Jeder Mensch ist anders. Das gilt auch in der Medizin. Bei manchen Erkrankungen, die beide Geschlechter betreffen, unterscheiden sich etwa Frauen und Männer in ihren Beschwerden und Krankheitsverläufen. Ein Beispiel sind Herzinfarkte und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hier haben Frauen andere Symptome. Atemnot, Rückenschmerzen und kalter Schweiß sind drei typische Symptome, die bei Frauen bei einem Herzinfarkt häufiger auftreten als bei Männern und auf die nicht immer geachtet wird. Das führt dazu, dass die Sterblichkeit von Frauen im Alter von um die 50 Jahre nach einem Infarkt deutlich höher ist als bei Männern – obwohl sie seltener daran erkranken.
Wie Sie unterschätzte Frauenkrankheiten erkennen und behandeln
Chronische Schmerzen, unsichere Diagnose, unter Umständen falsche Therapien und wenig Verständnis – immer noch viel zu häufig werden ernste Erkrankungen in der Gesellschaft als „Frauenleiden“ abgetan. Wir klären über unterschätzte Krankheiten auf und zeigen, wie Betroffenen optimal geholfen werden kann.
Frauen werden bei Studien kaum berücksichtigt
Auch um auf diese Unterscheide aufmerksam zu machen, gibt es seit 1987 den Internationalen Tag der Frauengesundheit. Es wird Zeit für eine geschlechtersensible medizinische Forschung. In vielen Studien wird jedoch der Fokus auf den prototypischen Patienten gelegt: einen Mann im mittleren Alter. „Männer stehen im Zentrum der medizinischen Forschung – es sind hauptsächlich ihre Symptome und Beschwerden, die in die Lehrbücher eingehen“, sagt Vera Regitz-Zagrosek, Gründerin des Instituts für Gendermedizin an der Berliner Charité.
Früher wurden diese Erkenntnisse eins zu eins auf Frauen übertragen. Das kann dazu führen, dass Krankheiten bei Frauen später erkannt und schlechter behandelt werden. Doch die Therapiemöglichkeiten sollten sich unterscheiden – das beginnt bei unterschiedlichen Dosierungen von Medikamenten und reicht bis zu anderen operativen Methoden, da Frauen beispielsweise zum Teil kleinere und stärker gewundene Gefäße besitzen.
Endometriose, PCO-Syndrom, Osteoporose und Migräne: Frauen werden anders krank
Neben den biologischen Unterschieden gibt es jedoch auch eine ganze Reihe von Erkrankungen, die allein oder wesentlich häufiger Frauen betreffen und die noch immer unterschätzt und zu wenig erforscht werden. Wir stellen die häufigsten Beschwerden der Frauengesundheit vor und zeigen, welche Behandlungen möglich sind.
Endometriose – die unterschätzte Volkskrankheit
Unter Endometriose versteht man gutartige Wucherungen und Zysten, die sich im Bauchraum ansiedeln, etwa an den Eierstöcken, im Darm oder Bauchfell. Diese Wucherungen haben unter Umständen schwere Folgen: verklebte Eileiter, Schäden an Darm, Blase oder Gebärmutter.
Die Krankheit ist dabei keine Frage des Alters. Sie kann zwischen Pubertät und Wechseljahren auftreten. Jedes Jahr werden hierzulande knapp 40.000 Endometriose-Erkrankungen neu diagnostiziert. Schätzungen zufolge gibt es allein in Deutschland zwischen fünf und sechs Millionen Frauen, die an der teilweise sehr schmerzhaften Krankheit leiden.
Endometriose: viele Symptome – eine Krankheit
Aufgrund der zahlreichen, sehr unterschiedlichen Symptome wird Endometriose auch als „Chamäleon der Gynäkologie“ bezeichnet. Die Wucherungen sind zyklusabhängig aktiv. Dabei haben Frauen mit Endometriose nicht immer alle oder nicht nur diese Symptome, doch viele leiden unter einer oder mehreren der folgenden Beschwerden:
Die Variabilität der Symptome ist auch der Grund, weshalb viele Betroffene teilweise erst nach einem langen Martyrium die richtige Diagnose erhalten oder sich in ihren Beschwerden nicht ernst genommen fühlen. Mittels bildgebender Verfahren wird die Krankheit unter Umständen nicht erkannt. Deshalb ist oft eine Bauchspiegelung notwendig.
Obwohl die Krankheit bereits seit langer Zeit bekannt ist, sind ihre Ursachen nicht vollständig geklärt. Es wird unter anderem eine genetische Komponente vermutet, da Endometriose in manchen Familien gehäuft auftritt. Heilbar ist Endometriose bis heute nicht. Aber ist sie einmal diagnostiziert, gibt es eine Vielzahl von Therapieansätzen. Die Wucherungen können operativ entfernt werden, auch eine zielgerichtete hormonelle Therapie kann helfen. Die Symptome werden mit umfassenden Maßnahmen bekämpft, zu denen Physiotherapie, eine entzündungshemmende Ernährung aber auch Entspannungsübungen wie Yoga oder Osteopathie zählen.
Unglücklicherweise hat Endometriose eine hohe Rezidivrate. Das bedeutet, dass die Wucherungen und Zysten auch nach einer Entfernung neu entstehen können. Selbst nach einer OP liegt das Rückfallrisiko für Bauchfellherde bei zehn Prozent, für Zysten an den Eierstöcken bei 30 bis 40 Prozent.
PCO-Syndrom – die häufigste hormonelle Störung bei jungen Frauen
Das polyzystische Ovarialsyndrom, auch PCO-Syndrom (PCOS) genannt, ist eine der häufigsten Ursachen für Unfruchtbarkeit, doch kaum einer kennt die Krankheit. PCOS tritt bei etwa fünf bis zehn Prozent aller geschlechtsreifen Frauen auf, typischerweise zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. Schätzungen zufolge sind etwa eine Million Frauen allein in Deutschland betroffen.
Zur Diagnose des PCO-Syndroms müssen zwei der drei sogenannten Rotterdam-Kriterien zutreffen. Diese sind:
PCO-Syndrom: Symptome
Meist wird die Erkrankung erst erkannt, wenn ein Kinderwunsch lange Zeit unerfüllt bleibt. Neben den klinischen Kriterien können beim PCO-Syndrom auch folgende Symptome in unterschiedlicher Ausprägung auftreten:
Wie die Krankheit entsteht, ist nicht geklärt. Scheinbar entscheiden die Gene mit. In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass ein hormonelles Ungleichgewicht im Mutterleib während der Embryonalentwicklung ursächlich für die Entstehung des PCOS sein könnte. Ein weiterer Risikofaktor scheint das Körpergewicht zu sein: Drei von vier Betroffenen sind übergewichtig.
PCO-Syndrom: Behandlung
Auch wenn sich die Krankheit nicht heilen lässt, können die Symptome doch deutlich gemildert werden. Eine Veränderung des Lebensstils und der Ernährungsgewohnheiten hilft, den gestörten Hormonhaushalt wieder zu regulieren.
Wenn kein Kinderwunsch bei den Betroffenen vorhanden ist, hilft oftmals die Gabe eines antiandrogenen Medikaments, also einer Pille, um die männlichen Geschlechtshormone im Blut zu senken. Besteht hingegen ein Kinderwunsch, kann der Arzt neben den anderen Therapien auch Medikamente wie Clomifen verschreiben, die die Eierstöcke stimulieren und den Eisprung fördern.
Osteoporose – wie man sie behandelt und was bei der Vorbeugung hilft
Auch wenn Osteoporose (häufig als Knochenschwund bezeichnet) eine höheren Bekanntheitsgrad hat, zählt sie zu den unterschätzten typischen Frauenkrankheiten: Frauen leiden mehr als drei Mal so häufig an der Skeletterkrankung, die schnell zu Knochenbrüchen, vor allem an Wirbelsäule oder Oberschenkeln führen kann. 80 Prozent aller Osteoporosen betreffen Frauen nach ihren Wechseljahren. Die Knochendichte nimmt im Verlauf des Lebens ganz natürlich ab. Bei einer Osteoporose verringert sie sich jedoch viel schneller als normal.
Osteoporose: Risiken und Behandlung
Zu den Risikofaktoren zählen eine familiäre Veranlagung, Untergewicht, Bewegungsmangel. Regelmäßige Bewegung in Form von mindestens dreimal wöchentlich einer halben Stunde moderater körperlicher Anstrengung (etwa zügiges Spazierengehen) wird deshalb empfohlen. Alkohol- und Tabakkonsum sollte hingegen vermieden werden. Um der Osteoporose vorzubeugen, spielt auch die Ernährung, insbesondere die ausreichende Versorgung mit den wichtigen Knochenbaustoffen Kalzium und Vitamin D, eine große Rolle.
Heilen lässt sich Osteoporose leider nicht, der krankhafte Knochenabbau ist chronisch. Trotzdem kann man viel tun, um den Knochenabbau zu bremsen, neue Knochenmasse aufzubauen und (weitere) Brüche zu verhindern. Die IKK classic bietet Versicherten mit Osteoporose in der Region Nordrhein ein optimales Behandlungsmodell an, dazu gehören unter anderem eine leitliniengerechte Diagnose, Behandlung und Therapie mit Osteoporose-Medikamenten oder ein jährlicher Sturzprophylaxetest („Aufstehtest“)
Migräne – der Schmerz der Frauen
Auch chronische Kopfschmerzen können beide Geschlechter betreffen, doch auch hier sind Frauen drei bis fünfmal häufiger als Männer die Leidtragenden. Selbst in Tierversuchen zeigen sich weibliche Exemplare für migränetypische Schmerzreaktionen anfälliger. Am häufigsten treten die Migräneanfälle zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr auf. In diesem Alter sind etwa drei Mal mehr Frauen als Männer betroffen. Jede fünfte Frau hat im Laufe ihres Lebens Migräne. Mit zunehmendem Alter klingen die Beschwerden in einigen Fällen jedoch ab.
Betroffene wissen aus leidvoller Erfahrung, dass Migräne viel mehr bedeuten kann als nur Kopfschmerzen. Zu den typischen Symptomen gehören Übelkeit bis hin zum Erbrechen, Appetitlosigkeit sowie Licht- und Geräuschempfindlichkeit.
Obwohl sich die Migräne in Schwere der Form und Symptomen sehr stark unterscheiden können, ist dem Leiden üblicherweise gemein, dass es in mehreren Phasen abläuft. Hier unterscheidet man zwischen der sogenannten Prodromal-Phase (auch Vorboten-Phase), der Migräne mit Aura (diese tritt nur bei 10 bis 15 Prozent der Betroffenen auf und äußert sich in Form von neurologischen Störungen wie Taubheit oder Sehverlust), der Kopfschmerzphase selbst und der Abklingphase.
Bei der Behandlung der Migräne unterscheidet man zwischen der Therapie zur Linderung einer akuten Kopfschmerzattacke und der vorbeugenden Therapie (Prophylaxe), die darauf abzielt, die Häufigkeit von Attacken zu reduzieren, die Schwere der Kopfschmerzen zu lindern und das Ansprechen der Patienten auf die akuten Maßnahmen zu verbessern.
Während bei leichten Verläufen akut die Gabe von Schmerzmitteln wie Ibuprofen bereits Linderung versprechen kann, sind bei schwereren Symptomen der Migräne spezielle Medikamente, sogenannte Triptane, empfehlenswert. Sie blockieren die neurovaskuläre Entzündung und verengen die geweiteten Blutgefäße. Bei beiden Varianten ist es wichtig, frühzeitig, also bereits bei aufziehenden Symptomen mit der Einnahme zu beginnen.
Maßnahmen wie eine geregelte Lebensweise und sportliche Betätigung wirken vorbeugend. Um mögliche Trigger zu erkennen, wird Betroffenen zudem empfohlen, ein Tagebuch zu führen oder mittels spezieller Migräne-Apps einen Überblick zu bekommen, was als Auslöser in Frage kommen kann.
Auch eine medikamentöse Prophylaxe kann ratsam sein. Seit einigen Jahren spielen hier neu entwickelte Medikamente, sogenannte Antikörper, die den Botenstoff CGRP in seiner Wirkung blockieren. CGRP ist bereits länger als Ursache für Migränesymptome bekannt.