Frau mit Schild mit Ukraineflagge auf Brust arbeitet im Büro

Ukrainische Mitarbeitende einstellen: Was müssen Arbeitgebende beachten?

Unzählige Menschen aus der Ukraine haben ihr Land verlassen. Viele von ihnen wollen unter anderem in Deutschland arbeiten und sich ein neues Leben aufbauen. Welche Chancen bietet das für Arbeitgebende und worauf sollten Sie achten, wenn Sie ukrainische Geflüchtete einstellen wollen? Ein Überblick.

Mehr als 760.000 Menschen aus der Ukraine sind wegen des Krieges nach Deutschland geflohen. Das geht aus einer Auswertung des Ausländerzentralregisters (AZR) des Bundesverwaltungsamts vom Mai 2022 hervor. Und wahrscheinlich sind es noch mehr: Einige halten sich derzeit ohne Registrierung in Deutschland auf, da der Aufenthalt ohne Visum möglich ist.

Viele der Geflüchteten wollen langfristig in Deutschland leben und arbeiten. Die Chancen stehen gut: Viele deutsche Firmen sind derzeit auf der Suche nach Arbeitskräften.

Welche bürokratischen Hürden gibt es?

Doch obwohl sich die EU-Staaten am 3. März 2022 geeinigt haben, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine schnell und unbürokratisch aufzunehmen, gibt es noch einige – vor allem bürokratische – Herausforderungen. Und zwar sowohl für die ukrainischen Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber. Kristian Glowe, Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht, betont: „Es bleibt dabei, dass vor Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei der Ausländerbehörde ein Aufenthaltstitel beantragt werden muss, der auch die Erwerbstätigkeit gestattet.“

Ein weiteres Problem sind fehlende Sprachkenntnisse. Das liegt vor allem daran, dass die von den Behörden und Hilfsorganisationen angebotenen Sprach- und Integrationskurse ausgebucht und überlastet sind.

Die größte Schwierigkeit liegt laut Glowe aber bei der Anerkennung der Berufsqualifikationen: "Vor allem in Bereichen, in denen der Abschluss für die Tätigkeit zwingend ist.“ Das Verfahren ist komplex und oft fehlen Geflüchteten wichtige Unterlagen und Nachweise.

Neben Abschlusszeugnissen und -urkunden müssen hier viele weitere Dokumente, wie zum Beispiel Eheurkunden und Arbeitszeugnisse, im Original vorgelegt werden. Diese sind aber oft bei der Flucht nicht mitgenommen worden. Häufig sind die Unterlagen sogar zerstört oder unauffindbar. „Eine Ersatzausstellung ist in der derzeitigen Lage auch meist nicht möglich“, so Glowe. Das führt dazu, dass sich die Anerkennung der Abschlüsse verzögert oder die Arbeitnehmenden die Qualifikation erneut erwerben müssen.

Wir haben für Sie zusammengetragen, was Firmenchefinnen und -chefs von Mitarbeitenden aus der Ukraine beachten sollten und welche Regelungen gelten. Denn es lohnt sich, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen: „Es bietet sich die Chance, neue Ideen und Ansätze für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Mitarbeitende aus dem Ausland haben oft ganz andere Ausbildungen, Erfahrungen und Ideen“, so Glowe.

Fragen und Antworten zur Krankenversicherung für Geflüchtete aus der Ukraine

Zur Solidarität mit den vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteten Menschen gehört auch der Anspruch auf eine medizinische Versorgung.

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Müssen ukrainische Geflüchtete einen Asylantrag stellen?

Einen Asylantrag müssen Geflüchtete aus der Ukraine nicht stellen. Das ergibt sich aus der Massenzustrom-Richtlinie. Auf entsprechenden Antrag erhalten Geflüchtete aus der Ukraine demnach eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz. Das nennt man eine „Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz“. Asylanträge können zwar gestellt werden, aber die Verfahren ruhen während der Zeit der Aufenthaltserlaubnis.

Wie bekommen Geflüchtete einen Aufenthaltstitel?

Seit dem 3. März 2022 erhalten Ukrainerinnen und Ukrainer schnell Zugang zu Sozialhilfen und einer Arbeitserlaubnis. Dazu wurde die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie der EU aktiviert, die Deutschland durch § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltG) in deutsches Recht umsetzt. Geflüchtete aus der Ukraine können so schnell und ohne Einzelfallprüfung einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten, der zunächst bis zu ein Jahr gilt. Er kann auf drei Jahre verlängert werden.

Ist eine Anerkennung von Abschluss oder Ausbildung nötig?

Schutzsuchende aus der Ukraine können mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG oder der entsprechenden vorläufigen Bescheinigung – die sogenannte Fiktionsbescheinigung – und der darin enthaltenen Arbeitserlaubnis in vielen Berufen sofort starten. Die Erlaubnis gilt für alle nicht-reglementierten Berufe. Dazu gehören beispielsweise Kaufmann oder Kauffrau für Büromanagement oder auch akademische Berufe wie Biologin und Biologe.

Menschen aus der Ukraine sollten hier darauf achten, dass im Aufenthaltstitel und der Fiktionsbescheinigung der Zusatz "Erwerbstätigkeit gestattet" enthalten ist. Denn die Haftung des Arbeitgebers für "illegale Beschäftigungen" besteht auch, wenn der Aufenthaltstitel fälschlicherweise die Erwerbstätigkeit nicht gestattet hat. Daher sollten die Arbeitgeber dies vor Aufnahme der Tätigkeit kontrollieren und dokumentieren – ansonsten drohen hier Haftungsrisiken und insbesondere empfindliche Bußgelder.

Anders sieht es bei reglementierten Berufen aus: Hier ist die Anerkennung für Tätigkeiten erforderlich. Reglementierte Berufe sind rechtlich geschützt, beispielsweise im Bereich Pflege, Gesundheit und Erziehung. Hier finden Sie detaillierte Informationen dazu.

Unser Seminarangebot

Sie wollen mehr dazu erfahren, was Sie bei der Einstellung von Mitarbeitenden aus der Ukraine beachten sollten? Dann besuchen Sie unser Seminar am 22.09.2022 „Beschäftigte aus dem Nicht-EU-Ausland (Schwerpunkt Ukraine)“.

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Ist eine Anstellung als Minijobber möglich?

Schutzsuchende aus der Ukraine können grundsätzlich problemlos einen Minijob ausüben. Dazu muss der oder die Arbeitnehmende bei der Minijob-Zentrale angemeldet werden. Erhält der Minijobber Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), entfällt der Beitrag zur Krankenversicherung, weil anerkannte Flüchtlinge nicht gesetzlich krankenversichert sind. Allerdings ist auch hierfür eine Gestattung der Erwerbstätigkeit im Aufenthaltstitel erforderlich.

Eine Besonderheit besteht bei der sogenannten kurzzeitigen Beschäftigung, also bei einer 70-/90-Tages- beziehungsweise Drei-Monats-Grenze. Diese gilt, wenn der Verdienst über 450 Euro hinausgeht (ab 1. Oktober 2022: 520 Euro). Hier ist bei den Geflüchteten die Einschränkung, dass die Tätigkeit nur gelegentlich und "nicht berufsmäßig" ausgeübt werden darf, oft problematisch. Denn anders als bei deutschen Arbeitnehmenden soll diese Tätigkeit den dauerhaften Lebensunterhalt sichern. Hier muss also, wenn die Abrechnung als Minijob erfolgen soll, begründet  werden, warum trotzdem keine berufsmäßige Tätigkeit anzunehmen ist.

Wie können Arbeitgebende eine gute Integration fördern?

Arbeitgebende können durch innerbetriebliche Angebote helfen und somit die Integration fördern. So können zum Beispiel aus der Ukraine oder aus Osteuropa stammende Mitarbeiter helfen, die Fachsprache zu vermitteln und auch in anderen Bereichen unterstützend zur Seite stehen. Helfen können auch spezialisierte Beratungsstellen und Vereine mit sogenannte Sprach- oder Kulturmittlern. Diese sind speziell geschult, bei kulturellen Differenzen zu vermitteln.

Unterstützen können die Arbeitgebenden zudem bei der Anerkennung der Berufsqualifikationen. Hier hilft es oftmals schon sehr, wenn man die Anträge gemeinsam bearbeitet. Auch ein Kontakt zur zuständigen Stelle kann das Verfahren beschleunigen.

Daneben kann der Arbeitgebende auch – wie im klassischen Angebot des "Relocation Service" – die Geflüchteten außerhalb der Arbeit unterstützen. Beispielsweise durch Hilfe bei der Wohnungssuche oder bei der Integration der Kinder durch Kita-Plätze. Außerdem kann das Unternehmen den Beschäftigten auch finanziell unter die Arme greifen. Vorstellbar sind Darlehen oder Vorschüsse, etwa für Kosten beim Umzug oder bei der Berufsanerkennung.

Um den Beschäftigten die Arbeit einfacher zu machen, sollten Verträge und Hinweise ins Englische, Russische, Ukrainische übersetzt werden. Bei Verträgen sollte dann aber darauf geachtet werden, dass die deutsche Sprachfassung die verbindliche ist.

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Mehr Infos für Firmenkunden

Hilfe im Netz: Diese Stellen unterstützen bei der Einstellung von ukrainischen Geflüchteten

  • Die Agentur für Arbeit bietet wichtige Informationen für Geflüchtete. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber melden sich am besten beim Jobcenter ihrer Stadt. Auch der Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit und die IQ Netzwerke sind gute Anlaufstellen.

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  • Das Portal „Job Aid Ukraine“ unterstützt Geflüchtete bei der Suche nach einem passenden Job. Auch für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gibt es hier wichtige Informationen in Form eines FAQ.

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  • Ähnlich funktioniert das Jobportal „UA Talents“ Hier gibt es wichtige Infos zur Vermittlung und Beschäftigung von ukrainischen Geflüchteten.

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  • Eine der wichtigsten Anlaufstellen zudem die Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Dort findet man Hilfe zu Fragen rund um Schule, Ausbildung, Studium, Arbeit und Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Deutschland. 

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Online-Seminar „Beschäftigte aus dem Nicht-EU-Ausland (Schwerpunkt Ukraine)“

Sie wollen mehr zum Thema erfahren? Die IKK classic bietet Ihnen mit dem Seminar „Beschäftigte aus dem Nicht-EU-Ausland (Schwerpunkt Ukraine) “ am 22.09.2022 Hilfestellung, um Stolpersteine bei der Beschäftigung von Ukrainerinnen und Ukrainern zu erkennen und unnötige Probleme von vorherein zu vermeiden. Neben rechtlichen Aspekten enthält das Seminar auch viele wertvolle Tipps zur Vertragsgestaltung und Zusammenarbeit mit ausländischen Mitarbeitenden, nicht nur aus der Ukraine.

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