Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn gilt in Deutschland seit dem 1. Januar 2015. Seit seiner Einführung wurde der Mindestlohn immer wieder angepasst. Allein in diesem Jahr bereits zweimal: Anfang Januar 2022 von 9,60 Euro pro Stunde auf 9,82 Euro und dann im Juli 2022 auf derzeit 10,45 Euro. Zum 1. Oktober ist dann die dritte Erhöhung auf zwölf Euro pro Stunde geplant.
Neuer Mindestlohn:
Der gesetzliche Mindestlohn wird am 1. Oktober 2022 weiter erhöht. Wir erklären, welche Lohnuntergrenze dann vorgeschrieben ist, für wen Ausnahmen gelten, was bei Nichtbeachtung droht – und was für Arbeitgebende noch wichtig ist.
- Mindestlohn verdrängt Tarifverträge
- Negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
- Für wen gilt der neue Mindestlohn?
- Welche Ausnahmen vom Mindestlohn gibt es?
- Was gilt bei Branchenmindestlöhnen?
- Was Arbeitgebende jetzt tun müssen
- Was droht bei Missachtung des Mindestlohns?
- Mini- und Midijobs – darauf ist zu achten
Mindestlohn verdrängt Tarifverträge
Betroffen von der Maßnahme sind etwa neun bis zehn Millionen Beschäftigte. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Verkaufsangestellte und Reinigungskräfte, aber auch um Arbeitnehmende in Gastronomie und Handwerk. Die Politik verspricht sich von der gesetzlich vorgeschriebenen Anhebung des Mindestlohns unter anderem eine Kaufkrafterhöhung der unteren Einkommensgruppen. Millionen von Beschäftigten steht schließlich mehr Geld zur Verfügung. Auch der Fachkräftemangel könne durch attraktiveren Lohn abgemildert werden.
Kritiker befürchten dagegen das Ende der Tarifautonomie. Denn dass der Gesetzgeber den Mindestlohn gesetzlich festlegt, ist nicht die Regel. Normalerweise befindet eine unabhängige Mindestlohnkommission der Tarifpartner über die Höhe des Mindestlohns. Außerdem ist die Rede von einem "Jobkiller". Wenn die Bundesregierung per Gesetz die Mindestlöhne diktiere, sei das „eine gefährliche Steilvorlage für künftige Zeiten“, sagte etwa Karl-Sebastian Schulte, Geschäftsführer des Unternehmerverbandes des Deutschen Handwerks. Und weiter: „Ein gesetzlicher Mindestlohn von zwölf Euro würde fast 200 Tarifverträge verdrängen. Wir reden hier also über Bereiche, in denen Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam Vergütungen ausgehandelt haben, die aus guten Gründen nicht höher liegen, da sie andernfalls nicht tragfähig wären.“
Negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Die Mindestlohn-Erhöhung könne auch negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Schließlich sei die Situation durch Ukraine-Krieg und die Lieferkettenprobleme durch die Corona-Pandemie sehr fragil. Auch Arbeitnehmer-Vertreter sind nicht ausschließlich begeistert über den gesetzlichen Mindestlohn. „Für uns Gewerkschaften ist der Mindestlohn stets nur die zweitbeste Lösung. Wirklich gute Löhne gibt es nur mit Tarifverträgen", so etwa Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Trotzdem sei die Mindestlohnerhöhung „ein wichtiger Schritt, um Armut zu vermeiden".
Was Handwerksbetriebe bei der konkreten Umsetzung der Mindestlohnerhöhung zum Oktober 2022 beachten müssen, erklären wir hier.
Für wen gilt der neue Mindestlohn?
Bei einem Mindestlohn handelt es sich um eine verbindliche Lohnuntergrenze. Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland ist ein allgemeiner, flächendeckender Mindestlohn für ganz Deutschland und gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Arbeitgebende dürfen ihren Beschäftigten also nicht weniger zahlen als den gesetzlichen Mindestlohn.
Was gilt bei Branchenmindestlöhnen?
Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es auch noch Branchenmindestlöhne. „Der Tarifvertrag der Branche ist immer vorrangig“, erklärt Stefan Jung, unabhängig von der gesetzlichen Regelung. „Wenn im Tarifvertrag ein höherer Mindestlohn festgeschrieben wird, gilt natürlich der. Wenn ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird, muss er in ganz Deutschland angewendet werden.“ Zu den betroffenen Branchen zählen auch zahlreiche Handwerksberufe, etwa das Dachdeckerhandwerk, das Elektrohandwerk oder das Maler- und Lackierhandwerk. Eine ständig aktualisierte Übersicht über Branchen-Mindestlöhne finden Sie auf der Website des Zoll.
Was Arbeitgebende jetzt tun müssen
Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns tritt zum 01.10.2022 in Kraft. „Dementsprechend müssen alle Arbeitgebenden ihre Arbeitsverträge und das Entgelt anpassen“, so Stefan Jung. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten bei Gehaltsbeziehern und Stundenlöhnern überprüfen, ob sie den neuen Mindestlohn einhalten und ob sie die Arbeitsverträge anpassen müssen. Bei Fragen können Innungsbetriebe bei ihrer Kreishandwerkerschaft eine kostenlose Rechtsberatung in Anspruch nehmen, erklärt Experte Stefan Jung.
Zahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Prämien oder sonstige Gehaltsextras sind dem Arbeitsentgelt hinzuzurechnen. Eine Auflistung aller berücksichtigungsfähigen Zulagen gibt der Zoll auf seiner Website.
Besondere Vorsicht gilt auch bei Subunternehmern: Denn das Mindestlohngesetz schreibt die sogenannte Generalunternehmerhaftung vor. Bezahlt also ein beauftragtes Unternehmen seinen Mitarbeitenden zu wenig, ist im Zweifel der Auftraggebende verantwortlich.
Was droht bei Missachtung des Mindestlohns?
Zuständig für Überwachung der Einhaltung des Mindestlohns ist in Deutschland der Zoll. Wer den Mindestlohn unterschreitet, dem drohen bis zu 500.000 Euro Bußgeld, Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und gegebenenfalls der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.
Mini- und Midijobs – darauf ist zu achten
Die Anpassung des Mindestlohns hat auch Auswirkungen auf sogenannte Mini- und Midijobs. „Die Geringfügigkeitsgrenze wird zum 01.10.2022 von 450 Euro auf 520 Euro angehoben“, erklärt Stefan Jung. Hier sollten die Verträge überprüft werden. Die 520 Euro-Grenze wird zukünftig mit Erhöhung des Mindestlohnes angepasst bzw. dynamisiert.
Bei Minijobs sollten Unternehmen besonders auf die maximal mögliche Stundenzahl im Monat achten. Arbeitgebende, die ihren Minijobbern den Mindestlohn zahlen und die die monatliche Verdienstgrenze für Minijobs in Höhe von derzeit 450 Euro ausschöpfen, müssen die Arbeitszeit nach unten anpassen. Arbeitnehmer dürfen bei der neuen Grenze noch maximal 43,33 Stunden pro Monat arbeiten. Durch die Erhöhung des Stundenlohns könnte die Beschäftigung sonst sozialversicherungspflichtig werden.
Durch die Anhebung des Mindestlohnes wird die Einkommensgrenze für Personen im Übergangsbereich (Midijobs) von 1.300 € auf 1.600 € angehoben. Beschäftigte, die zum 30.09.2022 sozialversicherungspflichtig gemeldet sind und deren Arbeitsentgelt zwischen 450,01 € und 520,00 € liegt, werden bis zum 31.12.2023 weiterhin als versicherungspflichtig Beschäftigte betrachtet. Ab dem 01.01.2024 wird dieser Personenkreis als Minijobber angesehen.