Blutvergiftung: Anzeichen, Symptome und richtige Hilfe

Redaktion
Sven von Thülen

Eine Blutvergiftung (Sepsis) entsteht oft unerwartet und kann innerhalb weniger Stunden lebensbedrohlich werden. In diesem Ratgeber erklärt ein Experte, wie Sie Warnzeichen erkennen, richtig reagieren und gefährliche Verläufe vermeiden.

Alle sechs Minuten, stirbt hierzulande ein Mensch an einer Blutvergiftung – medizinisch "Sepsis" genannt. Damit ist die Sepsis eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland, und eine der gefährlichsten Komplikationen, die im Körper auftreten können.

Nach Angaben des Aktionsbündnisses "Deutschland erkennt Sepsis" erkranken in Deutschland pro Jahr mindestens 230.000 Menschen daran. Dabei wäre ein großer Teil der Erkrankungen und Todesfälle vermeidbar. Umso wichtiger ist es, die Anzeichen frühzeitig zu erkennen und schnell zu handeln.

Was ist eine Blutvergiftung (Sepsis)?

Eine Sepsis, umgangssprachlich häufig als „Blutvergiftung“ bezeichnet, ist keine Vergiftung im eigentlichen Sinne, sondern die schwerste Verlaufsform einer Infektion. Sie entsteht, wenn das Immunsystem nicht mehr in der Lage ist, eine zunächst lokale Infektion einzudämmen und die Erreger dadurch in den Blutkreislauf gelangen.

Darauf reagiert der Körper mit einer starken Aktivierung seiner Abwehrmechanismen, insbesondere des Immun- und Gerinnungssystems. Diese überschießende Reaktion schädigt jedoch nicht nur die Erreger, sondern auch körpereigene Organe wie Lunge, Herz oder Nieren. In der Folge kann es zu einem septischen Schock und letztlich zu einem Multiorganversagen kommen. Eine Sepsis kann nicht nur durch eine bakterielle Infektion, sondern auch durch Viren wie das Grippevirus oder das Coronavirus ausgelöst werden.

Eine unbehandelte Sepsis verläuft immer tödlich und stellt daher einen medizinischen Notfall dar. In deutschen Krankenhäusern sterben doppelt so viele Menschen an einer Sepsis wie an Schlaganfall und Herzinfarkt zusammen.

Septischer Schock

Ein septischer Schock ist die schwerste Form einer Sepsis und ein akuter medizinischer Notfall. Er entsteht, wenn eine Infektion im Körper eine überschießende Immunreaktion auslöst und dadurch der Blutdruck gefährlich abfällt. Trotz Flüssigkeitsgabe bleibt der Kreislauf instabil, sodass lebenswichtige Organe wie Herz, Nieren oder Gehirn nicht mehr ausreichend durchblutet werden. Ohne sofortige intensivmedizinische Behandlung kann ein septischer Schock schnell lebensbedrohlich werden.

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Wie sieht eine Sepsis aus? Typische Symptome und Merkmale

Eine Blutvergiftung ist nicht immer leicht zu erkennen, da die Symptome zunächst unspezifisch wirken können. „Aus chirurgischer Sicht ist das größte Problem, dass Sepsis oft schleichend beginnt. Nach Operationen, Verletzungen oder scheinbar harmlosen Infektionen wirkt zunächst alles unauffällig – und plötzlich kippt der Zustand“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Stöckle, stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Muskuloskelettale Chirurgie (CMSC) der Charité in Berlin. Dennoch gibt es typische Warnzeichen, die ernst genommen werden sollten:

Frühe Symptome

  • Fieber, Schüttelfrost oder starkes Krankheitsgefühl

  • Schneller Puls und beschleunigte Atmung

  • Niedriger Blutdruck

  • Blasse, fleckige oder kühle Haut

  • Benommenheit

  • Starkes Schwächegefühl

Fortgeschrittene Anzeichen

  • Atemnot

  • Kalte, bläuliche Extremitäten

  • Verwirrtheit bis Bewusstlosigkeit

  • Sehr niedriger Blutdruck (Zeichen eines septischen Schocks)

„Der entscheidende Unterschied zu einer „normalen“ Infektion ist die rasche Verschlechterung des Allgemeinzustands: Patientinnen und Patienten wirken ungewöhnlich krank, schwach oder benommen. Gerade nach chirurgischen Eingriffen oder bei Wundheilungsstörungen sollte eine solche Entwicklung immer als Warnsignal gewertet werden – Sepsis kann sich innerhalb weniger Stunden lebensbedrohlich verschlechtern“, warnt der Experte.

Wichtig: Eine Blutvergiftung ist kein roter Streifen, der sich vom Entzündungsherd aus über die Haut zieht. Ein solcher Streifen deutet auf eine Lymphangitis (Entzündung der Lymphbahnen) hin, die jedoch zu einer Sepsis führen kann, wenn sie nicht behandelt wird.

Eine interaktive Sepsischeckliste gibt es hier.

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Ursachen: So entsteht eine Blutvergiftung

Eine Sepsis kann durch praktisch jede Infektion ausgelöst werden, wenn Erreger oder deren Gifte in den Blutkreislauf gelangen. Häufige Ausgangspunkte sind:

  • Infektionen der Atemwege

    z. B. Lungenentzündung

  • Harnwegsinfektionen

    z. B. Nierenbeckenentzündung

  • Wundinfektionen

    nach großen Weichteilverletzungen, offenen Frakturen, Operationen mit Implantaten oder Verbrennungen

  • Infektionen im Bauchraum

    z. B. Blinddarmentzündung oder Gallenblasenentzündung

  • Hautinfektionen

    z. B. durch Abszesse oder offene Wunden

„Zwar können auch junge und gesunde Menschen eine Sepsis entwickeln, besonders gefährdet sind aber ältere und immungeschwächte Menschen, Patientinnen und Patienten mit Diabetes, bösartigen oder chronischen Erkrankungen – aber auch solche mit Fremdmaterialien wie Gelenkprothesen oder Osteosynthesen (Implantate mit denen gebrochene Knochen operativ stabilisiert und zusammengefügt werden). Gerade im unfallchirurgisch-orthopädischen Bereich gilt daher: Jede postoperative Infektion muss konsequent überwacht und frühzeitig behandelt werden, um eine Sepsis zu verhindern“, erklärt Stöckle.

Erste Hilfe und Behandlung einer Sepsis

Eine Sepsis ist immer ein Notfall. Jede Stunde kann über Leben und Tod entscheiden.

Bei Verdacht auf Sepsis gilt: keine Zeit verlieren und den Notruf wählen. Bis der Rettungsdienst eintrifft, sollte die betroffene Person ruhig gelagert und warmgehalten werden. Angehörige können helfen, indem sie Informationen bereithalten: Welche Infektion lag vor, welche Medikamente werden eingenommen, gibt es Implantate oder kürzliche Operationen?

„Unbedingt zu vermeiden ist es, fiebersenkende Mittel oder Antibiotika eigenständig einzunehmen. Das kann die Symptome verschleiern und die Diagnose erschweren. Wichtig ist, dem ärztlichen Team eine möglichst genaue Beschreibung des bisherigen Verlaufs zu geben“, erläutert der Experte.

Früherkennung und schnelle Therapie sind entscheidend – je früher behandelt wird, desto besser sind die Überlebenschancen.

Blutvergiftung vermeiden: Tipps zur Vorbeugung

Nicht jede Sepsis lässt sich verhindern, doch das Risiko kann deutlich gesenkt werden. So beugen Sie vor:

  • Infektionen ernst nehmen

    Auch kleine Wunden gut reinigen und beobachten.

  • Impfungen auffrischen

    Besonders Impfungen gegen Grippe, Pneumokokken oder COVID-19 – sie senken das Risiko schwerer Infektionen.

  • Hygiene beachten

    Regelmäßiges Händewaschen schützt vor Keimen.

  • Chronische Krankheiten gut behandeln

    Etwa Diabetes oder Lungenerkrankungen.

  • Ärztliche Hilfe suchen

    Wenn sich eine Infektion verschlimmert oder ungewöhnlich verläuft (z. B. starkes Fieber, schnelle Verschlechterung).

Laut Prof. Dr. Stöckle hat sich die Sepsistherapie in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt.

„Heute setzen wir auf ein standardisiertes Vorgehen mit klaren Zeitvorgaben: rasche Gabe von Antibiotika, Kreislaufstabilisierung durch Flüssigkeitstherapie und intensivmedizinische Behandlung. Parallel dazu hat die Diagnostik Fortschritte gemacht: Laborwerte wie Procalcitonin beschleunigen die Diagnose und moderne molekularbiologische Verfahren ermöglichen es, den verursachenden Erreger und mögliche Resistenzen innerhalb weniger Stunden zu identifizieren. Aus chirurgischer Sicht spielt zudem die konsequente Sanierung des Infektionsherdes eine zentrale Rolle, etwa durch Entfernung von infiziertem Gewebe oder Fremdmaterial. Neue Entwicklungen wie künstliche Intelligenz-basierte Frühwarnsysteme, die auf Vitaldaten reagieren, könnten künftig helfen, Sepsis noch früher zu erkennen.“

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FAQ

Verdacht auf Blutvergiftung: Wann zum Arzt?

Bei einer Sepsis zählt jede Minute. Bei hohem Fieber, Schüttelfrost, starker Schwäche, schneller Atmung, Verwirrtheit oder rasch schlimmer werdender Infektion sofort ärztliche Hilfe holen bzw. den Notruf 112 wählen.

Wie schnell kann eine Blutvergiftung entstehen?

Eine Sepsis kann sich innerhalb weniger Stunden entwickeln, besonders bei schweren oder unbehandelten Infektionen.

Weshalb zählt bei Sepsis jede Stunde?

Fachleute empfehlen, bereits innerhalb der ersten Stunde (die so genannte „Goldene Stunde der Sepsis“) nach Verdacht mit der Behandlung zu beginnen, da sich das Sterberisiko mit jeder verzögerten Stunde erhöht. Spätestens nach drei Stunden sollten die wichtigsten Therapieschritte (Diagnostik, Flüssigkeitsgabe und Antibiotikagabe) eingeleitet sein. Deshalb gilt: Sepsisverdacht ist immer ein medizinischer Notfall.

Kann man eine Sepsis selbst behandeln?

Nein. Eine Blutvergiftung ist ein medizinischer Notfall und muss im Krankenhaus behandelt werden.

Kann ein Insektenstich eine Blutvergiftung auslösen?

Selten, aber möglich, wenn sich der Stich stark entzündet oder Bakterien in die Wunde gelangen. Warnzeichen: zunehmende Rötung, starke Schmerzen, Eiter, Fieber.

Ist eine Sepsis ansteckend?

Die Sepsis selbst nicht – wohl aber die zugrunde liegende Infektion (z. B. Grippe oder COVID-19).

Wie sind die Heilungschancen?

Wird eine Sepsis früh erkannt und behandelt, steigen die Überlebenschancen deutlich. Hier zählt jede Minute. Bei verspäteter Behandlung kann sie jedoch lebensbedrohlich oder tödlich verlaufen. 

Antibiotika bei Blutvergiftung – macht das Sinn?

Ja. Bei bakterieller Sepsis sind schnelle, gezielte Antibiotika lebenswichtig. Sie dürfen nur ärztlich verordnet werden und erfolgen in der Regel im Krankenhaus.

Gibt es Impfungen gegen Sepsis?

Es gibt keine direkte Sepsis-Impfung, aber Impfungen wie gegen Pneumokokken, Meningokokken, Influenza, COVID-19 oder Tetanus senken das Risiko schwerer Infektionen.

Fazit:

„Sepsis kann jede und jeden treffen – auch nach vermeintlich kleinen Infektionen oder Operationen. Entscheidend ist das Bewusstsein, dass sich ein scheinbar stabiler Zustand innerhalb kurzer Zeit dramatisch verändern kann. Je schneller wir handeln, desto größer sind die Überlebenschancen“, fasst Stöckle zusammen.

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Sven von Thülen

Veröffentlicht am 03.12.2025

Quellenangaben

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