Berufswünsche von Kindern: Wie Eltern Einfluss nehmen können, ohne zu drängen

Redaktion
Sven von Thülen

Kinder träumen groß – und oft ganz praktisch: Sie wollen bauen, helfen, gestalten. Handwerkliche Berufe treffen diesen Nerv. Doch mit dem Älterwerden ändert sich oft der Blick aufs Arbeitsleben. Warum? Und wie können Eltern ihre Kinder sinnvoll bei der Berufswahl begleiten?

Viele Kinder träumen von Berufen, die ihre Sinne ansprechen: Sie entdecken die Welt mit den Händen und wollen anpacken. Sie freuen sich, wenn sie etwas Neues erschaffen – klassische Handwerksberufe also.

Doch im Lauf der Schulzeit verschiebt sich der Fokus. Dafür gibt es viele Gründe: Neue Interessen kommen hinzu. Das Weltbild und der eigene Horizont verändern sich. Häufig raten auch Eltern eher zum Studium als zur Ausbildung. Meistens sind diese Ratschläge gut gemeint. Doch nicht immer sind sie die richtige Entscheidung. 

Wir zeigen, wie sich Berufswünsche entwickeln und warum das Handwerk wieder an Attraktivität gewinnt. Außerdem erklären wir, wie Eltern ihren Kindern Orientierung geben können, ohne sie in eine bestimmte Richtung zu drängen.

Wie entstehen Berufswünsche?

Kinder entwickeln ihre Berufswünsche anders als Erwachsene. Bei Erwachsenen stehen meist rationale Gründe, persönliche Interessen und das Wissen über verschiedene Berufe im Vordergrund. Kinder denken anders. Sie ordnen die Berufswelt viel einfacher und stärker nach äußeren Merkmalen.

Kinder beobachten ihre Umgebung genau und greifen auf, was ihnen spannend oder bedeutungsvoll erscheint: die Feuerwehr, die Ärztin, der Bauarbeiter. In Rollenspielen probieren sie sich aus und entwickeln ihre Vorstellungen davon, was sie später einmal werden wollen.

Medien, Vorbilder aus dem Alltag und Gespräche in der Familie prägen diese frühen Ideen mit. Doch je älter Kinder werden, desto mehr verändert sich ihr Blick auf Berufe. Interessen verfeinern sich, neue Erfahrungen kommen dazu. Auch schulische Leistungen, Erwartungshaltungen im persönlichen Umfeld und gesellschaftliche Trends spielen dabei eine Rolle. Berufswünsche sind also kein fester Plan, sondern ein Prozess.

Berufswünsche entwickeln sich in vier Phasen

Die amerikanische Psychologin und Intelligenzforscherin Linda Gottfredson unterteilt die Entwicklung in vier Phasen.

  • 1. Phase: Kennenlernen

    Prof. Dr. Julian M. Etzel von der Charlotte Fresenius Hochschule in Hamburg, dessen Forschungsschwerpunkt unter anderem die Entiwcklung beruflicher Interessen ist, erklärt: „Im Alter von etwa drei bis fünf Jahren werden alle Berufe, die ein Kind so kennt, als positiv angesehen.“ 

  • 2. Phase: Entwickeln

    Später (zwischen sechs und acht Jahren) spielt das eigene Geschlecht eine große Rolle – Kinder bevorzugen Berufe, die sie als typisch für Jungen oder Mädchen wahrnehmen.

  • 3. Phase: Sozialer Einfluss

    Im Alter von neun bis 13 Jahren kommt dann ein Bewusstsein für soziale Unterschiede hinzu.

  • 4. Phase: Selbstfindung

    Ab etwa 14 Jahren beginnen Jugendliche, sich selbst und ihre Fähigkeiten besser einzuschätzen und realistischere Berufsziele zu entwickeln. „Es ist kein Zufall, dass sich genau zu dieser Zeit auch die beruflichen Interessen festigen“, sagt Prof. Etzel.

Welche Rolle spielen Vorbilder beim Berufswunsch?

Ein anderes Modell, das Ginzberg Modell, beschreibt, dass Kinder zunächst fantasievolle Wunschberufe haben, die später nach und nach durch realistischere ersetzt werden. In einer aktuellen Studie mit Kindern zwischen sieben und neun Jahren zeigte sich, dass viele Jungs zunächst Fußballer oder YouTuber werden wollten – mit zunehmendem Alter wurden diese Wünsche seltener.

„Interessanterweise wurden in dieser Studie als berufliche Vorbilder fast ausschließlich Familienmitglieder genannt (und nicht etwa Ronaldo, Messi oder YouTube Stars). Also ja: Natürlich sind Rollenvorbilder sehr sehr wichtig – insbesondere in der eigenen Familie“, erklärt Prof. Etzel.

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Zwischen Förderung und Einmischung: Der Einfluss von Eltern auf den Berufswunsch des Kindes

Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Dazu gehört für viele eine gute Ausbildung und ein Job, der finanzielle Sicherheit und Stabilität verspricht. Deshalb ist es verständlich, dass sie früh mitdenken, wenn es um die Zukunft ihrer eigenen Kinder geht.

Studien zeigen, dass Eltern durch ihre eigenen Wertvorstellungen und Prioritäten einen erheblichen Einfluss auf die Berufswahl ihrer Kinder haben. Das kann bereichernd sein – etwa durch Vorbilder oder realistische Einschätzungen.

„Das mit Abstand Beste, was Eltern für die berufliche (aber auch die gesamte) Entwicklung ihrer Kinder tun können, ist, die Kinder in all ihren Vorhaben zu unterstützen und zu bekräftigen. Sicherlich gibt es dabei Grenzen, die gesetzt werden müssen. Aber die größtmögliche Unterstützung für Kinder sind Eltern, die einem das Gefühl vermitteln, dass man genug ist und dass man so toll ist, wie man ist“, erklärt Prof. Etzel.

Problematisch wird es, wenn Kinder das Gefühl haben, Erwartungen erfüllen zu müssen und ihre eigenen Interessen in den Hintergrund rücken. Besonders Berufe, die keine akademische Ausbildung erfordern, werden oft unterschätzt. Dabei sind es gerade diese Tätigkeiten, die vielen Kindern zunächst besonders nahe liegen: das Bauen, Basteln, Reparieren, Pflegen oder Gestalten.

Tipps für eine offene Berufsorientierung

Damit Kinder ihren eigenen Weg finden können, brauchen sie vor allem eines: Zeit und Raum zur Entfaltung. Eltern können das mit einfachen Mitteln unterstützen:

  • Interessen ernst nehmen:

    Wenn ein Kind begeistert von Müllabfuhr oder Baggern spricht, ist das kein „Kinderkram“, sondern echtes Interesse. Wer fragt, zuhört und nachhakt, lernt viel über die Stärken und Wünsche seines Kindes.

  • Vielfalt zeigen:

    Praktika, Besuche in Werkstätten oder bei Freunden im Betrieb eröffnen neue Perspektiven. Je mehr Berufe Kinder kennenlernen, desto klarer wird, was wirklich zu ihnen passt.

  • Erfahrungen ermöglichen:

    Ob Schulgarten, Werken oder Ferienjob – praktische Erfahrungen stärken das Selbstvertrauen und lassen Talente erkennen, die im Klassenzimmer oft verborgen bleiben.

  • Neutral bleiben:

    Statt zu bewerten („Damit verdient man doch nichts!“) hilft es, Fragen zu stellen: „Was gefällt dir daran?“, „Was möchtest du dabei machen?“ – so entwickeln Kinder ein reflektiertes Bild ihrer Vorstellungen.

„Um Kindern ein möglichst gutes, selbstbestimmtes Erkunden der Arbeitswelt zu ermöglichen, gibt es zahllose Möglichkeiten. Das fängt an beim Vorlesen im Kleinkindalter.“ In Bibliotheken oder Buchhandlungen gibt es Bücher, die eine möglichst breite Palette an Berufen abdecken. Das gleiche gilt für TV-Sendungen oder Hörspiele.

Eine Berufsentscheidung, die zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passt, wirkt sich auch positiv auf die psychische Gesundheit aus. Wer das Gefühl hat, am richtigen Platz zu sein, ist nachweislich motivierter, ausgeglichener – und seltener krank.

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Warum das Handwerk als Beruf wieder an Attraktivität gewinnt

Viele Eltern haben noch das Bild vom „arbeitenden Handwerker“ aus der eigenen Kindheit im Kopf. Damals galt es als körperlich anstrengend, wenig angesehen und schlecht bezahlt. „Dem Handwerk wird eine viel zu geringe Bedeutung zugemessen“, stellt Prof. Etzel fest. „Handwerkliche Tätigkeiten werden oft als 'einfach' und 'unterkomplex' dargestellt.“

Das ist bei Weitem nicht der Fall. Wer im Handwerk arbeitet, nutzt moderne Technik, plant digital, führt Teams und trägt Verantwortung. Darüber hinaus hat eine Umfrage, die im Rahmen der Studie "So gesund ist das Handwerk" von der IKK classic geführt wurde, ergeben, dass die Mehrheit der befragten Personen aus dem Handwerk ihren Beruf als sinnhaft und hilfreich für andere empfindet. Der Umfrage zufolge sind 79,7 Prozent der Befragten glücklich in ihrem Beruf und 86,7 Prozent stolz auf ihre Tätigkeit. Welche andere Branche kann das von sich behaupten?

Das Handwerk bietet viele Perspektiven. Der Fachkräftemangel, der Wunsch nach sinnstiftender Arbeit und die Rückbesinnung auf praktische Fähigkeiten rücken das Handwerk immer stärker in den Fokus. Moderne Technik, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sorgen zudem dafür, dass traditionelle Berufe ein neues Gesicht bekommen.

Für Kinder kann das besonders reizvoll sein: Wer sieht, wie aus einer Idee ein echtes Produkt entsteht oder wie durch handwerkliches Können anderen geholfen wird, erfährt Sinn und Wertschätzung. Gleichzeitig bietet das Handwerk echte Aufstiegschancen, vom Gesellen bis zum Meister oder sogar Unternehmer. Und: Handwerkliche Berufe sind zunehmend krisensicher und gefragt.

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Freiraum geben und Stärken fördern

Kinder haben das Recht, ihre eigenen Wege zu gehen – auch beruflich. Eltern sind zwar wichtige Begleiter auf diesem Weg, aber nicht die Wegweiser. Eltern, die Interesse zeigen, ohne zu lenken, helfen ihrem Kind. Wer motiviert, ohne zu drängen, gibt Raum zur Entfaltung. So kann das Kind seine Stärken entdecken und später ein erfülltes Berufsleben finden – mit Laptop oder Hammer.

Gerade in einer Zeit, in der die Vielfalt der Berufe so groß ist wie nie, ist Offenheit der Schlüssel. Denn jeder Berufswunsch beginnt mit einem Traum – und verdient es, ernst genommen zu werden.

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Sven von Thülen

Veröffentlicht am 14.10.2025

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