Alkohol-Mythen im Check: Wie ist das mit dem Verdauungsschnaps?

Redaktion
Kevin Schuon

Kurbelt ein Glas Sekt den Kreislauf an? Trinken junge Menschen wirklich immer weniger Alkohol? Und wie ist das mit dem Konterbier? Wir hinterfragen geläufige Mythen mit Hilfe einer Expertin.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtanfragen bezeichnet Deutschland als Hochkonsumland. „Deutschland hat ein Alkoholproblem“, sagt Suchtforscher Jakob Manthey, der am Jahrbuch Sucht der DHS mitgearbeitet hat. Die aktuellen Zahlen verdeutlichen: Im Durchschnitt trinkt jeder Deutsche mehr als 10 Liter reinen Alkohol pro Jahr (Stand 2023). Das ist zum Beispiel deutlich mehr als der Pro-Kopf-Konsum in Italien (7,7 Liter), Schweden (7,5) oder Griechenland (6,3).

Auch in der Gesellschaft ist Alkohol tief verankert. Der Konsum von Alkohol ist bei Feiern oder Partys kaum wegzudenken. Sprüche wie „Kein Bier vor vier“, „Hopfen und Malz – Gott erhalt‘s“ oder „Bier auf Wein, das lass sein“ kennt nahezu jeder.

Zudem halten sich viele Sprichwörter oder Mythen rund um das Thema Alkohol hartnäckig. Wir haben ein paar davon unter die Lupe genommen.

Habe ich ein Alkoholproblem, wenn ich jeden Tag ein Feierabendbier trinke?

Für viele Menschen ist es ein festes Ritual: Nach einem anstrengenden Arbeitstag gibt es ein Bier. Der Grund ist simpel: Der Feierabend-Drink im Kreis der Kolleginnen und Kollegen verstärkt den Belohnungseffekt.

Erholungsphasen und Rituale sind sehr wichtig, um neue Kraft zu tanken, Stress abzubauen und die psychische Gesundheit zu erhalten. Problematisch wird es dann, wenn man diese Effekte nicht mehr ohne den Konsum von Alkohol erleben kann – oder Alkohol getrunken wird, um Stress zu kompensieren. Noch gefährlicher ist, wenn es nicht bei einem Getränk bleibt, sondern die Menge immer steigt. Wer nervös wird, wenn er mal auf das Feierabendbier verzichtet, sollte das eigene Verhalten zumindest überdenken.

Früher ging man davon aus, dass ein Glas Bier, Wein oder Sekt pro Tag unproblematisch ist. Heute weiß man: Aus gesundheitlichen Aspekten gibt es keine unbedenkliche Menge Alkohol. Am besten ist es, völlig darauf zu verzichten. „Je mehr Reinalkohol Sie in Ihrem Leben konsumieren, desto höher ist das Risiko für die Entwicklung von weit über 200 Erkrankungen“, verdeutlicht Prof. Dr. Jennis Freyer-Adam von der Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin der Universitätsmedizin Greifswald. Dazu gehören zahlreiche Volkskrankheiten wie zum Beispiel Darmkrebs, Brustkrebs, Depressionen oder Demenz. Auch das Risiko für Schlaganfälle steigt.

Was jedoch nicht heißt, dass man nach getaner Arbeit nicht im geselligen Kreis anstoßen kann: Dafür gibt es inzwischen sehr viele leckere alkoholfreie Varianten. Darauf greifen laut unserer neuen Studie „So gesund ist das Handwerk“ immer mehr Handwerkerinnen und Handwerker zurück. 94 Prozent der Befragten verzichten laut eigener Aussage auf das alkoholische Feierabendgetränk.

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Es ist besser, einmal in der Woche viel zu trinken als jeden Tag ein Glas

Rund 12 Millionen Menschen in Deutschland erleben mindestens einmal im Monat einen Alkoholrausch. Das bedeutet, sie haben bei einer Gelegenheit mehr als fünf Gläser alkoholischer Getränke zu sich genommen. Für die Leber bedeutet das Höchstarbeit. Sie muss danach in kurzer Zeit eine sehr hohe Menge Alkohol abbauen.

„Hohe Trinkmengen bergen zusätzliche Gefahren“, betont Prof. Freyer-Adam. Auch dann, wenn sie eher selten konsumiert werden. Rauschtrinken kann zu dauerhaften Schäden führen. Je früher Jugendliche damit anfangen, desto größer sind die gesundheitlichen Risiken und die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Sucht entwickeln.

Im Jahr 2023 wurden mehr als 60.000 Menschen wegen einer Alkoholvergiftung stationär im Krankenhaus behandelt. Dazu wurden mehr als 200.000 Straftaten unter Alkoholeinfluss verübt – das sind mehr als zehn Prozent aller Straftaten. 

 

Alkoholiker ist nur, wer allein trinkt

Das ist ein reines Klischee. Laut der Expertin erfolgt problematischer Alkoholkonsum sogar sehr häufig in Gesellschaft. „Für das Vorliegen einer alkoholbezogenen Störung ist unerheblich, ob allein oder zusammen mit anderen Menschen konsumiert wird.“

Rund sechs Prozent der Erwachsenen in Deutschland missbrauchen Alkohol oder gelten als abhängig. „Für die Diagnostik ist beispielsweise entscheidend, ob man sich selbst oder andere durch den Konsum in Gefahr bringt, ob der Konsum zunimmt oder Entzugssymptome auftreten, wenn kein Alkohol getrunken wird."

 

Alkohol ist weniger schädlich als Rauchen oder illegale Drogen

Weil Alkohol und Zigaretten freiverkäuflich und legal sind, entsteht häufig der Eindruck, dass sie nicht so gefährlich sind wie andere Drogen. Das ist jedoch ein Trugschluss. „Anders als Rauchen oder Drogenkonsum ist Alkohol in unserer Gesellschaft weiterhin akzeptiert“, erläutert die Expertin. „Durch die ständige Präsenz, Bewerbung der Industrie und Erwartungen der Mitmenschen entsteht ein starker Konsumdruck.“ Viel eher müssen sich Menschen dafür rechtfertigen, dass sie nicht trinken wollen.

„So kann der Alkohol seine schädigende Wirkung in der breiten Bevölkerung entfalten.“ Und das, obwohl auch schon vermeintlich geringe Mengen die Gesundheit schädigen und sich das Risiko für zahlreiche Krankheiten erhöht. Allein in Deutschland sind jedes Jahr rund 50.000 Todesfälle direkt auf den Konsum von Alkohol zurückzuführen und etwa 127.000 auf Tabakprodukte.

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Junge Menschen trinken weniger Alkohol und gehen bewusster mit dem Thema um

Ein Blick in die Statistiken der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigt: Es stimmt, dass besonders unter jungen Menschen weniger Alkohol getrunken wird. In den letzten 20 Jahren hat die Zahl der 12- bis 17-Jährigen, die Alkohol ausprobiert haben oder regelmäßig trinken, kontinuierlich abgenommen. Das liegt zum einen daran, dass das Gesundheitsbewusstsein immer stärker zunimmt. Andererseits fürchten sich viele junge Menschen vor dem Kontrollverlust, der mit dem Trinken einhergeht.

Seit ein paar Jahren gibt es allerdings wieder eine leicht steigende Tendenz. Das lässt sich vor allem durch die Maßnahmen der Corona-Pandemie begründen, die dafür gesorgt haben, dass in den Jahren 2021 und 2022 deutlich weniger konsumiert wurde.

Auch immer mehr Handwerkerinnen und Handwerker verzichten gänzlich auf Alkohol. In unserer neuen Studie „So gesund ist das Handwerk“ gaben 20 Prozent der Befragten an, gar keinen Alkohol zu trinken.

Ein Glas Sekt bringt den Kreislauf in Schwung

Dass ein Gläschen Sekt bei niedrigem Blutdruck hilft und den Kreislauf in Schwung bringt, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Zwar sorgt der Alkohol in Verbindung mit Kohlensäure dafür, dass der Blutdruck kurzzeitig schnell ansteigt. Danach geht es jedoch rapide in den Keller. Dann bewirkt der Alkohol sogar genau das Gegenteil: Sie werden müde und niedergeschlagen. Die WHO betont: Es gibt keinen gesundheitsförderlichen Alkoholkonsum.

Bei Kreislaufproblemen helfen zum Beispiel ein Glas Wasser am Morgen, eine ausgewogene Ernährung oder ein Spaziergang an der frischen Luft. „Diese Verhaltensweisen haben keine unerwünschten Nebenwirkungen und wirken sich zusätzlich positiv auf viele andere Aspekte des Wohlbefindens – wie Stimmung, Stress oder Schlafqualität – aus“, sagt Prof. Freyer-Adam.

Ein Schnaps nach dem Essen kurbelt die Verdauung an

Nach einem deftigen Essen gibt es einen Schnaps zur Verdauung. Das kennt fast jeder. Schließlich fördert das laut dem Volksmund die Verdauung. Aber stimmt das auch?
Ganz im Gegenteil: Ein Schnaps nach dem Essen wirkt sich sogar negativ auf die Verdauung aus. Alkohol bewirkt, dass sich die Muskeln im Körper entspannen – auch die Muskulatur, die für die Verdauung verantwortlich ist. „Der Alkohol belastet den Magen zusätzlich, denn er hemmt die Magenmuskulatur und verlängert dadurch die Zeit, die der Speisebrei im Magen verbringt“, sagt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).

Was der Verdauung dagegen tatsächlich hilft, ist der gute alte Spaziergang. An der Weisheit: Nach dem Essen sollst du ruhen oder 1000 Schritte tun, ist tatsächlich etwas dran.

Wenn ich geschlafen habe, bin ich wieder nüchtern

Der Körper eines erwachsenen Menschen baut Alkohol sehr konstant ab. Pro Stunde sind das etwa 0,1 bis 0,15 Promille. Um 1,0 Promille abzubauen, braucht die Leber also etwa zehn Stunden. Dort werden 90 Prozent des Alkohols abgebaut. Ihr Arbeitstempo lässt sich nicht beschleunigen. Auch nicht durch Kaffee, Elektrolyte, Energydrinks oder eine kalte Dusche.

1,0 Promille entsprechen laut der Expertin etwa einem halben Liter Wein bei einer durchschnittlich gewachsenen Frau oder 1,7 Liter Bier bei einem durchschnittlichen Mann.

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Ein Konterbier hilft gegen den Kater

Ein Bier (oder anderes alkoholisches Getränk) am nächsten Morgen vertreibt den Kater nicht, sondern zögert ihn bestenfalls hinaus. Denn der Kater erreicht seinen Höhepunkt, wenn der Alkoholpegel im Blut auf null sinkt. Deshalb fühlen sich viele Menschen morgens beim Aufstehen auch oft noch relativ gut – und bauen in den nächsten Stunden merklich ab.

Wer in dieser Phase ein Bier trinkt, treibt damit den Alkoholpegel wieder nach oben. Verhindern lässt sich der Kater damit nicht. Denn irgendwann kommt der Tiefpunkt garantiert.

„Der Kater ist ein Zeichen dafür, dass die Leber sehr viel zu tun hat, um den Alkohol abzubauen“, betont Prof. Freyer-Adam. Deshalb sei es nicht zu empfehlen, noch mehr Alkohol zu konsumieren. „Hinzu kommt, dass der Drang nach Alkohol, um am Leben teilhaben oder funktionieren zu können, häufig ein Zeichen für einen problematischen Alkoholkonsum ist.“

Viele Mythen – wenig Wahrheit

Um Alkohol ranken sich viele Mythen, die meisten davon sind jedoch mit wenig Wahrheit verbunden. Sie verharmlosen dagegen den Konsum und geben wenig haltbare Tipps, die helfen sollen.

Was am besten hilft: weniger Alkohol trinken. Denn Feiern, Tanzen oder ein leckeres Abendessen genießen geht auch ohne den Konsum von Alkohol.

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Kevin Schuon

Veröffentlicht am 05.06.2025

Quellenangaben

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