Studie warnt vor Xylit: Wie gefährlich ist der Zucker­ersatz?

Redaktion
IKK classic

Wir lieben es süß – aber bitte kalorienarm. Deshalb stecken in vielen Lebensmitteln heute zuckerfreie Süßstoffe auf natürlicher oder synthetischer Basis. Wussten Sie, dass sie sogar in Zahnpasta und Kaugummis verarbeitet sind? Eine Studie warnt jetzt: Xylit, auch bekannt als Birkenzucker oder Xylitol, sowie andere Zucker-Ersatzmittel, können bei häufigem Verzehr das Herz gefährden.

Was ist Xylit?

Er steckt in Kaugummis, süßen Drinks, Fertigprodukten und Desserts. Sogar in Zahnpasta: Xylit hemmt nämlich Kariesbakterien und gilt daher als zahnfreundlich. Xylit, auch Xylitol oder Birkenzucker genannt, galt lange Zeit als natürlich und unbedenklich. Er ist ähnlich süß wie der gängige Kristallzucker Saccharose, enthält aber nur rund halb so viele Kalorien pro Gramm. Perfekt also für Gesundheitsbewusste. Was kann schon schädlich sein an einem Süßstoff, der sich aus Beeren, Hafer, Birke oder Maiskolbenschalen gewinnen lässt?

Eine ganze Menge, zumindest für große Naschkatzen. Wer ab und an mal den beliebten Süßstoff in den Speiseplan einbindet, braucht sich keine Sorgen zu machen. Laut Uwe Knop, Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor, ist allerdings „nicht bewiesen, dass Xylit ‚gesund‘ ist. Im Gegenteil, es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass der Dauerkonsum problematisch sein könnte.“ Ein triftiger Grund, um den Konsum des natürlich vorkommenden Zuckeralkohols gut im Blick zu behalten, so Knop. Seit mehr als 14 Jahren bildet die faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. 

Neue Studie: Risiken und Nebenwirkungen von Xylit

Beispielsweise zeigt eine umfangreiche Untersuchung der US-amerikanischen Cleveland Clinic, die im European Heart Journal veröffentlicht wurde: Xylit erhöht das Risiko für Erkrankungen von Herz und Adern. Erstautor der Studie ist Dr. Marco Witowski, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) Berlin.

Blutproben von mehr als 3.300 Herz-Kreislauf-Patientinnen und -Patienten wurden für die Studie ausgewertet. Drei Jahre lang wurden die Teilnehmenden beobachtet. Die Erkenntnis: Bei Personen mit viel Xylit im Blut kam es deutlich häufiger zu Schlaganfällen, „kardialen Ereignissen“ wie Herzinfarkt oder sogar zu Todesfällen, so Dr. Witowski. Das Risiko für schwere kardiale Ereignisse stieg um 57 Prozent, wenn gleichzeitig erhöhte Xylit-Werte im Blut bei den Probanden nachgewiesen werden konnten. Im Vergleichstest mit Gesunden zeigte sich, dass Xylit die Bildung von Blutgerinnseln fördert.

Kurzum: Die Studie hat den natürlichen Süßstoff entzaubert. „Das sollte jedem zu denken geben. Vor allem aber denen, die Birkenzucker noch immer als ‚gesunde Süße‘ anpreisen,“ so Ernährungswissenschaftler Knop. Fachkollegen fordern längere und nachreichende Studien. Doch ist der Nachweis in nur drei Jahren signifikant genug, um die allgemeine Bevölkerung über die Risiken aufzuklären. Für Hochrisikopatientinnen und -patienten werden sogar Warnhinweise erwogen.

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Xylit im Vergleich zu anderen Zuckerersatzstoffen und Zucker

Schätzungen zufolge dürfte der weltweite Xylit-Markt ein Volumen von über 600 Millionen Euro überschritten haben. Laut einer Statista-Umfrage hat Xylit sogar das beste Image der Süßstoffe: 36 Prozent gaben an, die Substanz als gesund zu empfinden. Doch zwar ist Xylit pflanzlichen Ursprungs, seine Verarbeitung jedoch hochindustriell wie bei anderen Zuckeraustauschstoffen auch.

Zumindest eine Eigenschaft gilt als gesund bei Xylit im Gegensatz zu Zucker bzw. Fruchtzucker: In zuckerfreien Zahnpflegekaugummis und Mundspülungen sorgt es dafür, dass sich weniger Zahnbelag bildet, sich das Wachstum von Kariesbakterien und die säurebedingte Entkalkung der Zähne reduzieren. „Kaugummikauen (egal, wie er gesüßt wurde) ist grundsätzlich nicht schädlich“, gibt auch Ernährungswissenschaftler Knop Entwarnung.

Neben Xylit bevölkern weitere Süßstoffe wie Erythrit, Stevia, Sucralose und Aspartam unsere Küchenschränke. Das verbirgt sich hinter den Begriffen:

Xylit (E 967)

Xylit wird auch Xylitol oder Birkenzucker genannt, weil es häufig aus der Rinde der Birke gewonnen wird. Gepriesen wegen seiner Backfestigkeit, seiner Hemmnis von Kariesbakterien und der vergleichsweisen guten Kalorienbilanz – rund die Hälfte pro Gramm im Gegensatz zu Haushaltszucker. Von seiner Süßkraft her ist der sogenannte Zuckeralkohol gleichzusetzen mit dem gängigen Kristallzucker Saccharose und kann daher 1:1 bei Rezepten zum Einsatz kommen. Eine amerikanische Studie warnt jedoch vor dem Risiko schwerer Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die mit Xylit in Verbindung gebracht werden.

Aspartam (E 961)

Weltweit einer der beliebtesten Süßstoffe, vor allem für „Zero“, also zuckerfreie Produkte ohne relevante Anzahl an Kalorien. Nicht hitzestabil wie Sucralose (s.u.) und kann deshalb nicht zum Backen verwendet werden. Seine Süßkraft ist 200 Mal größer als Zucker. Eine synthetische Substanz, die im Verdacht steht, u. a. Depressionen und Gedächtnisverlust hervorzurufen. Laut WHO ist Aspartam „möglicherweise krebserregend“.

Erythrit (E 968)

Oft genutzt von Diabetikerinnen und Diabetikern, da der Zuckerersatzstoff insulinunabhängig ist und deshalb keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel hat. Zudem ist es wie Xylit besonders backfest. Doch auch Erythrit hat in Studien schlecht abgeschnitten, weil es genau wie Xylit zur Familie der Zuckeralkohole gehört, die die Bildung von Blutgerinnseln fördern. Zudem ist die Substanz, wie Xylit auch, aufwendig technologisch hergestellt und hochverarbeitet, trotz der pflanzlichen Grundlage – Erythrit wird z. B. aus Hefe gewonnen.

Stevia (E 960)

Viel süßer als Zucker – ca. 300 Mal süßer als Haushaltszucker – dabei fast keine Kalorien und keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel: Die südamerikanische Stevia-Pflanze bringt einen in der Lebensmittelindustrie sehr beliebten Süßstoff hervor. Auch bekannt als Stevioglykoside, hat Stevia einen leichten Lakritzgeschmack und greift, wie Erythit und Xylit, die Zähne nicht an. Die Herstellung ist aufwendig, auf chemischer und physikalischer Basis. Das fehlende Volumen beim Backen und die gesetzlich vorgeschriebene Höchstmenge begrenzen den Einsatzbereich.

Sucralose (E 955)

Wie Aspartam ist auch Sucralose nicht hitzestabil und kann deshalb nicht zum Backen verwendet werden. Beim Erhitzen von Lebensmitteln mit Sucralose können sogar chemische Verbindungen entstehen, die gesundheitsschädlich sind. Sie finden sich oft in so genannten Light- oder Diätprodukten des Supermarkts, und eignen sich für Diabetikerinnen und Diabetiker, da sie den Blutzuckerspiegel nicht beeinflussen. Sucralose ist etwa 500 bis 600 Mal süßer als Zucker.

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Kann ich mit Xylit abnehmen?

Die WHO rät davon ab, zur Gewichtskontrolle auf zuckerfreie Süßstoffe, ob nun natürlichen Ursprungs wie Xylit oder künstlichen Ursprungs wie Sucralose, zu setzen. Es stimmt, Xylit bringt etwa die Hälfte an Kalorien pro Gramm im Vergleich zu Haushaltszucker auf die Tabelle. Kann man also einfach das Doppelte naschen? Oder die Hälfte an Kalorien einsparen? So einfach ist das nicht.

Denn der Nachweis eines langfristigen Nutzens für die Verringerung des Körpergewichts steht noch aus. Im Gehirn findet nämlich eine neurogene Wirkung statt: Wir verlangen nach noch mehr Süßstoff, und dieser Kreislauf des Wunsches nach immer mehr Süßem ist schwer zu brechen. Auch, wenn der Blutzucker beim Verzehr von xylithaltigen Lebensmitteln nicht steigt, kann laut aktueller Datenlage ein erhöhter Konsum die Lust auf mehr Süßigkeiten steigern. Zum Abnehmen führt das jedenfalls nicht.

„Xylit und andere ‚Zucker-Imitatoren‘ versprechen den süßen Geschmack ohne die Kalorien,“ sagt Ernährungswissenschaftler Knop. „Doch könnte es sein, dass wir für diese Illusion einen hohen Preis zahlen.“

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Selbstcheck: Brauche ich Xylit, andere Zuckerersatzstoffe oder Zucker wirklich?

Vieles an unserem Essverhalten ist Gewohnheit. Hinterfragen Sie sich und Ihr Verhalten am besten immer wieder selbst.

  • Stellen Sie sich die Frage: Ist Zucker oder ein Süßstoff wie Xylit wirklich nötig?

  • Warum brauche ich gerade Zucker oder alternative Süßstoffe?

  • Steht dahinter ein anderes Bedürfnis, das ich befriedigen möchte? 

  • Wie kann ich dieses Bedürfnis vielleicht anders lösen?

  • Nutzen Sie Zucker oder Xylit regelmäßig zum Stressabbau oder zur Belohnung? 

Falls ja, dann finden Sie hier ein paar Tipps, wie Sie im Alltag weniger Zucker und Süßstoffe zu sich nehmen können:

  • Frisch kochen oder Meal Prep, also das Vorbereiten des Essens am Abend davor oder am Wochenende für die ganze Woche: besonders viele „versteckte“ Zusätze finden sich in Fertiggerichten.

  • Beim Backen 1/3 weniger Zucker nehmen als im Rezept angegeben. Oft schmecken dann sogar die anderen Zutaten intensiver.

  • Im Müsli zuckerarme Früchte wie Himbeeren oder Blaubeeren nehmen.

  • Verschieben Sie Ihre Lust auf Süßigkeiten um eine Stunde. Sie werden überrascht sein, wie schnell sie vergessen ist, wenn Sie sich anderweitig ablenken.

  • Versuchen Sie andere Methoden in Ihren Alltag zu integrieren, wie Yoga, Meditation, einen kurzen Spaziergang oder Achtsamkeitsübungen.

  • Maximal einmal am Tag bzw. besser nur zwei, drei Mal pro Woche Produkte mit viel Zucker oder Xylit genussvoll naschen ist immer noch erlaubt. Wie bei allem sind es die Menge und die Häufigkeit, die ungesund sein können.

  • Wenn Sie denken, süchtig nach Zucker und seinen Ersatzstoffen zu sein, holen Sie sich professionelle Hilfe. Fragen Sie Ihren Hausarzt oder treffen Sie sich mit einem spezialisierten Ernährungscoach.

Einordnung und Fazit: Ist Zucker eine gute Alternative zu Xylit?

Generell essen die Deutschen laut DGE zu viel Zucker. Ein Rechenbeispiel: Im Jahr 2023 lag der Zuckerkonsum in Deutschland bei 33,2kg pro Kopf, was einem Verbrauch von 91 Gramm am Tag entspricht. Empfohlen sind nicht mehr als zehn Prozent der kompletten Kalorienaufnahme. Also werden bei 2.000 kcal nicht mehr als 50 Gramm Zucker empfohlen. Laut Deutscher Adipositas-Gesellschaft (DAG), Deutscher Diabetes Gesellschaft (DFG) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) kann ein großer Zuckerkonsum nicht nur zu Übergewicht führen, sondern auch zu damit verbundenen ernsthaften Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2. Und die Zahngesundheit leidet, Stichwort Karies, bei häufigem und starkem Zuckerkonsum.

Wer also weniger Zucker konsumieren möchte, ist auf dem richtigen Weg. Der Umstieg auf Austauschstoffe, Diät- oder Light-Produkte ist dabei keine Hilfe, besser ist es, seine tägliche Zuckermenge zu reduzieren. Wer das in kleinen Schritten tut, gewöhnt sich schnell an die neuen Mengen und stärkt eine ausgewogene Ernährungsweise. Am Anfang schmecken viele Lebensmittel mit weniger Zucker oder Süßstoffen wie Xylit vielleicht noch ungewohnt oder schlechter, ganz bald aber werden Sie diese als normal und lecker empfinden.

Wichtig ist hierbei, nicht nur die offensichtlichen "süßen Sünden" zu berücksichtigen, sondern auch versteckte Zuckerzusätze in hochverarbeiteten Lebensmitteln, wie beispielsweise dem schnellen Mittagessen für die Mikrowelle. Auch Honig, Ahornsirup, Rübenkraut oder Agavendicksaft zählen als Sacharose, also letztlich Zucker. Selbst, wenn sie mehr Mikronährstoffe haben als der handelsübliche Haushaltszucker.

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Veröffentlicht am 08.10.2024

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