Arbeitsmedizinische Vorsorge: Das sollten Arbeitgeber wissen

Redaktion
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Der Berufsalltag birgt oft gesundheitliche Risiken. Um Krankheiten rechtzeitig vorzubeugen, gehören arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen zu den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Hier erfahren Sie, welche Arten von Vorsorgeuntersuchungen es gibt und was die Vor- und Nachteile sind.

Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge dienen dazu, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und zu erhalten. Dazu gehören etwa Gesundheitsuntersuchungen, Gefährdungsbeurteilungen oder die Beratung von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden.

Als Arbeitgeber fragen Sie sich womöglich: Was ist das Besondere an arbeitsmedizinischen Untersuchungen? Wozu sind Unternehmen verpflichtet? Wer übernimmt die Kosten? Dr. med. Berthold Schröder, leitender Betriebsarzt in einem großen deutschen Versicherungsunternehmen, vermittelt grundlegende Informationen zu den wichtigsten Fragen.

Was ist eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung?

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen helfen, Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz frühzeitig zu erkennen und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung der Gesundheit des Arbeitnehmenden liegt der Fokus auf der Wechselwirkung zwischen Arbeit und Gesundheit.

Anders als sonstige Ärztinnen und Ärzte berät ein Arbeitsmediziner bei seinen Vorsorgeuntersuchungen hauptsächlich gesunde Menschen. Dabei werden verschiedene medizinische Fachgebiete berührt: So gibt es neben körperlichen Untersuchungen (z. B. Sehtests) noch Labortests (z. B. im Bereich Allergologie oder der Exposition von Gefahrstoffen), Befragungen (z. B. zur Arbeitszufriedenheit), Bewertungen von Arbeitsumfeld, -bedingungen und -abläufen, Beratungen zur Gesundheitsvorsorge und Impfungen.

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet alle Arbeitgebenden, aus einer Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der damit möglicherweise verbundenen Gefährdungen eigenständig den Umfang der arbeitsmedizinischen Vorsorge zum Schutz ihrer Beschäftigten abzuleiten (sog. Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes, § 5 ArbSchG). "Spätestens seit der Corona-Pandemie und den Zuständen in der Fleischindustrie ist das Bewusstsein dafür stärker in die Öffentlichkeit gerückt", so Dr. Schröder.

Übrigens: Die arbeitsmedizinische Vorsorge sollte nicht verwechselt werden mit Tauglichkeits- bzw. Einstellungsuntersuchungen zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung für bestimmte Tätigkeiten oder Arbeitsplätze.

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Warum sind arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen wichtig?

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen dienen der frühzeitigen Erkennung von arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufserkrankungen. Durch präventive Maßnahmen sollen Arbeitsunfälle und Krankheiten vermieden, die Arbeitsplatzsicherheit erhöht und insgesamt gesunde Arbeitsbedingungen geschaffen und erhalten werden.

Arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen sind gesetzlich vorgeschrieben. Die entsprechenden Regelungen finden sich beispielsweise im Arbeitsschutzgesetz, dem Arbeitssicherheitsgesetz, der Gefahrstoffverordnung, der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge oder in Unfallverhütungsvorschriften der gesetzlichen Unfallversicherungsträger.

Welche Vorsorgeuntersuchungen gibt es?

Es gibt drei Arten arbeitsmedizinischer Vorsorgen: die Pflichtvorsorge, die Angebotsvorsorge und die Wunschvorsorge.

  • Pflichtvorsorge

    Pflichtvorsorge

    Die Pflichtvorsorge veranlasst der Arbeitgeber bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten. Sie ist geregelt in Teil 1 Absatz 1 des Anhangs der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).

    Dr. Schröder erläutert: "Ein Beispiel wäre die Dienstreise in ein tropisches Land mit besonderen Infektionsrisiken, z. B. Uganda. Ein anderes der Umgang mit Gefahrstoffen wie z. B. Methanol. Der Arbeitgeber darf die Mitarbeitenden eine solche Tätigkeit nur dann ausüben lassen, wenn diese zuvor an einer Pflichtvorsorge teilgenommen haben. Der Arbeitnehmer ist also verpflichtet, an diesem Vorsorgetermin teilzunehmen. Tut er dies nicht, handelt er pflichtwidrig.

    Der Arbeitgeber kann als Konsequenz die Zahlung des Arbeitsentgelts so lange aussetzen, bis der oder die Arbeitnehmende an der Pflichtvorsorge teilgenommen hat. Wird die Pflichtvorsorge nicht oder nicht rechtzeitig vom Arbeitgeber veranlasst, droht diesem ein Bußgeld oder sogar eine Strafe."

  • Angebotsvorsorge

    Die Angebotsvorsorge (Übersicht vgl. Teil 1 Absatz 2 ArbMedVV) ist eine Stufe unterhalb der Pflichtvorsorge und wird relevant, wenn bei einer Tätigkeit (z. B. der Bildschirmarbeit) zwar ein Risiko besteht, dieses aber entsprechend geringer ist, sodass es den Mitarbeitenden überlassen bleibt, zu entscheiden, ob sie sich beraten lassen möchten oder nicht. Im Gegensatz zur Pflichtvorsorge ist die Angebotsvorsorge nur für den Arbeitgebenden verpflichtend, für den Arbeitnehmenden aber freiwillig.

    Dr. Schröder: "Arbeitnehmende können das Angebot der arbeitsmedizinischen Vorsorge also ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen ablehnen. Das hat für sie jedoch den Nachteil, dass die Rechtslage im Falle einer später auftretenden Erkrankung oder Berufskrankheit, die möglicherweise mit der arbeitsmedizinischen Vorsorge rechtzeitig hätte erkannt werden können, unklar ist. Es wäre z. B. denkbar, dass der oder die Arbeitnehmende mit dem Vorwurf konfrontiert wird, seine oder ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllt zu haben."

  • Wunschvorsorge

    Die Wunschvorsorge ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgebende den Arbeitnehmenden – über die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) hinaus – bei allen Tätigkeiten gewähren muss. "Sie ist praktisch die letzte Stufe in der Trilogie der Vorsorgen", so Dr. Schröder.

    Hier geht die oder der Arbeitnehmende aktiv auf den Betriebsarzt oder die Betriebsärztin zu. Der Anspruch auf Wunschvorsorge besteht nur dann nicht, wenn mit einem Gesundheitsschaden nicht zu rechnen ist. Das soll verhindern, dass die oder der Arbeitnehmende wegen jeder einzelnen Tätigkeit ärztlichen Rat einholt. Jede arbeitsmedizinische Vorsorge benötigt schließlich Zeit (mindestens 30 Minuten) und verursacht Kosten.

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Welche arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sind für Arbeitgeber Pflicht?

Jeder Betrieb, der Mitarbeitende beschäftigt, ist zu ihrer betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung gemäß Arbeitssicherheitsgesetz verpflichtet. Der notwendige Umfang der arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen richtet sich nach den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung. Abhängig von Aufgabengebiet, Arbeitsinhalten und Risikobetrachtung kann dies Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge umfassen.

Doch Mitarbeitende brauchen nicht zu befürchten, dass die Chefin oder der Chef Inhalte oder gar Diagnosen aus dem Gespräch zwischen Betriebsarzt und Mitarbeitenden erfährt. Der Betriebsarzt unterliegt der gleichen Schweigepflicht wie jede Ärztin oder jeder Arzt.

Welche Vorsorgeuntersuchungen müssen Arbeitgebende für Schwangere bieten?

Für Schwangere und stillende Mütter gilt das Mutterschutzgesetz (MuSchG). Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung – unabhängig von einer konkreten oder bekannten Schwangerschaft – zu ermitteln, ob bei einer Tätigkeit oder in einem Arbeitsbereich potenzielle Gefährdungen für eine schwangere oder stillende Frau bzw. ein ungeborenes Kind vorliegen können (vgl. § 10 MuSchG). Diese Risikobewertung ist schriftlich zu dokumentieren.

Ebenfalls festzulegen und zu dokumentieren sind die grundsätzlich zu ergreifenden Schutzmaßnahmen, die die Beschäftigung einer schwangeren oder stillenden Frau an diesem Arbeitsplatz bzw. mit diesen Tätigkeiten ermöglichen.

Die (werdende) Mutter kann sich im Rahmen einer Wunschvorsorge beim Betriebsarzt beraten lassen. Die üblichen Untersuchungen im Rahmen der Schwangerschaft werden aber beim Frauenarzt auf Kosten der Krankenversicherung durchgeführt.

Wer zahlt trägt die Kosten betrieblicher Vorsorgeuntersuchungen?

Die Kosten für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen inklusive Impfungen für Dienstreisen trägt der Arbeitgebende.

Sie werden während der Arbeitszeit durchgeführt. Dass die Beschäftigten diese nicht tragen müssen, ist explizit im Arbeitsschutzgesetz (§ 3 Absatz 3 ArbSchG) geregelt.

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Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen: Vor- und Nachteile für Arbeitgeber

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bieten Arbeitgebenden die Möglichkeit, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu erhalten. Das sorgt für weniger krankheitsbedingte Ausfälle und fördert so die Produktivität. Allerdings verursachen diese Untersuchungen auch Kosten und administrativen Aufwand.

Dr. Schröder nennt beispielhaft einige Vor- und Nachteile arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen:

Vorteile

  • Ein Arbeitgeber, dem die Gesundheit seiner Mitarbeitenden wichtig ist, stärkt die Mitarbeiterbindung und wirkt auf dem Arbeitsmarkt attraktiv. Ein in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zu unterschätzender Faktor.

  • Die Arbeitsprozesse werden durch die Gefährdungsbeurteilungen und die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorgen kontinuierlich verbessert.

  • Der Betrieb handelt gesetzeskonform und braucht bei Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden keine Bußgelder zu befürchten.

Nachteile:

  • Prävention kostet Geld (ist aber günstiger als Unfall- oder Krankheitsfolgen).

  • Bestehender Mangel an Betriebsärzten (spezielle Qualifikation erforderlich).

  • Angebote für KMU sind schwer zu finden

  • Organisatorischer Aufwand, Dokumentation

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Veröffentlicht am 18.12.2023

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