Wandergruppe aus fünf Einheimischen und Geflüchteten steht am Gipfel eines Berges und jubelt

Integrations­projekt mit Geflüchteten: Wie Wandern Menschen verbindet

Die Integration von Geflüchteten ist eine Bereicherung für uns alle. Wie sie gelingen kann, zeigt das faszinierende Integrationsprojekt "Wanderglück": Hier kommen Einheimische und Geflüchtete über Erlebnisse in der Natur in Kontakt. Eine Erfolgsgeschichte, die Mut macht.

Ob anspruchsvolle Hochtour auf den König Ortler, den höchsten Berg Südtirols, mehrtägiges Hüttentrekking oder aufregende Klettersteige: Myriam Kopp mag es gerne sportlich. Die Frau, die im baden-württembergischen Steinheim in der Nähe von Ludwigsburg zu Hause ist und im Bereich IT Fachberatung Versorgungsmanagement für die IKK classic tätig ist, berichtet auf ihrem Blog Puls der Freiheit ausführlich über ihre Berg- und Outdoor-Abenteuer.

Besonders am Herzen liegt ihr aber noch ein weiteres Thema: die Integration von geflüchteten Menschen. Warum also nicht beides verbinden? Gesagt, getan – mit ihrem Integrationsprojekt "Wanderglück" lädt sie seit 2018 Geflüchtete und Einheimische dazu ein, sich bei geführten Wanderungen in der Natur näher zu kommen und Grenzen zu überwinden. Wir wollten von Myriam Kopp erfahren, was sie zu ihrer Initiative bewogen hat, warum man beim Wandern Vorurteile besonders gut überwinden kann und welche Reaktionen sie auf ihr Engagement erlebt hat.

Vom Hobby zum Integrationsprojekt

  • Frau Kopp, wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Projekt „Wanderglück“ ins Leben zu rufen?

    Zunächst mal gehe ich selbst sehr gerne in die Berge – das war der Ausgangspunkt. Vor ein paar Jahren habe ich dann die Patenschaft einer irakischen Familie übernommen und kam so auch in Kontakt mit anderen Geflüchteten. Bei Spaziergängen mit meiner Patenfamilie habe ich gemerkt, dass das Draußensein in der Natur dazu führt, dass diese viel ruhiger wurden. Die Anspannung vom Alltag, die Sorgen, die sie mit sich herumtrugen, traten für diesen Moment in den Hintergrund. Außerdem wurden sie offener und erzählten viel mehr über sich und ihre Gedanken. Da habe ich mir gedacht, warum das Ganze nicht größer aufziehen.

  • Wie oft gehen Sie zusammen wandern und wie können wir uns einen solchen Tag vorstellen?

    Vor Corona waren wir alle ein bis zwei Monate in unseren heimischen Wäldern unterwegs. Ich suche mir immer unterschiedliche Strecken heraus. Mit Fahrgemeinschaften kommen wir zum Ausgangspunkt der jeweiligen Tour. Manchmal baue ich unterwegs erlebnispädagogische Aktionen ein, die beispielsweise das Vertrauen fördern oder das Kennenlernen erleichtern. Am Ende grillen wir immer noch zusammen und lassen den Tag ausklingen.

    Einmal im Jahr gibt es ein größeres Event, bei dem wir ein ganzes Wochenende unterwegs sind und auf einer Hütte übernachten – so waren wir im ersten Jahr beispielsweise auf dem Großen Krottenkopf, dem höchsten Berg der Allgäuer Alpen. Diese Events sind in der Planung für mich deutlich aufwändiger, vor allem, weil sie mit Kosten verbunden sind.

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Beim Wandern aus dem Alltag ausbrechen

  • Eignet sich das Wandern besonders gut, um Vorurteile abzubauen und miteinander ins Gespräch zu kommen?

    Absolut – das Wandern hilft, aus dem Alltag auszubrechen. Der damit verbundene Ortswechsel und das Naturerlebnis erleichtern es, mit einer unbekannten Person ins Gespräch zu kommen. Wir haben bei unseren Wanderungen in den Bergen und Wäldern eine große Hilfsbereitschaft und ein Miteinander erlebt. Es gab keine Berührungsängste zwischen Einheimischen und Geflüchteten – immer war eine helfende Hand zur Seite. Der Spaß spielt bei unseren Touren ebenso immer eine große Rolle. Gemeinsam Lachen ist der Schlüssel zu den Herzen der Menschen.

  • Wie fielen die Reaktionen auf ihr Projekt aus – ausschließlich positiv oder gab es auch negative Kommentare?

    Überwiegend positiv. Die Resonanz der Einheimischen war richtig gut. Die lokalen Medien haben wohlwollend über das Projekt berichtet, und es gab sogar Einheimische, die Geld, Rucksäcke und Wanderstiefel gespendet haben. Auch bei den Wanderungen selbst war das Interesse an unserer Gruppe immer groß. Die Leute haben sich dafür interessiert, wer wir sind und was es mit unserer Gruppe auf sich hat.

    Einzelne negative Kommentare gab es leider in den sozialen Netzwerken: Das hat mich sehr beschäftigt und persönlich mitgenommen – auch wenn es sich nur um Einzelfälle gehandelt hat. Mittlerweile habe ich für mich beschlossen, dass ich diese Kommentare einfach ignoriere und lösche.

Gemeinsam Lachen ist der Schlüssel zu den Herzen der Menschen.
Myriam Kopp

Spaß an Integration

  • Was hat das Integrationsprojekt Ihnen persönlich gebracht?

    Auf jeden Fall neue Freundschaften, aber auch neue Sichtweisen – ich finde es immer sehr spannend, mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen in Kontakt zu kommen und ihre Geschichte zu erfahren. Das Projekt lädt auch mich jedes Mal aufs Neue dazu ein, mich zu hinterfragen. So ist auch eine persönliche Weiterentwicklung möglich. Aber auch das Gemeinschaftsgefühl und den Spaß, den wir zusammen haben, möchte ich nicht mehr missen. Darüber hinaus fühlt es sich natürlich total schön an, Gutes zu tun – das macht mich ein klein wenig stolz.

  • Für alle Interessierten: Wie kann man bei Ihrem Projekt mitmachen? Welche Voraussetzungen gibt es?

    Es kann prinzipiell jede und jeder mitmachen. Das Alter spielt keine Rolle: Wir hatten unter 18-jährige Teilnehmende, aber auch schon einen 70-Jährigen, der mit uns gewandert ist. Und keine Angst – auch besonders sportlich muss man nicht sein, wenn man mit uns mitkommen möchte.

    Da wir überwiegend in unseren heimischen Wäldern vor Ort unterwegs sind, bietet es sich natürlich an, wenn man aus dem Raum Ludwigsburg-Stuttgart kommt. Das Projekt soll auch eine nachhaltige Wirkung haben und ich wünsche mir immer sehr, dass sich die Teilnehmenden auch privat ab und zu treffen. Sollten Sie nicht aus unserer Gegend kommen, hält Sie das natürlich nicht davon ab, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen (lacht). Bei Fragen kann man hier gerne auf mich zukommen.

Integration – diese Angebote für Geflüchtete gibt es

Über das ganze Bundesgebiet verteilt gibt es zahlreiche Angebote für Geflüchtete. Mit dem Bundesprogramm "Gesellschaftlicher Zusammenhalt – Vor Ort. Vernetzt. Verbunden." beispielsweise will das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Miteinander vor Ort in den Städten, Kommunen und im ländlichen Raum verbessern und speziell Projekte zur gesellschaftlichen Integration von Zugewanderten und Menschen mit Migrationshintergrund fördern.

Hierzu werden einmal jährlich Fördermittel ausgeschrieben und auf der Webseite des Bundesamtes veröffentlicht. Interessierte finden dort auch Informationen, wie sie sich ehrenamtlich engagieren können und Ideen für eigene Integrationsprojekte. Eine detaillierte Übersicht über Integrationsprojekte bietet auch die Themenseite "Integration von Flüchtlingen – Gute Ideen bundesweit" von tagesschau.de.

Die IKK Aktiv-Tage

Sie sind beruflich stark gefordert, arbeiten im Schichtdienst oder haben unregelmäßige Arbeitszeiten? Ihre familiäre Situation macht es schwer, regelmäßig einen Kurs vor Ort zu besuchen? Dann sind unsere IKK Aktiv-Tage genau das Richtige für Sie.

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