Schlafenszeit-Prokrastination: Wenn wir Schlaf bewusst aufschieben

Redaktion
Michelle Krah

Nur noch eine Folge deiner Lieblingsserie oder ein kurzer Check auf TikTok, obwohl du eigentlich längst schlafen solltest: Dieses Verhalten nennt sich: „Bedtime Procrastination“, zu Deutsch „Schlafenszeit-Prokrastination“. Prokrastination steht für Aufschieben. Wir erklären dir, was hinter dem Phänomen steckt, welche Strategien helfen können und wann es Zeit ist, ärztlichen Rat einzuholen.

Fast die Hälfte der Deutschen leidet laut einer Statista-Umfrage an Schlafstörungen. Das heißt: Mit deinem Problem bist du nicht alleine. Viele Menschen finden nur schwer in den Schlaf oder schlafen zu wenig. Was steckt hinter dem weit verbreiteten Phänomen? Und wie kannst du all dem entgehen?

Was bedeutet Schlafenszeit-Prokrastination?

Nach einem Tag voller Verpflichtungen – Schule, Studium, Ausbildung, Haushalt oder Arbeit – bleibt oft kaum Zeit für dich selbst. Deshalb schieben viele Menschen das Schlafengehen bewusst hinaus, um noch etwas Freizeit zu genießen. Genau das beschreibt „Bedtime Procrastination“.

Das Besondere daran: Es geht nicht um Notfälle oder dringende Aufgaben, sondern um bewusste Entscheidungen. Prof. Dr. Dieter Riemann, Experte für Schlafforschung am Universitätsklinikum Freiburg, erklärt: „Das Schlafengehen ist etwas, was ich eigentlich tun sollte, aber bewusst hinausschiebe – obwohl ich weiß, dass es negative Konsequenzen hat.

Betroffene wissen genau, dass sie am nächsten Tag müde sein werden. Daraus entsteht das Problem, dass die Schlafqualität leidet und die effektive Schlafzeit immer kürzer wird.

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Warum gehen wir zu spät ins Bett?

Der wichtigste Grund ist meistens eine bewusste Entscheidung: Eigentlich willst du genug schlafen, aber abends triffst du einfach schlechtere Entscheidungen.

Oft ist spätes Schlafengehen auch eine Art Vermeidung: Du willst Probleme nicht angehen und lenkst dich lieber mit etwas Unterhaltsamem ab. Dazu kommt, dass deine Selbstkontrolle am Abend nachlässt. So entsteht eine Lücke zwischen „Ich will schlafen“ und „Ich gehe wirklich ins Bett“. Das führt am Ende zu Schlafmangel.

Häufig wird die Schlafenszeit durch intensive Mediennutzung, längeres Fernsehen oder Scrollen durch die Sozialen Medien, hinausgezögert. Das blaue Licht digitaler Geräte hält dich wach und erschwert es deinem Körper, herunterzufahren. Gleichzeitig bleibt dein Kopf aktiv und das Gedankenkarussell dreht sich weiter. So entsteht ein Teufelskreis aus zu wenig Schlaf und ständiger Müdigkeit.

Warum ist blaues Licht vor dem Schlaf schädlich?

Blaues Licht, das von Bildschirmen wie Smartphones, Tablets oder Laptops ausgestrahlt wird, hemmt die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Das führt dazu, dass dein Körper weniger müde wird und länger wach bleibt. Außerdem signalisiert das blaue Licht deinem Gehirn, dass es noch Tag ist – was deinen natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinanderbringt.

Tipp: Schalte abends den Blaulichtfilter deines Geräts ein oder lege es mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen zur Seite.

So kann sich Schlafmangel auf Körper und Geist auswirken

Wenn du zu wenig schläfst, bleibt das nicht ohne Folgen – sowohl für deinen Körper als auch für deinen Geist. Hier sind die häufigsten Auswirkungen von Schlafmangel:

  • Brain Fog:

    Konzentrationsprobleme und Vergesslichkeit machen es schwer, klar zu denken.

  • Reizbarkeit:

    Wenig Schlaf kann deine Laune verschlechtern und es erschweren, Emotionen zu regulieren.

  • Geschwächtes Immunsystem:

    Dein Körper hat weniger Energie, um sich gegen Krankheiten zu wehren.

  • Langfristige Gesundheitsrisiken:

    Schlafmangel erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Diabetes Typ 2.

  • Hormonelle Veränderungen:

    Ein gestörter Schlafrhythmus kann deinen Hormonhaushalt aus dem Gleichgewicht bringen.

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Tipps, um den Schlafrhythmus zu verbessern und gesunde Routinen zu finden

Um „Bedtime Procrastination“ zu vermeiden, helfen einfache Strategien, die deinen Schlaf verbessern und gesunde Routinen fördern. Hier sind die wichtigsten Tipps:

  • 1. Feste Schlafenszeiten

    Gehe jeden Abend zur gleichen Zeit ins Bett und stehe morgens zur gleichen Zeit auf – auch am Wochenende. Dein Körper gewöhnt sich so an einen festen Rhythmus.

  • 2. Entspannende Routinen vor dem Schlafen

    Schaffe dir Rituale, die dir beim Abschalten helfen: Lies ein Buch, mach Atemübungen oder probiere Meditation aus.

  • 3. Digital Detox am Abend

    Vermeide Smartphone, Fernsehen und andere digitale Medien kurz vor dem Schlafengehen. Wenn das schwerfällt, verbanne dein Handy einfach aus dem Schlafzimmer – so kommst du gar nicht erst in Versuchung.

  • 4. Verzichte auf Alkohol und Koffein

    Alkohol kann deinen Schlaf stören und Koffein wirkt bis zu acht Stunden nach. Verzichte abends auf beides, um besser einzuschlafen.

  • 5. Mach dein Schlafzimmer zur Wohlfühlzone

    Nutze dein Bett nur zum Schlafen – nicht zum Arbeiten oder Essen. Sorge für eine angenehme Atmosphäre: Eine kühle Raumtemperatur, gedimmtes Licht und gemütliche Bettwäsche helfen deinem Körper, sich zu entspannen.

  • 6. Stress reduzieren

    Versuche, Stress im Alltag zu minimieren. Je entspannter du tagsüber bist, desto leichter kannst du abends abschalten und einschlafen.

Häufige Fragen:

Können Schlafmittel helfen, wenn ich den Schlaf aufschiebe?

Schlafmittel können kurzfristig dabei helfen, den Einschlafprozess zu unterstützen. Sie sind jedoch keine langfristige Lösung. Nicht verschreibungspflichtige Mittel wie Melatonin, ein körpereigenes Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert, können helfen, einen geregelten Schlafrhythmus wiederherzustellen. Der Experte empfiehlt:

„Beim Kauf sollte man von Online-Bestellungen absehen und sich in der Apotheke wirklich ausführlich beraten lassen, damit eine richtige Dosierung eingehalten wird.“

Auch pflanzliche Mittel wie Baldrian, Passionsblume oder Melisse können beruhigend wirken und das Einschlafen erleichtern. Verschreibungspflichtige Schlafmittel wie Benzodiazepine (z. B. Valium) sollten hingegen nur unter ärztlicher Aufsicht und für kurze Zeit eingesetzt werden, da sie schnell abhängig machen können.

Führt spätes Schlafengehen automatisch zu dem Phänomen?

Nicht unbedingt. Wenn du in deiner Routine spät ins Bett gehst, aber trotzdem genug Schlaf bekommst und morgens später aufstehst, ist das kein Problem. „Bedtime Procrastination“ entsteht vor allem dann, wenn du absichtlich deinen Schlaf hinauszögerst und dadurch weniger Schlaf bekommst, als dein Körper eigentlich braucht.

Ist Schlafenszeit-Prokrastination eine Schlafstörung?

Nein, sagt der Experte. Wer ab und zu zu spät ins Bett geht und dadurch zu wenig schläft, leidet nicht automatisch an einer Schlafstörung. „Prokrastination ist das absichtliche Hinauszögern“, erklärt der Experte. Eine Schlafstörung hingegen ist eine unbewusste oder unabsichtliche Störung des Schlafs, bei der Betroffene keine Kontrolle über ihren Schlaf haben.

Kann Sport der Schlafverzögerung vorbeugen?

Ja, es kann vorbeugen: Tägliche Bewegung kann Stress abbauen und das körperliche Wohlbefinden steigern. Auch hilft regelmäßige Bewegung dabei, schlaffördernde Hormone freizusetzen – so fällt das Einschlafen am Abend leichter.

Vor dem Schlafengehen eignen sich moderate Aktivitäten wie Radfahren, Yoga oder Spaziergänge. Intensiver Sport, z.B. Training mit schweren Gewichten, sollte vor dem Zu-Bett-Gehen eher vermieden werden. Es regt den Körper an und erschwert den späteren Einschlafprozess.

Wer ist am häufigsten von dem Phänomen betroffen?

Allgemein wird das Phänomen durch alle Alters- und Berufsgruppen hinweg beobachtet. Trotzdem ist eine Häufung der Schlafens-Prokrastination „in deutlicher Korrelation mit der Mediennutzung” von Menschen erkennbar. Heißt, wer mehr digitale Medien konsumiert, neigt eher dazu, das Zu-Bett-Gehen hinauszuzögern.

Besonders stark lässt sich dies bei den 15- bis 25-Jährigen beobachten, so Prof. Dr. Riemann. Trotzdem wurde „Bedtime Procrastination” schon vor der Nutzung von sozialen Medien und Streaming beobachtet. „Aber die digitalen Medien machen es einfacher“ und bieten eine höhere „Verlockung“, sagt der Schlafexperte.

Was versteht man unter „Revenge Bedtime Procrastination” oder „Sleep Procastination Revenge”?

„Revenge Bedtime Procrastination“ – manchmal auch „Sleep Procrastination Revenge“ genannt – heißt, dass man absichtlich später ins Bett geht, um mehr Freizeit zu haben. Das passiert oft bei Menschen, die lange arbeiten oder viel Stress haben und das Gefühl bekommen, dass ihnen tagsüber Zeit für sich selbst fehlt.

Wenn der Tag voll ist mit Arbeit, Alltag und dazu den empfohlenen sieben bis acht Stunden Schlaf, bleibt kaum Platz für Entspannung. Um Zeit für sich zu haben, schieben viele ihre Schlafenszeit extra nach hinten. Das fühlt sich dann ein bisschen wie „Rache“ dafür an, dass man tagsüber keine Freizeit hatte.

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Fazit

Am Ende hilft es, ehrlich zu sich selbst zu sein. Viele kennen das: Man will früher schlafen, aber irgendwas hält einen doch wach. Wichtig ist, zu verstehen, warum das so ist – erst dann kann man etwas ändern.

Wichtige Grundvoraussetzung, um sein Verhalten nachhaltig umzustellen, ist das eigene Bewusstsein und eine Änderungsbereitschaft für das Problem. Betroffenen rät Riemann, sich die folgenden Fragen zu stellen: „Will ich das ändern? Was hält mich davon ab, das zu ändern? Und was hält mich davon ab, früh ins Bett zu gehen?”

Wenn man das für sich beantwortet, fällt es leichter, kleine Schritte zu machen und die eigenen Abende wieder ein bisschen besser unter Kontrolle zu bekommen.

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Michelle Krah

Veröffentlicht am 03.12.2025

Quellenangaben

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