch: Generative Chat-Bots wie ChatGPT und Co. können Ihnen bislang keine seriöse Auskunft dazu geben, welche Krankheit Sie haben und wie Sie diese behandeln können. Das erklärt Ihnen ein Arzt – wenn auch mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz. KI kann Sie jedoch womöglich dazu motivieren, Sport zu treiben, gesünder zu essen oder auf ausreichend Schlaf zu achten.

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IKK classic

Veröffentlicht am 29.04.2020

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