Wertschätzung im Handwerk – Der unterschätzte Motivator

Redaktion
IKK classic

Wertschätzendes Verhalten ist nicht nur für die Gesundheit, sondern auch zur Motivation von Mitarbeitenden essenziell. Führungskräfte und Betriebsinhabende können von gelebter Wertschätzung und Respekt wesentlich profitieren. Welche positiven Auswirkungen Wertschätzung haben kann, wie Sie Anerkennung zeigen können und wie eine Expertin das Thema Wertschätzung im Handwerk beurteilt, lesen Sie hier.

Wertschätzung als Mitarbeitermotivation? Durchaus! Die Anerkennung guter Leistungen zeigt sich im Arbeitsleben mittlerweile nicht mehr nur im Management internationaler Großkonzerne. Es findet ein Umdenken statt, auch im Handwerk. Und so begegnen Chefinnen und Chefs, Meisterinnen und Meister ihren Mitarbeitenden zunehmend mit einer neuen, zugewandten Haltung. Nicht mehr der oder die Mitarbeitende als Ressource steht im Vordergrund, sondern der Mensch.

Im Rahmen des Projekts „e-Regiowerk“ hat die IKK classic zusammen mit der Universität Hamburg eine Studie durchgeführt, über deren Ergebnisse rund ums Thema Wertschätzung die Studienleiterin der Universität Hamburg, Dr. Christine Busch, berichtet.

Was bedeutet Wertschätzung?

„Wertschätzung bedeutet, den anderen in seiner ganzen Person positiv zu bewerten bzw. zu sehen“, erläutert Dr. Christine Busch, Studienleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie in Hamburg. „Wertschätzung ist eine innere Haltung gegenüber anderen Menschen, die sich im Fühlen, Denken und Handeln zeigt. So kann sich Wertschätzung in Gestik und Mimik äußern: in einem Lächeln, einer zugewandten Körperhaltung oder direktem Augenkontakt.“

Was heißt Wertschätzung also konkret? Im Arbeitsalltag hat sie viele Facetten und zeigt sich zum Beispiel auch in:

  • regelmäßiger Rückmeldung und Feedback zu Arbeitsergebnissen

  • konstruktiver Klärung und Lösung von Problemen

  • Förderung von Empathie durch regelmäßige Teamsitzungen

Wertschätzung heißt auch, Mitarbeitenden zu zeigen, dass ihre Arbeit für das Unternehmen Wert besitzt. Diese Anerkennung kann zum Beispiel durch ein vor den Kolleginnen und Kollegen offen ausgesprochenes Lob oder ein gemeinsames Essen als Dank für ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt zum Ausdruck gebracht werden.

„Wertschätzung zeigt sich im Handeln, wenn der Chef Beschäftigten mehr Verantwortung, Autonomie in Arbeitsabläufen und soziale Unterstützung zukommen lässt. Wertschätzung zeigt sich, wenn Vorschläge aufgegriffen werden und die individuelle Lebenssituation berücksichtigt wird, z. B. wenn ein Elternteil pflegebedürftig wird und Beschäftigte mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit benötigen“, so die Expertin.

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Warum ist Wertschätzung für die Gesundheit so wichtig?

Wertschätzung und Gesundheit gehören untrennbar zusammen. Gesundheit – das bedeutet schließlich nicht nur die Abwesenheit von Krankheit. Körper, Geist und Psyche sind eng miteinander verwoben. Gerade im Handwerk, das für die Menschen meist mit viel körperlicher Arbeit verbunden ist, kommt der Blick auf die Psyche der Mitarbeitenden oft noch etwas zu kurz.

Gesundheitsförderung im Betrieb erfasst daher nicht nur die Prävention von Rückenschmerzen oder Knieleiden. Ein Handwerker braucht für sein Wohlbefinden auch psychischen Zuspruch in Form von Anerkennung und emotionaler Unterstützung. Er muss Kraft und Energie tanken, sollte mit Spaß bei der Arbeit sein und sich als Teil eines Teams begreifen, dessen Mitglieder einander helfen, statt miteinander zu konkurrieren.

Ein wertschätzendes Betriebsklima unterstützt dies. Mitarbeitende, die Wertschätzung und Respekt erfahren, erkranken nachweislich seltener an psychosomatischen Beschwerden und Vorstufen eines Burn-outs.

Wie können Arbeitgebende und Führungskräfte von Wertschätzung profitieren?

Fachkräftemangel, Nachwuchssorgen, Kampf um Nachwuchstalente – es gibt viele Begriffe für eines der Hauptprobleme im Handwerk. Die Chefinnen und Chefs der Unternehmen grübeln, wie sie Nachwuchs und motivierte Mitarbeitende für sich gewinnen können, greifen dann aber doch meist zu den immer gleichen Mitteln: Lohnerhöhung, Bonus, finanzielle Extras. Doch mit Geld lässt sich nicht alles lösen. Der monetäre Effekt verpufft schnell und die kurzzeitig erzeugte Motivation gilt dann eher der Erreichung des Bonus, als den Interessen der Firma.

Dabei kann es so einfach sein: Boni sind gut, doch Boni plus Wertschätzung sind besser! Der Zusammenhang ist leicht herzustellen und leuchtet jedem ein: Wer seine Mitarbeitenden wertschätzend und wohlwollend behandelt, legt den Grundstein für ein gutes Betriebsklima. Und wenn Mitarbeitende sich in ihrem Unternehmen wohlfühlen, sind sie psychisch bereit und körperlich imstande, ihre Aufgaben überdurchschnittlich gut zu erledigen, denn sie sind motivierter und zeigen ein entsprechend höheres Arbeitsengagement.

Mit der Zufriedenheit der Menschen wächst zudem auch ihre Bindung ans Unternehmen. Förderlich ist – neben der Wertschätzung durch die Vorgesetzten – auch der wertschätzende Umgang der Kolleginnen und Kollegen untereinander. Die Überzeugung, sich gemeinsam den Herausforderungen des Arbeitsalltags zu stellen und an einem Strang zu ziehen, fördert den starken Zusammenhalt der Menschen im Team (Teamgeist, Wir-Gefühl).

„Wertschätzung im Betrieb fördert nicht nur die mentale Gesundheit, sondern auch die Leistungsmotivation. Beschäftigte, die sich gesehen und wertgeschätzt fühlen, sind bemüht, dem Betrieb etwas zurückzugeben“, erläutert Dr. Christine Busch. „Wertschätzung ist dabei – neben dem Gehalt und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten – die zentrale Belohnung für geleistete Anstrengungen der Beschäftigten. Handwerksbetriebe sind oftmals Kleinbetriebe und können nicht Gehälter wie mittelständische oder Großunternehmen zahlen. Daher ist Wertschätzung im Handwerk ein wichtiger Lohn für die Beschäftigten.“

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Wie können Führungskräfte wertschätzendes Verhalten lernen?

„Wertschätzung fängt bei der inneren Haltung an“, erklärt Dr. Christine Busch. „Führungskräfte können sich zum Beispiel in einem Coaching mit ihrer Haltung zu Wertschätzung beschäftigen. Was sind ihre Motive, Wertschätzung zu leben? Was hinderte sie bisher daran, sie zum Ausdruck zu bringen? Wenn die Haltung stimmt, kommt das wertschätzende Verhalten von alleine.“

Es mag überraschen, aber Führungskräfte können wertschätzendes Verhalten auch von ihren eigenen Mitarbeitenden lernen:

  • Montagmorgens gibt es lange Gesichter? Dann fragen Sie die Mitarbeitenden doch mal ganz offen, was im Unternehmen geändert werden müsste, damit sie morgens gern zur Arbeit kommen. Alternativ können Sie ein entsprechendes Meinungsbild aber auch in Form einer anonymen Umfrage einholen.

  • Setzen Sie sich oft im Team zusammen. Erarbeiten Sie gemeinsam Arbeitsplatzbeschreibungen. Definieren Sie gemeinsam, wie sinnvolle Arbeit und Unternehmensziele aussehen könnten. Analysieren Sie gemeinsam bestehende Prozesse und optimieren Sie die jeweiligen Arbeitsbedingungen. Das Gefühl, eingebunden zu werden und etwas bewirken zu können, stärkt das Wir-Gefühl innerhalb der Belegschaft ebenso wie zwischen Mitarbeitenden und Chefs.

Die Säulen der Wertschätzung

Illustration zum Thema Wertschätzung, Gesunde Führung
  • Soziale Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen, Familie und Freunde hilft den Menschen, Stress deutlich zu reduzieren. In stressigen Zeiten sollten die Mitarbeitenden Rückhalt und emotionale Unterstützung auch bei der Chefin oder beim Chef finden.

  • Wertschätzendes Feedback in Form von authentischer, ehrlicher und respektvoller Rückmeldung – sowohl zu den Arbeitsergebnissen von Mitarbeitenden als auch zu ihrer Person.

  • Information: Die Mitarbeitenden müssen umfassend mit allen notwendigen Informationen versorgt werden, um ihre Aufgaben effektiv erledigen zu können.

  • Partizipation: Die Mitarbeitenden sollten ihre Arbeitsbedingungen (z. B. Arbeitsplatz, -aufgaben und -organisation) mitgestalten können.

  • Interesse durch Präsenz und aktives Zuhören: Ein echtes Interesse an den eigenen Mitarbeitenden sollte selbstverständlich sein und ist Grundvoraussetzung für gute Führung. Die Chefin oder der Chef sollte stets ansprechbar sein und sich regelmäßig nach dem Befinden der Mitarbeitenden erkundigen.

In Zeiten, in denen starre Strukturen zu Recht in Frage gestellt werden, gibt es dennoch gerade im Handwerk weiterhin Unternehmen, die sich streng an Hierarchien orientieren. Die stärkere Einbindung von Mitarbeitenden durch Information und Partizipation mag dort vereinzelt als Führungsschwäche ausgelegt werden.

Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall: Beteiligung der Mitarbeitenden erfordert sogar ein besonders hohes Maß an Führungskompetenz, da den Menschen Vertrauen geschenkt und wichtige Aufgaben übertragen werden. Doch es lohnt sich, denn es führt zu Akzeptanz und Unterstützung von Veränderungen im Unternehmen und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

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Informationen zur e-RegioWerk-Studie

Ziel des Projekts e-RegioWerk war es, Handwerksbetriebe mit wirksamen, innovativen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu erreichen. Neben einem Coaching für Betriebsinhabende und deren Lebenspartnerinnen und -partner wurde ein Online-Analysewerkzeug sowie eine Prozess- und Teamentwicklung erarbeitet. Die anschließende Studie, die von der IKK classic und der Universität Hamburg durchgeführt wurde, war Teil des Projekts.

Was ist das Ergebnis der Studie?

Dr. Christine Busch: „Es nahmen über 60 Betriebe mit ihren Beschäftigten an der Studie teil. Es zeigten sich zum einen Verbesserungen bei der Durchführung effektiver Teamsitzungen. Zum anderen verbesserte sich die gegenseitige Perspektivübernahme und Wertschätzung im Betrieb sowie die Arbeitszufriedenheit. Die Ergebnisse waren signifikant."

Gab es ein Ergebnis aus der Studie, das Sie verblüfft hat?

Dr. Christine Busch: „Ich fand es toll, wie viele Betriebsinhabende sich bereit erklärten, an der Studie teilzunehmen und wie offen sie gegenüber innovativen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sind.“

Drei Praxistipps für Wertschätzung im Handwerk

Aus der Studie leitet Dr. Christine Busch folgende Praxistipps für Führungskräfte im Handwerk ab:

  • Wertschätzung leben und zeigen lohnt sich.

  • Teamsitzungen immer mit Ergebnissen enden lassen.

  • Psychische Gesundheit zählt und zahlt sich aus.

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IKK classic

Veröffentlicht am 22.11.2022

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